Gutachten zu Vergewaltigungen in Bethel soll Bielefelder Chefarzt belasten

Bielefeld/Duisburg. Die Ermittlungen zu den Serienvergewaltigungen im Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) durch Assistenzarzt Philipp G. stehen nach jahrelanger Arbeit von Kripo und Staatsanwaltschaft vor dem endgültigen Abschluss. Wie Felix Bachmann, Sprecher der Duisburger Staatsanwaltschaft mitteilte, liegt nun das externe Gutachten vor, dass sich explizit mit Fragen der Klinikorganisation in Bethel befasst hat und das &bdquo;für den Abschluss der Ermittlungen von Bedeutung ist“. Dieses Gutachten soll nach einem Medienbericht den Chefarzt der betroffenen Station durchaus belasten. Was hat der Chefarzt eigentlich mit der Vergewaltigungsserie zu tun? Direkt nichts. Aber dem Vernehmen nach wirft der Sachverständige dem Chefarzt und anderen Verantwortlichen der Klinik vor, bereits 2019, spätestens aber Anfang 2020 gewusst zu haben, dass der Assistenzarzt Straftaten beging. Zwar sei damit nicht das Wissen über die Vergewaltigungen gemeint, aber zumindest Gewissheit über das Legen von Zugängen und das Verabreichen des Narkotikums Propofol ohne medizinische Notwendigkeit. Ersteres stellt eine gefährliche Körperverletzung dar. Lesen Sie dazu auch: Über 100 Frauen betroffen: Zahl der Opfer des Bielefelder Serienvergewaltigers steigt weiter Denn es soll sehr wohl Hinweise auf das strafwürdige Verhalten des Assistenzarztes gegeben haben – von Patientinnen, aber auch vom Pflegepersonal der Klinik. Diesen Hinweisen sollen die Vorgesetzten des Serienvergewaltigers aber nicht ausreichend nachgegangen sein. Der externe Gutachter wurde daraufhin beauftragt, der Frage nachzugehen, &bdquo;ob die Verantwortlichen des Klinikums es im Rahmen der ihnen obliegenden Organisations- bzw. Aufsichtspflichten pflichtwidrig unterlassen haben, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Taten des verstorbenen Assistenzarztes zu treffen“, so formuliert es der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Hinweise auf verdächtiges Verhalten, aber keine Konsequenzen Laut Gutachten hätten die Hinweise weder zu Konsequenzen geführt noch zu Einträgen in die Personalakte. Immer wieder wird berichtet, dass es dem Assistenzarzt gegenüber seinen Vorgesetzten gelungen sei, durch Ausflüchte und Notlügen disziplinarrechtliche Konsequenzen abzuwenden. Das Tragische: Disziplinarische Konsequenzen hätten die Tatserie des jungen Arztes mit hoher Sicherheit früher stoppen können. So soll es im Gutachten stehen. G. soll sein letztes Opfer im April 2020 vergewaltigt haben. Alles zur Vergewaltigungsserie im Klinikum Bethel Diese Vorwürfe hatte Rechtsanwältin Stefanie Höke, die insgesamt zehn der Betroffenen vertritt, bereits direkt nach Bekanntwerden der Taten den EvKB-Verantwortlichen gemacht und deshalb schon im Oktober 2020 Anzeige gegen sie erstattet. &bdquo;Für uns ist es nicht überraschend, wenn das Ergebnis des Gutachtens tatsächlich so klar ausfallen sollte“, sagt Höke. &bdquo;Es bestätigt lediglich, was wir von Anfang an kritisiert haben.“ Auch wenn die Strafrechtlerin davon überzeugt war, dass die Beweise für eine Anklage auch ohne dieses Gutachten gereicht hätten, so stelle das externe Urteil für ihre Mandantinnen einen &bdquo;Meilenstein in ihrem Kampf für die Gerechtigkeit“ dar. Das Gutachten hat weitere neue Ermittlungsansätze geliefert Allerdings: Die Ermittlungen dauern laut Sprecher Bachmann weiter an: Nach Prüfung des Gutachtens blieben noch wesentliche juristische Aspekte ungeklärt, sagt er. &bdquo;Der Sachverständige wurde deshalb gebeten, ergänzende Fragen zu beantworten. Die Antworten dazu liegen noch nicht vor.