Die Bielefelder Fußgängerzone braucht eine Frischekur

Bielefeld. Dem Handel könnte es besser gehen. Das ist die Aussage des Handelsverbandes im Jahr 2022 und war es laut NW-Archiv schon im Jahr 2002, als eine Wirtschaftsflaute vielen die Laune vermieste. Im Grunde ist es die Aussage aller Umfragen, die zwischen den beiden Jahren liegen. Dazu gibt es ein passendes Sprichwort: Die Klage ist der Gruß des Kaufmanns. So haben sich inzwischen die meisten an ein Grundrauschen der Händler-Unzufriedenheit gewöhnt. Das ist wohl auch der Grund, warum Politiker nicht mehr so genau hingehört haben in den vergangenen Jahren. Gegen den großen (bösen) Onlinehandel als allmächtigen Konkurrenten des stationären Handels lasse sich sowieso nur wenig unternehmen, mögen sie gedacht haben. Auch die Händlerklage über Baustellen, Verkehrsversuche, Fachkräftemangel, sinkende Umsätze und Besucherfrequenzen in der Innenstadt wurden zwar wahrgenommen. Doch verändert hat sich nicht viel. Pandemie als Brandbeschleuniger in der Krise Dann kam die Pandemie. Corona und die Lockdowns wirkten wie ein Brandbeschleuniger in der Krise. Damit nicht genug. In diesem Jahr machen die Inflation und steigende Energiepreise den Händlern zusätzlich zu schaffen. Einstige Kundenmagnete wie Karstadt oder Görtz blieb nur die Rettung in die Insolvenz und die Schließung einiger Filialen. Das Ladensterben scheint zu einem ernsthaften Problem zu werden. Der Handelsverband warnt vor einer Pleitewellle. Also Alarmstufe Rot? Nicht unbedingt. Handel bedeutete immer auch Wandel. Die Bielefelder Fußgängerzone hat sich stets verändert – Läden schlossen, andere machten wieder auf. Leerstände mauserten sich erneut zu erfolgreichen Geschäften. Bielefelder Bahnhofstraße muss attraktiver werden Trotzdem lässt es aufhorchen, wenn der Geschäftsführer des größten Shopping-Centers der Stadt die Bahnhofstraße kritisiert. Jan Tangerding sagte im Interview mit der NW, dass die Fußgängerzone vor 30 Jahren stehen geblieben sei. Er wünsche sich mehr Grün, Aufenthaltsqualität und Spielgeräte für Kinder. Kurz um: Die Bahnhofstraße müsse attraktiver werden. Tangerding bekommt aus der Stadt viel Zuspruch. Auch Politiker geben ihm recht. Tangerdings Kritik ist aber nur die halbe Wahrheit. In den vergangenen 30 Jahren hat sich auch in der Bahnhofstraße einiges verändert. Das Loom selbst ist dafür ein Beispiel. Direkt hinter der Bahnhofstraße an der Karl-Eilers-Straße ist ein beliebtes Viertel mit Restaurants, Bars und Kneipen entstanden. Nur wenige Meter weiter plätschert der Spindelbrunnen wieder und bietet ein gemütliches Plätzchen zum Verweilen. Eine zweigeteilte Innenstadt Insgesamt gibt es in der Bahnhofstraße heute deutlich mehr Außengastronomie als noch vor einigen Jahren. Nichtsdestotrotz hat Tangerding die richtigen Punkte angesprochen. Wer aus der Altstadt kommend über den Jahnplatz in die Bahnhofstraße schlendert, hat das Gefühl, in Sekunden eine andere Stadt betreten zu haben. Es ist nicht nur die Teilung der überwiegend inhabergeführten Geschäfte in der Altstadt gegenüber den Filialisten in der Bahnhofstraße, die dieses Gefühl auslöst. Die Bahnhofstraße wirkt trister, grauer, monotoner. Die Fußgängerzone bietet noch immer eine riesige Auswahl an Produkten. Aber das allein reicht nicht mehr. Moderne Sensortechnik soll neue Erkenntnisse über Besucherströme geben Mit Blick auf 2030 stehen laut Baudezernent Gregor Moss Sanierungen am Kanalnetz an der Bahnhofstraße an. Insofern seien teure Umgestaltungen jetzt nicht sinnvoll. Die Verwaltung schlug vor Jahren vor, erst im Züge der Kanalarbeiten eine &bdquo;zeitgemäße Umgestaltung mit geeigneten Materialien“ vorzunehmen. Das würde noch acht Jahre dauern. Besser wäre es, jetzt Dinge zu verbessern. Nur was und wie? Eine moderne Sensortechnik soll in Zukunft Aufschluss darüber geben, welche Routen die Besucher der Innenstadt bevorzugen. Dann wüsste man, welche Bereiche stark frequentiert, welche zu veröden drohen. Das würde Stadtentwicklern und Politikern wichtige Erkenntnisse für eine strategische Ausrichtung von Umgestaltungsprojekten geben. Über diese Sensoren ließe sich sogar messen, ob die Besucher mit der Bahn oder mit dem Auto in die Innenstadt gekommen sind, wie lange sie in Geschäften verweilt oder ob sie einfach nur so durch die Stadt flaniert sind. Neues Konzept nötig Natürlich sind Messungen allein nicht die Lösung. Um die Menschen überhaupt in die City zu locken, braucht der Handel die Unterstützung der Stadt. Es braucht neue Konzepte zur Belebung der Innenstadt – Kitas, Galerien, Musik- oder Kochschulen könnten angesiedelt werden. Mehr Firmen müssten in die City ziehen. Modeschauen könnten in Leerständen veranstaltet werden. Darüber hinaus braucht es günstigere Mieten für Geschäftsbetreiber und mehr bezahlbaren Wohnraum. Haben Sie Ideen oder Wünsche für die Bahnhofstraße? Schreiben Sie mir gerne an andrea.rolfes@nw.de

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