Sechs Männer nach großer Rocker-Razzia in Bielefeld angeklagt

Bielefeld/Herford. Nach der großen Polizei-Razzia im Rockermilieu im Juli hat die Staatsanwaltschaft nun Anklage gegen insgesamt sechs Männer erhoben – unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung. Das bestätigte Claudia Bosse, Sprecherin der Anklagebehörde. Dabei sind die drei Hauptbeschuldigten immer noch untergetaucht. Inzwischen habe aber der Strafverteidiger des Rockerbosses den Ermittlungsbehörden mitgeteilt, dass sich sein Mandant und die anderen Rocker dem bevorstehenden Prozess stellen würden. Claudia Bosse berichtet von sechs Angeklagten. Guiskard Eisenberg, Sprecher des Landgerichts Bielefeld, bestätigte am Freitag, 24. November, dass inzwischen alle sechs Beschuldigten die Anklageschrift vorliegen haben. Was sind die Vowürfe? Vier Hells Angels-Mitgliedern wird gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung vorgeworfen. Ein Mitglied der Rockergruppierung soll sich lediglich der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und Nötigung schuldig gemacht haben. Und der sechste, bisher nicht vorbestrafte Angeklagte gehört gar nicht zu den Hells Angels. Bei ihm handelt es sich um einen Tätowierer, der das Opfer – einen 51-jährigen Bielefelder – gegen seinen Willen mit einer Tattoo-Nadel behandelt haben soll. Kritik am Rockerboss soll Auslöser gewesen sein Das soll passiert sein: Nach Ansicht der für organisierte Kriminalität zuständigen Ermittler sollen die nun angeklagten Hells Angels, alle aus Bielefeld, beschlossen haben, das Club-Tattoo des 51-jährigen Hells Angels-Mitglieds überzutätowieren. Die Ermittler vermuten, dass sie ihm damit deutlich machen wollten, dass er nicht mehr als Mitglied der Hells Angels angesehen werde. Der Grund? Der ehemalige Weggefährte des heutigen Rockerbosses soll unter den Mitgliedern der Hells Angels Bielefeld die Meinung verbreitet haben, der Präsident habe mit den Justizbehörden zusammengearbeitet, berichtet Claudia Bosse. Unter Hells Angels gilt die Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz als absolut verboten. Wie berichtet, soll sich der 51-Jährige mit dieser Aussage auf ein Drogenverfahren von 2015 bezogen haben, bei dem die Polizei dem heutigen Rockerchef den Handel mit 7 Kilo Speed vorwarf. Er wurde laut Bosse damals zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Seine bisher letzte Eintragung im Vorstrafenregister. Opfer soll am Bahnhof Brackwede in eine Falle gelockt worden sein Zum vorgeworfenen Tatablauf am 24. März 2023 gab Claudia Bosse ebenfalls weitere Details bekannt: &bdquo;Wir gehen davon aus, dass die Angeschuldigten ihr Opfer in eine Falle gelockt haben.“ Demnach soll der 51-Jährige zum Bahnhof Brackwede gerufen worden sein, wo er angeblich einem Bekannten für die bevorstehende MPU-Prüfung ("Idiotentest" für den Führerschein) helfen sollte. Doch vor Ort warteten laut Anklage fünf Rocker, die den Bielefelder in ein SUV gezwungen und zu einem Tattoo-Studio im Bielefelder Osten gefahren haben sollen. Nach Angaben von Claudia Bosse soll sich der fünfte Rocker an dieser Stelle von der Gruppe getrennt haben, während der Rockerboss und drei weitere Hells Angels den 51-Jährigen zum Tätowierer gezerrt haben sollen. Vor der Tür sollen zwei der Rocker aufgepasst haben, dass keiner rein- und vor allem niemand mehr rauskommt. Der Tätowierer soll dann in den kommenden Stunden das Club-Logo des 51-Jährigen mit schwarzen Balken und Dreiecken übertätowiert haben. &bdquo;Das Geschehen sollen die angeschuldigten Rocker gefilmt haben. Es ist nicht zweifelsfrei geklärt, ob der Tätowierer aus Herford zu der Tat gezwungen wurde. Er soll es aber zumindest billigend in Kauf genommen haben, dass jemand gegen seinen Willen tätowiert wird.