Neue Kriminalitätsstatistik für Bielefeld laut Polizei „besorgniserregend“

Bielefeld. Zuerst das Positive: Es gäbe erfreulicherweise auch rückläufige Tendenzen, die Abnahme von Straftaten im Vergleich zum Vorjahr, in der Kriminalitätsstatistik 2023, erklärten Polizeipräsidentin Sandra Müller- Steinhauer und ihr Kollege Wolfgang Niewald, Leiter der Direktion Kriminalität. Dazu zähle beispielsweise der Rückgang der Taten von Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren. Nach einem kontinuierlichen Anstieg in den vergangenen Jahren sei die Zahl der Delikte von 458 (2022) auf 339 gesunken – eine Abnahme von 26 Prozent. Auch die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung seien in Summe gesunken, berichtete das Duo am Mittwoch bei der Präsentation der Zahlen im Polizeipräsidium. Zählten die Beamten 2022 640 Taten, so waren es im vergangenen Jahr 617. Dabei konnten 512 Fälle aufgeklärt werden, was einer Quote von 83 Prozent entspricht. Bei der Aufklärung von Fällen sexuellen Missbrauchs gegen Kinder stieg die Quote auf fast 90 Prozent: Das sei eine positive Entwicklung, zumal auch die Zahl der Delikte nach einem Zehn-Jahres-Hoch im vergangenen Jahr erstmals wieder leicht gesunken sei. Und die sieben Fälle von schwerem Missbrauch konnten sogar alle aufgeklärt werden. Dafür habe es 2023 mehrere neue Zehn-Jahres-Hochs gegeben, sagte Müller-Steinhauer in ihrem Eingangsstatement und zählte die Kriminalitätsbereiche auf: Raub, gefährliche und schwere Körperverletzung, Ladendiebstahl sowie die allgemeine Straßenkriminalität. Und auch in den anderen Bereichen nahmen die Delikte zu: &bdquo;Im Jahr 2023 wurden für Bielefeld 27.557 Straftaten registriert, das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um rund 13,6 Prozent.“ Besonders besorgniserregend sei dabei die zunehmende Brutalität und Gewaltbereitschaft der Täter, ergänzte Niewald. Die Polizei ermittelte dabei 10.571 Tatverdächtige, von denen 4.503 keinen deutschen Pass besaßen – ein Anteil von 42,6 Prozent. Das Gros der Delikte entfalle auf Diebstähle, Betrügereien und Rauschgiftvergehen. Diebstahlkriminalität 10.517 Diebstähle registrierte die Polizei im vergangenen Jahr. Das sind 1.781 Taten mehr als 2022, eine Zunahme von knapp 20 Prozent. Der Anteil an der Gesamtkriminalität liegt damit bei rund 38 Prozent. Die Ladendiebstähle stiegen ebenfalls von 2.488 (2022) auf 3.167 – ein weiteres Zehn-Jahres-Hoch. Allerdings lag die Aufklärungsquote bei den Delikten bei 93 Prozent. Die Zahl der Wohnungseinbrüche sei zwar auf 323 Fälle gestiegen, was aber immer noch ein günstiger Wert sei, verglichen mit fast 1.000 vor zehn Jahren, sagte Niewald. Positiv sei dabei die Entwicklung, dass es in über 52 Prozent der Fälle bei einem Versuch geblieben sei. Das sei das Ergebnis, anreisenden Tätern das Leben zu erschweren und die Sensibilisierung für bessere Sicherheitstechnik in Häusern und Wohnungen. Straßenkriminalität und?Messerangriffe Der große Bereich der Straßenkriminalität verzeichnete 5.877 Delikte, darunter sexuelle Belästigungen (117), Überfälle (119) sowie gefährliche Körperverletzungen (364). In 143 Fällen kamen dabei Messer zum Einsatz: auch bei fünf sogenannten Straftaten gegen das Leben, bei denen die Opfer starben. Zwei Morde und drei Totschläge – in fünf weiteren Fällen überlebten die Angegriffenen die Attacken, erklärte Niewald. Die zehn Fälle konnten aufgeklärt werden, insgesamt seien in ganz Ostwestfalen 50 Mordkommissionen eingesetzt worden. Eine trug den Namen &bdquo;Zeit“ und ermittelte den Tod einer erstochenen Rettungssanitäterin. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter beginnt kommende Woche. Gewaltkriminalität 2023 stieg die Zahl der Gewaltdelikte gegenüber dem Vorjahr um 275 auf insgesamt 1.278 Taten. Dazu zählen auch 316 Raubüberfälle und räuberische Erpressungen – das waren 89 mehr als im Vorjahr, ein Anstieg um fast 40 Prozent. Auch die schweren und gefährlichen Körperverletzungen fallen in diese Kategorie. Davon registrierte die Polizei 867, ein Anstieg von rund 30 Prozent, und konnte knapp zwei Drittel der Taten aufklären. Bei den einfachen Körperverletzungen (1.736) lag die Aufklärungsquote dagegen bei rund 86 Prozent. Fazit Polizeipräsidentin Müller-Steinhauer blickt mit Sorge auf die Entwicklung: So einen Anstieg der Zahlen habe sie nicht erwartet, das sei erschreckend, doch zum Lösen der grundlegenden Probleme sei die gesamte Gesellschaft gefordert und nicht allein die Polizei. Entsprechend erteilte sie wiederholt potenziellen Waffenverbotszonen eine Absage, weil bei den Taten nur in seltenen Fällen klassische Waffen zum Einsatz kämen – meist handle es sich um einfache Küchenmesser. Und auch die Videoüberwachung zur Stärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls sei an den neuralgischen Plätzen wie zwischen Hauptbahnhof und Tüte nicht möglich, weil die dafür notwendigen rechtlichen Kriterien nicht erfüllt würden. Und eine private Kamera-Überwachung im öffentlichen Raum sei per Gesetz schlicht verboten. &bdquo;Wir blicken gespannt aufs nächste Jahr“, sagt Niewald, ob es zu einem Turnaround des negativen Trends komme, oder sich Strukturen weiter verfestigen würden. Auf jeden Fall rüste die Behörde massiv auf im Kampf gegen die zunehmende Internet-Kriminalität: beim Cybercrime stieg die Zahl der Fälle von 1.769 um 149 auf 1.918. Die Zahl der Bedrohungen und Nachstellungen stieg sprunghaft von 27 auf 94 Fälle, eine Zunahme von fast 250 Prozent, Vermögens- und Fälschungsdelikte kletterten um fast 26 Prozent. Die Wirtschaftskriminalisten verzeichneten bei Betrügereien fast eine Verdopplung der Schadenssumme auf sieben Millionen Euro. NRW-Innenminister Herbert Reul hat sechs Cybercrime-Einheiten angekündigt – eine für Bielefeld.

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