Bielefelder Bauernhof will Kühen ihre Kälber nicht mehr wegnehmen

Bielefeld. Ob in der Medizin, in Industrie, Handwerk oder Landwirtschaft: Überall werden händeringend junge Leute gesucht. Beim Biolandbetrieb Gut Wilhelmsdorf in Sennestadt dagegen ist der Generationswechsel auf einem guten Weg. "Wir sind froh, dass es Nachfolger gibt", sagt Ulrich Schumacher (61), der zusammen mit Johannes Berger (64) seit 1995 die Geschicke des Biobetriebs leitet. "Es ist schön, dass eine gut ausgebildete Mannschaft den Hof übernimmt." Und die hat große Pläne, von mehr Tierwohl über neue Produkte bis hin zum Hofladen-Update. Unter dem Agraringenieurs-Duo Berger/Schumacher, die den Hof vor fast 30 Jahren von der Stiftung Bethel gepachtet haben, hat sich in den vergangenen Jahren viel getan - Stichworte Direktvermarktung, Biogasanlage oder Online-Shop mit Biokiste. Bielefeldweit gibt's Wilhelmsdorfer Biomilch und -joghurt in Bioläden und Supermärkten, auch Kitas und Schulen werden beliefert. Nun will das neue Team - Maike Schumacher ((28), die wie Jan-Christian Hoyer (30) und Friederike Hegselmann (30) Agrarwissenschaft studiert hat, sowie die Ökotrophologin Caroline Barth (29) ,- unterstützt von Berger und Schumacher, den Betrieb weiterentwickeln. Zwei Frauen übernehmen Landwirtschaft und Laden des Bielefelder Biohofs und stellen das Sortiment um Als erstes Projekt wird die Übernahme des Hofladens umgesetzt. Der wurde zwölf Jahre von Michael Hillmann geführt. Künftig leiten ihn Friederike Hegselmann und Maike Schumacher. Sie wollen neben dem Bio-Vollsortiment, Milch und Joghurt nun auch frisches Rindfleisch direkt vom Hof plus knusprige Brötchen aus dem eigenen Ofen anbieten; zudem Wilhelmsdorfer Honig, den Jan-Christian Hoyer ab Frühjahr mit eigenen Bienenvölkern erzeugt. Doch zunächst wird vom 1. bis 8. Februar umgebaut. Ab 9. Februar ist Wiederöffnung mit Probier- und Überraschungsaktionen, am 1. Februar wird groß gefeiert. Weiterer Schritt ist die Übernahme der Landwirtschaft - Milchviehhaltung, Acker- und Futterbau - zum Beginn des neuen Wirtschaftsjahrs Anfang Mai. Auch sie liegt künftig federführend in den Händen von Maike Schumacher und Friederike Hegselmann - diese hat sich auf Gut Wilhelmsdorf vom Trainee in der Landwirtschaft (2017) bis zur Betriebsleiterin hochgearbeitet. Sechs festangestellte Mitarbeiter und drei Auszubildende kümmern sich um die rund 230 Milchkühe - schwarz-bunte Holsteiner, zehn Jerseykühe und drei Angler Rinder. Sie produzieren rund zwei Millionen Liter Milch im Jahr. Geplant ist, sie mit Fleischrassen wie Piemonteser und Inra-Rinder einzukreuzen. Joghurt in noch mehr Geschmacksrichtungen soll in Gut Wilhelmsdorf produziert werden Rund zwei Drittel der Hofmilch werden in der eigenen Molkerei zu Trinkmilch und Naturjoghurt verarbeitet. Das will die gebürtige Hannoveranerin Caroline Barth, die hier bereits von 2018 bis 2021 neben dem Studium im Qualitätsmanagement gearbeitet hat, fortführen. Sie möchte das Joghurtsortiment erweitern. Dafür wird derzeit ein Konzept entwickelt. Auch beim Rindfleisch und der Kälbchenaufzucht ändert sich etwas. Bislang bleibt ein Drittel der weiblichen Nachzucht auf dem Hof, der Rest plus die Bullenkälber werden verkauft. "Das wollen wir so nicht mehr", sagt Maike Schumacher. "Wir wollen selbst mästen und das Fleisch vermarkten" - über Laden, Onlineshop und Biokiste. Das bedeutet, dass Tiere deutlich weniger und kürzer transportiert werden. Nur noch zur Schlachterei wenige Kilometer entfernt. Auf mehr Tierwohl setzen die Jungunternehmer außerdem beim Nachwuchs. Bislang werden die Kälber kurz nach ihrer Geburt von den Müttern getrennt und in Kleingruppen gehalten. Nun wird eine kuhgebundene Aufzucht angestrebt. "Geplant ist, dass eine Kuh drei Kälber großzieht", erläutert Maike Schumacher. Erste Versuche 2022 zeigten, dass die Mütter einerseits zuviel Milch für ein Kalb geben - das trinkt von den 50 produzierten Litern pro Tag lediglich 15. Der Rest aber konnte nicht einfach gemolken werden, weil die Kühe die Milch im Körper für den Nachwuchs zurückhielten. Prompt bekamen einige Euterentzündung. Nun wird getestet, ob eine Amme willens ist, nicht nur das eigene Kälbchen, sondern noch zwei weitere zu versorgen. Der Bielefelder Biohof ist Bethel-Eigentum - künftig sollen auch per Lastenrad Lebensmittel ausgeliefert werden Bis jetzt werden die Waren stadtweit mit dem Lkw transportiert. Das war in den engen Nebenstraßen der Innenstadt mühevoll. Ab 1. März wird der Kühlcontainer an einer zentralen Stelle geparkt. Die Bestellungen sollen dann per Lastenfahrrad ausgeliefert werden. Von den von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel als Eigentümer von Gut Wilhelmsdorf sei der Generationswechsel positiv aufgenommen worden, berichtet Ulrich Schumacher. "Wir sind froh, dass die Stiftung Bethel mitgezogen hat." Der Pachtvertrag sei bis 2052 verlängert worden.

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