
Bad Oeynhausen. Es ist die Nacht vom 22. auf den 23. Juni 2024, als der 20-jährige Philipos im Kurpark zu Tode getreten wird. Fast ein Jahr später wird im Mai dieses Jahres das Urteil gesprochen. Die IV. Große Strafkammer des Landgerichtes Bielefeld verkündete nach 17 Verhandlungstagen das Urteil im Kurpark-Totschlag.
Der 19-jährige Syrer Mwafak al S. wurde wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und räuberischen Diebstahls zu neun Jahren Jugendstrafe verurteilt. Mit einer vorzeitigen Haftentlassung kann er laut Richter Carsten Glashörster nicht rechnen, da er sich im Verfahren nicht geständig gezeigt und keine Nachfragen zugelassen habe. Verteidiger Burkhard Benecken kündigte noch auf dem Gerichtsflur die Revision an.
Das Gericht habe sich dem öffentlichen Druck gebeugt, so sein Vorwurf. Bemerkenswert war auch der Großteil der Zeugen. Bis auf wenige Ausnahmen war es ihnen sichtlich egal, dass ein junger Mensch verstorben ist. Zur Aufklärung wollte kaum einer beitragen.
Über den Fall Philipos und wie der Prozess in Sachen Kurpark-Totschlag verlief, sprechen in der neuesten Folge von Ostwestfälle, dem True-Crime-Podcast der „Neuen Westfälischen“, Gastgeberin Birgitt Gottwald und „NW“-Redakteurin Nicole Sielermann. Sie hat den Fall von Anfang an begleitet und verfolgt, welche Diskussionen und Reaktionen der Tod des jungen Mannes ausgelöst hat.
Während es im ersten Teil des Podcasts um die Tat und die sechs Monate danach ging, beschäftigt sich Teil zwei mit dem Prozess. Er begann im Dezember 2024 vor dem Bielefelder Landgericht. Nach 17 Verhandlungstagen wurde Anfang Mai das Urteil gesprochen. Noch am gleichen Tag legten die Verteidiger von Mwafak al S. Berufung ein.
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Tödlicher Streit – der Fall im Überblick:
- Der 20-jährige Philipos gerät in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 2024 im Kurpark in Bad Oeynhausen in eine Auseinandersetzung. In deren Folge wird der junge Mann schwer verletzt.
- Kurze Zeit später stirbt er im Krankenhaus an den Folgen der Verletzungen.
- Der mutmaßliche Täter wird ermittelt. Da es sich beim Tatverdächtigen um einen jungen Syrer handelt, wird der Fall entgegen dem Wunsch der Familie des Opfers zum Politikum.
- In Bad Oeynhausen wird dagegen in stiller Trauer an Philipos gedacht.
Als am 17. Dezember der Prozess vor dem Landgericht Bielefeld beginnt, war es ein schwerer Gang für die Eltern von Philipos T. Erstmals saßen sie dem jungen Mann gegenüber, der mutmaßlich ihren Sohn totgetreten haben soll. Insgesamt war der erste Prozesstag zwar eine emotionale, aber zugleich kurze Angelegenheit. Nach nicht einmal 30 Minuten schloss der Vorsitzende Richter Carsten Glashörster die Verhandlung.

Als er 17 Verhandlungstage später das Urteil fällt, ist er nicht nur von der Schuld des Syrers überzeugt, sondern ist zudem auch oft aus der Haut gefahren, weil der Großteil der Zeugen seine Geduld mit Erinnerungslücken und respektlosem Verhalten aufs Äußerste strapazierte.
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Letztendlich sah es das Gericht nach Zeugenaussagen und Videobeweisen als erwiesen an, dass Mwafak al S. den 20-jährigen Philipos T. am 23. Juni 2024 auf den Bad Oeynhausener Kurhausterrassen nach einer verbalen Auseinandersetzung attackiert, auf dessen Kopf eingeschlagen und eingetreten hat.
Der Täter war erst wenige Monate vorher in die Kurstadt gezogen und 2016 im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen. In Syrien geboren, flüchtete er 2012 mit seinen Eltern nach Jordanien. Vier Jahre später folgten die Mutter und die vier Kinder dem Vater nach Baden-Württemberg.
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Ein Umstand, den das Gericht zugrunde legte, Jugendstrafrecht anzuwenden. Der 19-Jährige sei aufgrund einer Reifeverzögerung, der Flucht und den vielen Umbrüchen in seinem Leben nicht mit einem Erwachsenen gleichzusetzen. „Sie hatten keinen leichten Start ins Leben“, attestierte der Richter dem Angeklagten.