Neun Verkehrstote trüben Bielefelds Unfallbilanz - unerklärlicher Trend bei Fahrerfluchten

Bielefeld. Mit dem Hashtag #leben wollen die Verantwortlichen der Polizei Bielefeld bei ihrer Arbeit künftig den Fokus auf das wertvollste Gut richten, das Verkehrsteilnehmer leider immer wieder gedankenlos aufs Spiel setzen. Neun Menschen haben im vergangenen Jahr in Bielefeld ihr Leben bei einem Verkehrsunfall verloren. Wolfgang Niewald, stellvertretender Polizeichef, und Christian Lübke, Chef der Autobahnpolizei, wollen angesichts ihrer Jahresbilanz dieser &bdquo;bedrückenden Entwicklung“ schnellstmöglich Taten folgen lassen. Ihr Ziel ist die &bdquo;Vision Zero“ – ein Jahr ohne Verkehrstote. Anstieg der Unfälle 9.242 Verkehrsunfälle registrierte die Polizei im vergangenen Jahr in der Stadt. Das sind 241 Unfälle mehr als im Jahr zuvor (plus 2,6 Prozent). Es sind aber noch deutlich weniger als vor der Corona-Pandemie, als sich jährlich mindestens 9.850 Unfälle im Stadtgebiet ereigneten. 2016 waren es sogar 10.538. Verkehrstote Die Zahl der tödlich verunglückten Verkehrsteilnehmer ist immer bestürzend. Neun Verkehrstote bedeuten diesmal sogar den höchsten Stand seit 6 Jahren. Niewald und Lübke betonen zudem, dass 5 von 9 Todesopfern als Fußgänger oder Radfahrer unterwegs waren. &bdquo;Die hatten keine Knautschzone oder einen Airbag wie beim Auto“, sagt Niewald. &bdquo;Im Zuge der Mobilitätswende werden diese ungeschützten Mobilitätsformen im Verkehr zunehmen.“ Deshalb sei insbesondere hier das Ziel, die Unfallzahlen zu senken. Durch Prävention, aber auch durch konsequenter Verfolgung von Fehlverhalten. Rekord bei Schwerverletzten Die gute Nachricht: Seit Erfassen der Unfallzahlen registrierte die Polizei in Bielefeld nie weniger Schwerverletzte als im vergangenen Jahr. Lediglich 172 Menschen erlitten bei einem Unfall schwere Verletzungen – ein Minus von 16,5 Prozent zu 2022. Im Jahre 2016 waren es sogar 250 Schwerverletzte. Der stellvertretende Leiter der Direktion Verkehr und Leiter der Autobahnpolizei, Christian Lübke, führt diesen Erfolg unter anderem auf die immer bessere Sicherheitstechnik der Autos zurück. Aber auch die Assistenzsysteme übernähmen eine ganze Menge Arbeit für den Fahrer und verhinderten so vielleicht schlimmere Unfallfolgen. Anstieg bei den Kindern Bei den unfallbeteiligten Kindern gibt es gute wie schlechte Nachrichten. Die Zahl der Unfälle insgesamt stieg auf 106 und damit auf den höchsten Stand seit 2018. Dafür sank die Zahl der Schwerverletzten von 21 auf 16, bei einem Unfall ums Leben gekommen ist seit 2018 kein Kind mehr. Während die Unfälle mit Jugendlichen deutlich zurückgingen, stieg die Zahl der verletzten jungen Erwachsenen (18 bis 24) mit 221 auf den höchsten Wert seit 2016 (damals 243). Im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 10,5 Prozent. Zwei dieser jungen Erwachsenen verloren sogar ihr Leben. Der Anstieg lässt sich hauptsächlich durch Autounfälle erklären. Die Zahl der verunglückten, jungen Radler und Fußgänger ging jeweils zurück. E-Scooter im Fokus Nach einer Reihe teils ernster Unfälle mit E-Scootern scheinen die Bielefelder die Kurve zu kriegen. Im vergangenen Jahr ging die Zahl der Unfälle um knapp 11 Prozent zurück. Die Zahl der Schwerverletzten sank von 17 auf 11. Durch spezielle Kurse und einen E-Scooter-Simulator glaubt Lübke, die junge Klientel gut präventiv erreichen zu können. Ziel: Senioren auf Pedelecs Die Unfallgefahr für die älteren Verkehrsteilnehmer war im vergangenen Jahr rückgängig. Nach 148 verletzten Senioren im Vorjahr registrierte die Polizei 2023 nur noch 137. Doch Grund zur Entwarnung gebe es noch nicht, so Lübke. Insbesondere in der Schulung von Senioren, die sicherer mit dem Pedelec unterwegs sein wollen, sehen die Verkehrssicherheitsexperten einen Trend. 