Eltern und Lehrer empört über die Bielefelder Politik

Bielefeld. Der umstrittene Antrag der Ratskoalition, Mehrklassen an weiterführenden Schulen nicht mehr wie gehabt entsprechend der Nachfrage zu bilden, sondern nur Kinder erst einmal an freie Plätze an anderen Schulen derselben Form in der Stadt zu verweisen, liegt auf Eis. Das städtische Rechtsamt und die Detmolder Bezirksregierung hatten erhebliche Bedenken geäußert. Das mache es aber nicht besser, sondern noch einmal ärgerlicher, sagen Eltern jetzt. Wie das denn bei so einem wichtigen Thema sein könne, fragen sie. "Warum wurde das nicht im Vorfeld rechtlich abgesichert, bevor man mit so einem Vorschlag an die Öffentlichkeit geht?", will auch Tim Seidel von Stadtelternrat wissen. Der Verein hatte zuvor bereits zu einem Unterschriften-Protest gegen die Pläne des Rathaus-Bündnisses aufgerufen. Insgesamt fanden sich 1.800 Unterzeichner. Die Eltern befürchten, dass ihr Nachwuchs im Zweifel weite Wege quer durch die Stadt in Kauf nehmen müsse, um die gewünschte Schulform besuchen zu können. Genau diese weiten Wege führen nun auch das Rechtsamt und die Bezirksregierung ins Feld (die NW berichtete mehrfach). Auch der im Antrag als Grundlage aufgeführte Paragraf aus dem Schulgesetz, wann Mehrklassenbildung nicht gebildet werden dürfen, sei unvollständig aufgeführt worden. Das bei diesem wichtigen Thema unprofessionelle Vorgehen mindere doch stark das Vertrauen in die Kompetenz der Politik - und ihre Glaubwürdigkeit. Rechtliche Prüfung von der bezahlten Verwaltung erwartet "Es ist natürlich ärgerlich, weil das ganze Thema im Vorfeld hohe Wellen geschlagen hat", sagt Frederik Suchla (SPD), der den Antrag mit gestellt hat. Er sieht die Ratskoalition da aber nicht in der Verantwortung. "Auch wir hätten die rechtliche Prüfung von der bezahlten Verwaltung erwartet", sagt er. Das Thema sei seit mehr als zwei Monaten bekannt. Zuständig sei das Schulamt. "Wir als ehrenamtliche Politikerinnen und Politiker sind auf die Unterstützung der Verwaltung angewiesen", sagen Suchla und auch Meike Taeubig (Die Linke). Es sei natürlich nicht schön, dass dies passiert ist, ergänzt Lisa Brockerhoff (Grüne). Im politischen Geschäft komme es aber durchaus vor, dass es rechtliche Einschränkungen gebe, die nicht sofort erkennbar seien und sich eventuell auch erst später im Prozess ergäben. "Vor diesem Hintergrund von unprofessionellem Vorgehen, mangelnder Glaubwürdigkeit oder enttäuschten Vertrauen zu sprechen, können wir so recht nicht nachvollziehen." Die Stellungnahme lese sich auch nicht so, dass der komplette Antrag rechtlich so nicht haltbar sei, ergänzt Brockerhoff. Eventuell sei eine Ergänzung benötigt. Die vorliegende Stellungnahme sei keine abschließende Prüfung des Sachverhaltes, sondern eine Einschätzung des Rechtsamtes und der Bezirksregierung, "die wir ernst nehmen und jetzt prüfen". Der Zusatz &bdquo;und damit durch die Mehrklassenbildung der Bestand einer oder mehrerer dieser Schulen gefährdet ist" zum im Antrag angeführten erste Teil " Mehrklassen dürfen nicht genehmigt werden, wenn die Aufnahmekapazitäten innerhalb einer Schule einer Schulform im Gebiet des Schulträgers nicht ausgeschöpft sind sowie die personellen, räumlichen und sächlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind" aus Paragraf 81 des Schulgesetzes, sei nicht absichtlich weggelassen worden, ergänzt Suchla. Aus seiner Sicht hätte er die Notwendigkeit des Antrags sogar noch deutlicher gemacht. Anders als die Opposition, sehe er den Bestand einiger Schulen, wie in Mitte oder Senne, sehr wohl als gefährdet an. Als gefährdet gelte, wenn drei Jahre in Folge die Zügigkeit nicht erreicht wird. Eine Aussage macht Eltern besonders wütend "Unabhängig von einer rechtlichen Prüfung, die man eigentlich voraussetzen könnte, sollten Politik und Verwaltung den Elternwillen, Bedürfnisse der Kinder und die Meinung der Schulen zur Kenntnis nehmen und berücksichtigen", sagt Sven Pachur, Leiter der Luisenrealschule. Aus seiner Sicht sei es weder zielführend noch nachvollziehbar, warum völlig ohne Handlungsdruck eine in der Praxis funktionierende Regelung aus politisch ideologischen Gründen gekippt werden soll. &bdquo;Ich fordere die Koalition auf, ihren nur Nachteile bringenden Antrag endlich zurückzuziehen und Eltern nicht weiter gezielt zu verunsichern", sagt Jan-Maik Schlifter (FDP). Die angeblichen Gründe für das Mehrklassenverbot hätten sich alle als haltlos erwiesen, die ins Feld geführte rechtliche Lage hat sich nach Prüfung durch die Verwaltung sogar als klares Argument gegen diese Initiative herausgestellt. "Das jetzt auf Kosten von Schulkindern und Eltern trotzdem durchzuziehen, wäre gegen jede Vernunft und politische Klugheit.“ Besonders wütend mache Familien auch die Aussage der Koalition, dass eine Mehrklassenbildung nur einem kleinen Teil einen Platz an der Erstwunschschule erfüllen könne, ergänzt eine Mutter, die anonym bleiben möchte. Der Großteil müsse sich trotzdem an einer anderen Schule anmelden. Was das denn bitte für eine Einstellung sei. Das bisherige Vorgehen habe doch all die Jahre gut funktioniert, zumindest aus Sicht von Eltern und Schulleitern. "Sollen man dann als Kind im Wald auch keinen Müll mehr sammeln, weil man ohnehin nur einen kleinen Teil erwischt und damit nicht die ganze Welt retten kann?", fragt sie.

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