Sexismus-Vorfall an der Uni Bielefeld: Jetzt reagiert auch der Dekan auf übergriffige "Spiele"

Bielefeld. Unter den Studierenden der Universität Bielefeld ist eine heiße Diskussion entbrannt. Ist es zu kritisieren, wenn Erstsemester bei einem lockeren Kneipenspiel dazu aufgefordert werden, fremden Männern in den Hintern zu kneifen oder andersherum Frauen einen Klaps auf den Po zu geben? Das war eine der Aufgaben für die Neulinge der Wirtschaftsfakultät der Uni. Wer diese Aufgabe erfüllte, bekam im Wettstreit mit anderen Erstsemester-Gruppen Punkte. Manche der Aufageben waren übergriffig. Dabei war diese Art von Spielen überhaupt nicht neu - nur die Seximus-Debatte darüber, die ist diese Woche heiß entbrannt. Update: So hat jetzt erstmals auch die betroffene Fakultät der Uni zu den Vorfällen Position bezogen und kündigt Konsequenzen an. Aus dem Dekanat für Wirtschaftswissenschaften heißt es, der Fakultät sei nach der diesjährigen Orientierungswoche für Erstsemester im Bachelorstudiengang bekannt geworden, dass Studierende bei Gruppenveranstaltungen zu Handlungen aufgefordert wurden, "die als diskriminierend oder übergriffig angesehen werden müssen". "Die Fakultät verurteilt dies scharf. Ein solches Verhalten passt nicht zu den in der Fakultät gelebten Werten, speziell nicht im Verhalten gegenüber neuen Studierenden." In einem Gespräch mit Dekan, Studiendekan und der Gleichstellungskommission der Fakultät habe der Vorstand der Fachschaft Verantwortung für die Vorkommnisse übernommen. Die Orientierungswoche soll nun neu konzipiert, Fachschaft und durchführende Teams neu geschult werden, "um sicherzustellen, dass solches Fehlverhalten in Zukunft vermieden wird". Die Fakultät wird für die Betroffenen zudem kurzfristig eine Kontaktmöglichkeit für ein Beratungs- und Gesprächsangebot einrichten. "Unverhältnismäßige Angriffe" auf die Verantwortlichen der Fachschaft Die Fakultät ergänzt, es gehöre auch zum vollen Bild, dass die Studierenden der Fachschaft - ausgelöst durch Fehler, die sie erkannt haben und für die sie die Verantwortung übernehmen - unverhältnismäßigen Angriffen in den sozialen Medien ausgesetzt seien. "Auch das halten wir nicht für akzeptabel." Der Gruppendruck bei solchen Spielen ist hoch. Eine Verpflichtung mitzumachen besteht aber nicht. Tatsächlich kann der ungefragte Klaps auf den Po aber sogar den Straftatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen. Wer zugestimmt habe, wurde in den Po gekniffen Entsprechend entsetzt reagierten viele Leser auf die Aufgabenstellung für die jungen Wirtschaftswissenschaftler. Studierende, die diese Kneipentour selbst bereits miterlebt haben, berichten hingegen aber auch, dass sie damals die Personen zuvor einfach gefragt hätten. Wer also zugestimmt habe, sei in den Po gekniffen worden (Männer) oder habe einen Klaps erhalten (Frauen) – ohne jede Demütigung. Wer die Aufgabe nicht erfüllen wollte, habe verzichten können. &bdquo;Wo ist denn da der Skandal? Macht Euch mal locker“, schreibt ein Student. Andere geben aber zu bedenken, wie belastend solche Aufgaben für junge Hochschüler sein können, die nicht vor Selbstbewusstsein strotzen oder vielleicht gehemmt seien. Nicht jeder wolle als Spaßbremse dastehen und den