192 Senioren habe man im vergangenen Jahr auf den elektrisch betriebenen Rädern trainiert. &bdquo;Viele sind vorher Jahre lang nicht mehr geradelt und steigen jetzt erst mit dem Pedelec wieder ein“, sagt Niewald. Da sei es sinnvoll, frühzeitig auf Gefahren hinzuweisen und Sicherheitstipps zu geben. Mehr Pedelec-Unfälle Tatsächlich sank die Zahl der Radunfälle von 394 Unfällen im Vorjahr auf 362. Bei den Schwerverletzten gab es sogar ein Minus von 33,8 Prozent – möglicherweise auch eine Folge des verregneten Sommers. Für den Rückgang der Unfälle ist laut Polizeibilanz aber die Gruppe der klassischen Radler zuständig (-46). Hingegen die Zahl der Pedelec-Unfälle ging – wie seit 2015 – jedes Jahr ein Stück weiter nach oben (+14). &bdquo;Das überrascht uns angesichts der steigenden Verkaufszahlen nicht“, sagt Lübke. &bdquo;Deshalb wollen wir ja gezielt mit den Pedelec-Fahrern an mehr Sicherheit arbeiten.“ 30 der 124 Verunglückten Pedelec-Fahrer waren Senioren, 87 gehören zur Gruppe der Erwachsenen unter 65 Jahren. Alkohol und Drogen Unter den Unfallursachen gelten Fehler beim Abbiegen und Wenden seit Jahren mit Abstand zu den häufigsten (489). Fehler bei der Vorfahrt liegen mit 251 auf Rang 2. Neu an dritter Stelle liegt 2023 plötzlich Alkohol und Drogen als Unfallverursacher. Die Zahl dieser Unfälle stieg von 151 auf 211: &bdquo;Wir haben inzwischen einen starken Fokus auf diesen Aspekt gelegt, unsere Beamten sind besser geschult, um typische Symptome zu erkennen“, sagt Lübke, der darin auch eine Erklärung für den statistischen Anstieg sieht. Spannend dürfte es künftig werden, sollte die Legalisierung von Marihuana kommen. &bdquo;Im Verkehr herrscht bisher eine Null-Prozent-Grenze“, sagt Niewald. Hier könnte auf die Verkehrspolizei einiges zukommen, das der Wirkstoff THC noch tagelang im Blut des Konsumenten nachweisbar ist. Weniger Autorennen Die illegalen Autorennen in der Stadt haben 2023 abgenommen. Im Vorjahr registrierte die Polizei noch 38 verbotene Kfz-Duelle – in 14 Fällen davon kam es dabei sogar zu Unfällen. Nun waren es nur noch 25 Rennen und davon endeten zehn mit Unfällen. &bdquo;Der Trend ist erfreulich. Trotzdem handelt jeder dieser Raser verantwortungslos. Wer an so einem Rennen teilnimmt, ist ein Straftäter“, betont der Polizeidirektor. &bdquo;Dass wir das Tatmittel – also das Auto – immer wieder beschlagnahmt haben, hat sich herumgesprochen. Das hatte eine abschreckende Wirkung“, ist sich Lübke sicher. Höchststand bei Fahrerflucht Weniger erfreulich ist eine Explosion bei den Fällen der sogenannten Unfallflucht. Mit 2.533 registrierten Fällen weist das Jahr 2023 so viele Fahrerfluchten auf wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Allein im Vergleich zum Vorjahr gab es einen Anstieg um 18,3 Prozent. Die Zahl der Fahrerfluchten, bei denen Personen zu Schaden kamen, blieben hingegen mit 103 Fällen auf einem hohen Niveau stabil. Erklären können die Polizeiexperten den Anstieg nicht. &bdquo;Bei solchen Ausreißern bleibt uns oft nichts anderes übrig, als das Phänomen zu beobachten“, sagt Niewald. Die gute Nachricht: Die Zahl der aufgeklärten Fälle stieg von 911 auf 956.

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