Erste Ermittlungen im Fall der Vergewaltigungsserie in Bethel eingestellt

Bielefeld/Duisburg. Die Staatsanwaltschaft Duisburg, die seit November 2021 die Ermittlungen im Fall des Serienvergewaltigers Philipp G. im Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) übernommen hatte, hat nun erste Ermittlungsergebnisse bekannt gegeben. Dabei geht es vor allem um die Strafanzeigen gegen Verantwortliche der Staatsanwaltschaft Bielefeld, der Generalstaatsanwaltschaft Hamm sowie der Kripo in Bielefeld. Wie berichtet, hatte Philipp G. nachweislich 32 Patientinnen der Neurologie im EvKB bewusstlos gemacht und anschließend missbraucht oder vergewaltigt. Darüber hinaus soll er noch mehrere Frauen aus seinem privaten Umfeld auf diese Weise missbraucht haben. Wie Marieluise Hepe, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Duisburg, mitteilt, hat die vierköpfige Ermittlungsgruppe der Anklagebehörde am Montag, 4. September, entschieden, die Aufnahme von Ermittlungen gegen die angezeigten Staatsanwälte sowie gegen einen Kripo-Beamten abzulehnen. In beiden Fällen wurde nach Eingang der Strafanzeigen im Februar 2022 nach langer Aktenarbeit ein Anfangsverdacht verneint und damit entschieden, dass keine weiteren Ermittlungen aufgenommen werden. Zu den Vorwürfen gegen verantwortliche Staatsanwälte sagte Hepe: &bdquo;Der allein in Betracht kommende Tatbestand der Rechtsbeugung ist nur dann erfüllt, wenn der Täter sich bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Es reicht insoweit nicht aus, dass sich die getroffenen Entscheidungen im Nachhinein bei ihrer Überprüfung als unzutreffend darstellen.“ Anhaltspunkte für schwerwiegende und vor allen Dingen bewusste Rechtsverstöße habe die Auswertung der umfangreichen Akten nicht ergeben, so Hepe. &bdquo;Ein Anfangsverdacht für ein strafbares Handeln konnte nicht begründet werden.“ Weitere erhobene Vorwürfe - wie etwa "fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen" - schieden mit dieser juristischen Einschätzung, dass keine Rechtsbeugung vorlag, automatisch auch aus, erklärt Hepe. NRW-Justizminister bezeichnete Entscheidungen in Bielefeld als "rechtswidrig" Wie berichtet, hatten einige Opfer des Assistenzarztes und Serienvergewaltigers Philipp G., der sich kurz nach seiner Festnahme das Leben nahm, Strafanzeige gegen Verantwortliche der Staatsanwaltschaft Bielefeld und der Generalstaatsanwaltschaft Hamm erstattet: Sie warfen den Beamten der Anklagebehörde vor, es bewusst unterlassen zu haben, weitere Geschädigte im Klinikum oder im privaten Umfeld des verstorbenen Assistenzarztes zu ermitteln und sie über die Straftaten zu informieren. In diesem Zusammenhang hatte auch die Gefahr der Infektion mit einer sexuell übertragbaren Krankheit des Täters im Fokus gestanden. Die Ermittlungsbehörden hatten dies bewusst entschieden, um Opfer, die aufgrund ihrer Betäubung nichts von der Tat mitbekommen hatten, nicht nachträglich zu traumatisieren. Opferanwälte wie Stefanie Höke und Daniel Farrokh hatten diese Entscheidung kritisiert. Allein schon, weil das Verschweigen einer möglichen Infektion mit einer Geschlechtskrankheit nicht nachzuvollziehen war. Auch der damalige NRW-Justizminister Peter Biesenbach hatte diese Entscheidung durch die Beamten in Bielefeld und in Hamm als falsch bezeichnet und im Zusammenhang mit der Ansteckungsgefahr sogar als &bdquo;rechtswidrig“. Deshalb hatte das Justizministerium den kompletten Ermittlungsfall im November 2021 neu aufrollen lassen – und zwar diesmal von der Staatsanwaltschaft in Duisburg. Erste Ermittlungen gegen den Assistenzarzt ein halbes Jahr nicht bemerkt Ebenfalls hat die Strafanzeige gegen einen Kripoermittler nicht zu weiteren Ermittlungen geführt. Der Bielefelder Beamte hatte die allererste Strafanzeige gegen Philipp G. vorliegen. Damals hatte eines der Vergewaltigungsopfer noch keine Ahnung, was der Täter ihr und all den anderen sedierten Opfern tatsächlich angetan hatte. Nach der Strafanzeige im September 2019 ging die Kripo davon aus, dass der Arzt seine Patientin ohne Befund durch falsche Medikamentenabgabe zu Unrecht betäubt haben könnte - eine Form der Körperverletzung. Der spätere Vorwurf des Missbrauchsopfers lautete, dass der Kripo-Beamte allein bei der Überprüfung des Namens des Arztes frühere Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs einer betäubten Patientin aus dem Jahre 2016 in Kempen (Kreis Viersen) hätte finden und die richtigen Schlussfolgerungen hätte ziehen müssen. Wegen hoher Arbeitsbelastung soll die Überprüfung des Beschuldigten erst im März 2020 erfolgt sein – also ein halbes Jahr nach Erstattung der Strafanzeige. Erste Zeugen gaben keine Hinweise auf Sexualstraftaten In diesem Zusammenhang konnten die Ermittler der Staatsanwaltschaft &bdquo;keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten oder nicht ausreichend zügige Arbeit des sachbearbeitenden Polizeibeamten des Präsidiums Bielefeld“ feststellen. Die Ermittlungen hatten als "einfache Körperverletzung" ohne Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr nicht oberste Priorität, so Hepe. Auch bei den Zeugenvernehmungen haben &bdquo;keine erkennbaren Hinweise für das Vorliegen einer Sexualstraftat" vorgelegen. &bdquo;Solche Hinweise hätten sich nach dem geschilderten Sachverhalt auch nicht aufdrängen müssen“, heißt es weiter. Erst als dann Anzeichen für Sexualstraftaten vorlagen, seien die erforderlichen Maßnahmen (etwa der entscheidende Durchsuchungsbeschluss im April 2020) durchgeführt worden. Die Priorisierung von Ermittlungen sei bei der Arbeit der Kriminalpolizei Alltag und auch in diesem Fall dem Beamten nicht vorwerfbar. Gegen Klinikverantwortliche wird weiterhin ermittelt Nachdem die Staatsanwaltschaft Duisburg damit die Ermittlungen gegen Bielefelder Verantwortliche von Staatsanwaltschaft und Kripo beendet hat, laufen aktuell noch Ermittlungen gegen die Vorgesetzten des Klinikums Bethel &bdquo;wegen Beihilfe zur Vergewaltigung durch Unterlassen“: &bdquo;Diese Ermittlungen dauern weiterhin an“, sagt die Sprecherin. &bdquo;Derzeit werden die Aussagen von weit mehr als 100 vernommenen Zeuginnen und Zeugen – unter anderem ärztliches und Pflegepersonal der betroffenen Station – ausgewertet.“ Zum Thema: Die gesamte Berichterstattung zur Vergewaltigungsserie - inklusive Podcast

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