Gruppenerfolg behindern. Verantwortliche nehmen Pufflied Layla aktuell auf die Aufgabenliste Tatsächlich wurde der nun diskutierte Kneipentour-Zettel fast identisch bereits in vorherigen Semestern verwendet. Haben die Verantwortlichen der Fachschaft Wirtschaftswissenschaften, die traditionell ihre Erstsemester-Woche organisiert, seit Jahren vergessen, den Zettel erneut zu prüfen? Davon ist nicht auszugehen. Denn für die Orientierungswoche im Oktober wurde eine der Aufgaben extra modifiziert: &bdquo;Postet in Eurer Instagram-Story, wie Ihr Layla singt.“ Den erfolgreichen Party-Hit von der Puffmama Layla gibt es erst seit März 2022. Im Vorjahr sollten die &bdquo;Erstis“ noch Bailando von Loona zum Besten geben. Die Po-Aufgaben gab es aber damals schon. Neu in diesem Jahr ist außerdem die Aufgabe, einen Kusskreis zu bilden. Sexuelle Note auch bei "Flitzer"- und "Bodyshot"-Aufgaben Doch nicht nur diese beinhalten eine direkte sexuelle Note. Bei &bdquo;Sei ein Flitzer“ sollen die Teilnehmer sich &bdquo;oben ohne“ ausziehen – mit dem Zusatz &bdquo;mit BH reicht aus“ – und zur nächsten Kneipe (Station) eilen. Dafür gab es sogar 5 Punkte. Fünf Klapse auf Pos fremder Frauen und Kneiden bei den Männern brachten nur 3 Punkte. Weitere 5 Punkte wurden für einen &bdquo;Bodyshot“ in Aussicht gestellt, den es aber fotografisch zu dokumentieren gilt. Hierbei geht es um Tequila. Das dazugehörige Salz wird vom Körper eines anderen geschleckt, die Zitrone, in die nach dem Trinken gebissen wird, von Mund zu Mund übergeben. Die WiWi-Kneipentour hat also viel vom Flaschendrehen Jugendlicher. Auch da geht es um die mehr oder weniger unschuldige Anbahnung der Geschlechter. Doch Erstsemester kommen nicht als intime Freunde zusammen. Sie sind da, weil sie eine wissenschaftliche Laufbahn anstreben. Solche Aufgaben eines gemeinsamen Wettstreits zu erfüllen, ist für die einen &bdquo;nur noch peinlich“, für andere &bdquo;ein herrlicher Spaß“ und für die WiWi-Fachschaft zu bedauern, weil durch die Aufgabenstellungen &bdquo;Druck ausgeübt wurde“. Mehr als 800 Kommentare zu der Bielefelder Kneipentour Wie berichtet, hatte das Campusradio Hertz 87,9 der strittigen &bdquo;Kneipentour“ per Instagram als erstes zu einer größeren Öffentlichkeit verholfen. Nachdem die Fachschaft in einer Stellungnahme &bdquo;sexualisierte Gewalt aufs Schärfste verurteilt“ hatte und manche Aufgaben ihrer Kneipentour kritisiert hatte, weil sie &bdquo;den Werten der Fachschaft in jeder Form widerstreben“, bekam die Diskussion durch einen Post des Medien-Kanals Funk am Dienstagabend noch mehr Fahrt. Inzwischen diskutieren die Bielefelder beim Studentenchat-Anbieter Jodel, auf Facebook und über den Instagram-Kanal von Funk über die Kneipentour. Dort sind bereits mehr als 800 Kommentare dazu eingegangen. Dass solche &bdquo;Spielchen“ an der Uni nicht neu sind, berichten dabei auch einige ältere Semester: Sie erinnerten an Orientierungswochen, in denen noch &bdquo;Kleiderketten“ als peinlichster Höhepunkt auf dem Campus üblich waren. Je nach Alkoholgrad standen manche Erstsemester beim Aneinanderfügen der eigenen Klamotten am Ende nur in der Unterbuxe oder noch weniger auf dem Campus.

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