“ Vorwurf der Staatsanwaltschaft Bielefeld: Keulenschlag und Tritt an den Kopf Anschließend, so besagt es die Anklage, soll das Rocker-Quartett den 51-Jährigen zum Clubheim an der Erpestraße verschleppt und die Tür hinter sich zugeschlossen haben. Dem Vernehmen nach sei dort mindestens ein Baseballschläger gegriffen worden. Mit diesem soll einer der Beschuldigten dann zugeschlagen haben. Der 51-Jährige soll laut Bosse nach dem ersten Schlag, den das Opfer am Schädel getroffen haben soll, bewusstlos zusammengebrochen sein. In seiner Vernehmung habe der Bielefelder geschildert, dass sich einer der Angeschuldigten auf seine Hände gestellt habe, als er schließlich wieder zu sich gekommen sei, so Bosse. Ein anderer soll dann gegen seinen Kopf getreten haben. Es sollen weitere Tritte gegen den Oberkörper gefolgt sein, bis abschließend noch einmal die Baseballkeule geschwungen worden sein soll. Diesmal soll der Schlag ins Genick gegangen sein. Der Bielefelder erleidet Schädel-Hirn-Trauma, Gehirnblutung, Angstzustände und Konzentrationsstörungen Danach habe die Rockergang von ihrem Opfer abgelassen und dieses zurück zum Bahnhof Brackwede gefahren, von wo sich der schwer verletzte Mann ins Krankenhaus schleppte. Der 51-Jährige erlitt nach Aussage der behandelnden Ärzte ein Schädel-Hirn-Trauma mit Einblutungen im Gehirn, wies im Krankenhaus großflächige Hämatome am Kopf auf, wobei auch die Sehfähigkeit seines linken Auges stark eingeschränkt wurde, klagte über ein Ohrtrauma mit dem Einriss der linken Ohrmuschel und erlitt eine Nasenbein-Fraktur. Trotzdem wurde der Patient noch am Tattag aus dem Krankenhaus entlassen. Allerdings kehrte der Rocker zwei Tage später in die Obhut der Ärzte zurück, weil er zunehmend Kopfschmerzen und Übelkeit verspürte. Auch nach seiner endgültigen Entlassung klagte er bis mindestens Mai über Schwindel, fehlende Gangsicherheit, zeitliche und örtliche Konzentrationsstörungen, Probleme mit der Atmung durch die Nase und eine Gehörstörung. Zudem hätten ihn seit dem Vorfall Alpträume, Flashbacks und Angstzustände geplagt. SEK Bielefeld stürmte die falsche Wohnung, gesuchte Hells Angels abgetaucht Noch geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass das Strafverfahren nach Zulassung der Anklage durch das Landgericht über die Bühne gehen kann, sagt Bosse. Allerdings wissen die Ermittler auch, dass die drei Hauptbeschuldigten – alle drei Deutsche mit türkischen Wurzeln – derzeit untergetaucht sein sollen. Bei der Razzia am 26. Juli waren die drei per Haftbefehl gesuchten Männer nicht zu Hause. Der Zugriff des SEK verlief daher ohne Erfolg – in einem Fall wurde sogar die falsche Wohnung gestürmt und ein Unschuldiger bei der Festnahme verletzt. Die Behörden gehen davon aus, dass sich die drei Gesuchten in der Türkei aufhalten. Ob sie tatsächlich - wie angekündigt - nach der Ladung über ihre Rechtsanwälte zum Prozess erscheinen werden, bleibt fraglich. Die Angeklagten ließen eine Anfrage der Lokalredaktion zu einer Stellungnahme zu den erhobenen Vorwürfen, die an die jeweiligen Strafverteidiger ging, bisher unbeantwortet.

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