Messerstecher pöbelt vor Bielefelder Gericht gegen sein schwer verletztes Opfer

Bielefeld. Es waren Zufall und großes Glück in Kombination mit dem schnellen Eingreifen der Ersthelfer, die einem 27 Jahre alten Bielefelder das Leben retteten: Im April war der Mann wegen einer Lappalie mit einem 45-jährigen Bielefelder aneinandergeraten. Doch die Situation eskalierte und der ältere der Männer fügte seinem Kontrahenten mit einem Messer lebensgefährliche Verletzungen zu. Das Landgericht verurteilte den Täter nun wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer sowie gefährlicher Körperverletzung zu achteinhalb Jahren Gefängnis. Darüber hinaus verurteilte die Kammer den Angeklagten zur Zahlung von 25.000 Euro Schmerzensgeld. Das folgenreiche Zusammentreffen der beiden Männer hatte sich gegen 23.30 Uhr am 29. April dieses Jahrs ereignet: Der nun verurteilte Sergej H. hatte an der Haltestelle Seidenstickerstraße die Stadtbahn verlassen und befand sich mit seinem E-Roller auf dem Bahnsteig. Plötzlich verspürte er einen Schlag. Ein versehentlicher Rempler, wie der später schwer verletzte K. vor Gericht aussagte. Ein unvermittelter Schlag gegen den Kopf, ließ Sergej H. hingegen seinen Verteidiger Sascha Haring in einer Erklärung ausführen. Fest steht, dass es sodann zunächst zu gegenseitigen Beleidigungen, dann zu einem Gerangel der beiden Männer kam. Schließlich landete H. in einer Hecke, sein Kontrahent ging gemeinsam mit einem Begleiter seines Wegs. Damit hätte die ganze Sache ihr Bewenden haben können. Eigentlich. Doch ganz offensichtlich nicht für den 45-jährigen H.: Der drogen- und alkoholabhängige Mann folgte K. und dessen Begleiter, rief diesen Drohungen und Beleidigungen hinterher. Abermals kam es zu einem Gerangel, in dessen Verlauf H. und K. zu Boden stürzten. Das Opfer ist arbeitsunfähig Als der Angeklagte zu unterliegen drohte, zog er ein Messer und stach fünfmal auf seinen Kontrahenten ein. Er traf den Oberkörper, einen Oberschenkel und eine Achselhöhle des 27-Jährigen. Dieser Stich traf die Hauptarterie, eine Vene und durchtrennte einen Nerv. Der derart Getroffene ließ von Sergej H. ab und schleppte sich noch ein kurzes Stück bis zu dem von ihm bewohnten Mehrparteienhaus, wo er zusammenbrach. Aufgrund des immensen Blutverlusts bestand akute Lebensgefahr. Nur durch das fachgerechte und schnelle Eingreifen der Ersthelfer sowie eine Notoperation wurde sein Leben gerettet. Seither ist der 27-Jährige arbeitsunfähig, seine rechte Hand zu 90 Prozent gelähmt. Dies wird für den Klempner wohl die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit bedeuten, da diese Hand feinmotorische Abläufe nicht mehr ausführen kann, auch das Schreiben wird der Rechtshänder mit der linken Hand quasi neu erlernen müssen. In der mehrtägigen Verhandlung vor der X. Großen Strafkammer des Landgerichts hatte Sergej H. zunächst geschwiegen, schließlich aber doch über seinen Verteidiger Sascha Haring eine Erklärung abgegeben. In dieser hieß es, dass er an jenem Tag erheblich dem Alkohol zugesprochen und auch Drogen konsumiert habe. In der Auseinandersetzung mit K. sei er der deutlich unterlegene gewesen, der 27-Jährige habe ihn auf ihm sitzend mit Faustschlägen gegen den Kopf traktiert. "Ich dachte, er bringt mich um", hieß es in der Erklärung. Er habe sodann keinen anderen Ausweg gesehen, als mit dem Messer zuzustechen, das er bei sich führte. Auch in seinem letzten Wort vor der Urteilsberatung - Verteidiger Haring hatte aufgrund der aus seiner Sicht vorliegenden Notwehrsituation einen Freispruch für seinen Mandanten beantragt - sagte H.: "Ich hatte keine andere Möglichkeit, wirklich nicht." 22 Eintragungen im Bundeszentralregister 22 Voreintragungen im Bundeszentralregister sind die traurige Bilanz der Drogenkarriere des Angeklagten, mehrere Gefängnisaufenthalte inklusive. Dabei handelte es sich um die typische Beschaffungskriminalität und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Allerdings war Sergej H. bislang nie mit Gewaltdelikten in Erscheinung getreten. Dies änderte sich am 29. April 2023. Dass er das Geschehen bereue, hatte H. vor der Urteilsverkündung gesagt. Ob dies wirklich so ist, kann er nur selber beantworten. Dass er mit der Entscheidung der Kammer jedoch außerordentlich unzufrieden war, dokumentierte er durch mehrfache Unmutsäußerungen während der Urteilsbegründung, eine abermalige Beleidigung des als Nebenkläger ebenfalls anwesenden K. inklusive. Das Ziel des Angeklagten am Tatabend sei es gewesen, so der Vorsitzende Richter Christoph Meiring, "als Sieger vom Platz zu gehen".

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