“ Damit hätten sich neue Ermittlungsansätze ergeben, die die Ermittler weiter beschäftigen. Ein Ende des Verfahrens ist damit weiter in die Ferne gerückt. News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld Rechtsanwalt Georg Schulze, Verteidiger eines der Beschuldigten, formuliert dabei konkrete Kritik an den Sachverständigen: Das Gutachten sei so unzureichend, dass sogar über die Beauftragung eines zweiten Sachverständigen nachgedacht worden sei. &bdquo;Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft einen erheblich erweiterten Fragenkatalog zugesandt.“ Das Argument, dass eine Abmahnung den Täter von weiteren Taten abgehalten hätte, hält Schulze für eine Aussage, die außerhalb des Gutachtenauftrags und der Kompetenz der Gutachter liege. Die Ermittlungen gegen den Täter selbst waren bekanntlich nach seinem Tod – er hatte sich zwei Tage nach seiner Festnahme im September 2020 in seiner Zelle das Leben genommen – bereits von der Staatsanwaltschaft Bielefeld eingestellt worden. Auf Druck der Opferseite ließ das NRW-Justizministerium den Fall im November 2021 komplett neu aufrollen, diesmal aber unter der Federführung eines vierköpfigen Teams der Staatsanwaltschaft Duisburg. 44 Patientinnen im Krankenzimmer vergewaltigt Durch die Wiederaufnahme konnten inzwischen viele Fragen geklärt werden: Die Beweise gegen Philipp G. sind erdrückend. Der 32-Jährige hatte seine Taten selbst gefilmt und akribisch archiviert. Die Ermittler gehen nach Auswertung der Beweise von insgesamt 44 Vergewaltigungsopfern des Assistenzarztes aus. 30 davon waren EvKB-Patientinnen, die Philipp G. in ihren Krankenzimmern in Bielefeld nachts aufgesucht, betäubt und anschließend vergewaltigt hatte. Zwei weitere Patientinnen wurden in Kliniken in Kempten und in der Schweiz Opfer des Assistenzarztes – beides geschah vor seiner Zeit in Bethel. Zwölf weitere Opfer stammen aus seinem privaten Umfeld. Zusätzlich gelten 68 Frauen aus seinem privaten Umfeld als Opfer einer &bdquo;fahrlässigen Körperverletzung“, weil der Täter Geschlechtskrankheiten hatte und seine Sexualpartnerinnen nicht darüber in Kenntnis setzte. Auch Opfer der Vergewaltigungen haben sich zum Teil beim Täter angesteckt. Dass diese Frauen von der Justiz nicht oder nur sehr spät über die seit der Obduktion bekannte Ansteckungsgefahr informiert wurden, hat sogar zu Entschädigungszahlungen der Justiz geführt. Seit Bekanntwerden der Taten werfen die betroffenen Frauen den Verantwortlichen vom EvKB vor, ihre und andere Beschwerden über den Assistenzarzt einfach abgetan zu haben. Trotzdem hatte die Staatsanwaltschaft Duisburg die Vorwürfe der &bdquo;Beihilfe zur Vergewaltigung“ gegen einen Oberarzt, den Chefarzt und die Klinikleitung im April 2024 eingestellt. Es hätten sich bei den Ermittlungen keine &bdquo;Hinweise darauf ergeben, dass die Verantwortlichen Kenntnis von den sexuellen Handlungen des verstorbenen Assistenzarztes hatten“, hieß es von den Ermittlern. Nun geht es noch um die Kenntnisse über vorsätzliche gefährliche Körperverletzungen. Der Tatvorwurf gegen die Vorgesetzten des Täters bezieht sich daher noch auf den Verdacht der &bdquo;fahrlässigen Körperverletzung“. Lesen Sie dazu: Serienvergewaltigungen an Bielefelder Klinik: EvKB-Vorgesetzte teils entlastet

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