Lockerlassen gegen Lockdown-Folgen: Bielefelder Yogalehrerin zeigt, wie's geht

Bielefeld. Einfach nur unendlich platt: Obwohl sie kein Corona hatte, fühle sie sich, als habe sie Long Covid. So, wie’s eine Freundin kürzlich formulierte, geht es aktuell vielen. Erschöpfung, Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen und auch Depressionen sind Folgen des Lockdowns. Alles auch Themen im Yogastudio von Melanie Tholen, das sie jetzt seit 25 Jahren betreibt. Sie hat Autorin Ivonne Michel Übungen gezeigt, die jetzt guttun. Und auch dabei helfen, besser mit Krisen klarzukommen. Die 55-Jährige weiß, wovon sie spricht. Sie hat im Februar ihren Mann, den Künstler Franjo Tholen, verloren. Er verstarb völlig überraschend an einem Herzinfarkt. Ein Schock. Yoga habe ihr Kraft gegeben, sie geerdet. &bdquo;Und mir auch wieder Mut gemacht", sagt Tholen, die Geografie studiert und als 23-Jährige ihre erste Yogastunde absolviert hat. Als sie dann Iyengar-Yoga, eine sehr aktive Form, kennenlernte, hat sie ihre Berufung gefunden. Tholen absolvierte von 1995 bis 1998 eine zertifizierte Ausbildung am renommierten Iyengar-Yoga-Center in Amsterdam und eröffnete 1996 ihr eigenes Studio an der Johanniswerkstraße. Neue Energie &bdquo;Wir arbeiten im Iyengar-Yoga viel mit Hilfsmitteln wie Seilen, Gurten oder Klötzen, um zu spüren, in welche Richtung die Übungen wirklich gehen sollen", sagt Tholen. Neue Energie, das wünschten sich aktuell viele Schüler nach der anstrengenden Lockdown-Zeit. Da helfe beispielsweise, sich einfach mal auf den Kopf zu stellen – oder auch in die Seile zu hängen. Das geht auch, wenn man noch nicht so geübt ist wie die Expertin. Seile greifen, mit den Füßen an der Wand hochgehen, einhängen, Knie nach außen, Füße aneinander – und dann langsam den Oberkörper nach unten Richtung Boden absenken. Die Übung schule Gleichgewicht und Konzentration, so die Expertin, die 1998 den 2014 verstorbenen Gründer B.K.S. Iyengar persönlich kennenlernte und 2008 zu seinem 90. Geburtstag nach Indien eingeladen war. &bdquo;Das Gehirn wird durchblutet, die Zellen erfrischt, die Sinnesorgane werden besser versorgt und das Immunsystem gestärkt", sagt Tholen. Die Übung solle man so allerdings nur mit einem erfahrenen Lehrer machen. Rückenschmerzen ade Homeoffice hat Vor-, aber eben auch Nachteile. &bdquo;Die Leute sitzen mehr und oft in einer ungünstigen Position zuhause am Schreib- oder Esstisch", sagt Tholen. Der Nacken verspanne sich, Rücken- und oft auch Kopfschmerzen seinen häufig die Folgen. Da sei unter anderem Trikonasana, das Dreieck, eine sehr gute Übung zur Vorbeugung gegen Rückenschmerzen. Weiter Spreizstand, ein Bein um 90 Grad gedreht, die Arme seitwärts ausgestreckt, Schultern zurück, dann mit der einen Hand Richtung Schienbein dehnen. Dabei werden Arm- und Beinmuskeln gedehnt und gekräftigt. Als Hilfestellung dient im Studio das Pferd. Und auch ich spüre die Lockdown-Folgen: Ich bin noch verspannter als ohnehin schon im Nackenbereich. Auch wir waren in den vergangenen Monaten weniger unterwegs, haben mehr am Schreibtisch gesessen und telefonisch recherchiert. Dehnen ist die Devise Aber nicht jammern, weitermachen. &bdquo;Hund mit dem Kopf nach unten": Aus dem Vierfüßlerstand die Zehen aufstellen, Beine strecken, Po Richtung Decke, Arme und Beine strecken, den Nacken entspannen. Damit das leichter wird, geht’s hier wieder an die Seilwand. Tholen, die im Lockdown Yogastunden per Zoom gegeben hat, ist froh, dass der Unterricht jetzt wieder im Studio stattfinden kann. &bdquo;Man kann sich zuhause zwar behelfen, aber dank der Hilfsmittel und Korrekturen kann man hier einfach viel präziser üben", sagt sie. Immer ein anderer Schwerpunkt, immer wieder andere Übungen, die Genauigkeit, vom Groben ins Feine zu gehen, das fasziniere sie am Iyengar-Yoga. Auch für sie gebe es nach alle dem Jahren immer noch Herausforderungen. Das gehe einher mit Tugenden wie Disziplin und Fleiß. Mut und Zuversicht Arbeitsalltag und Familienleben seinen anstrengender gewesen, der schöne Ausgleich hingegen sei fast komplett weggefallen in den vergangenen Monaten. Das haben Spuren hinterlassen. &bdquo;Im Yoga gibt es zum Glück auch Übungen, die die Stimmung aufhellen, die uns zu neuem Mut verhelfen", sagt Tholen. Alle Umkehrhaltungen gehörten dazu. Davon tanke ich gern eine ordentliche Prise, folge den Anleitungen der Expertin und strecke mich vorsichtig über die abgerundete Liege aus. Tholen führt meine Arme über den Kopf. &bdquo;Die Übung beruhigt und entspannt das Gehirn, stärkt das Selbstbewusstsein, steigert das Lungenvolumen und befreit so die Atmung", erklärt Tholen. Ich spüre eine angenehme Dehnung und, ja, ich fühle mich irgendwie gut. Abschalten, fallenlassen Schlussentspannung ist am Ende jeder Yogastunde angesagt. Beine hoch, Augen zu: Auch da gibt’s viele Varianten, die erholsam sind fürs Nervensystem und den Blutdruck regulieren. Eigentlich soll man dabei an gar nichts denken, einfach nur seinem tiefen Atem nachspüren und die Entspannung genießen. Ich träume trotzdem kurz vor mich hin, sehe mich in der Toskana. Denn dort gibt’s jedes Jahr auch Yoga mit Melanie Tholen, als Intensivkurs in einem alten Kloster. Auch in Spiekeroog, Antwerpen und im Kloster Steinfeld in der Eifel bietet sie Yogaferien an. Zudem organisiert Tholen regelmäßig Workshop mit internationalen Gastlehrern. Dankbar sei sie ihrem treuen Team, zu dem unter anderem auch Frauenärztin Corinna Brase gehört. Mit ihr zusammen bietet Tholen, selbst Mutter einer erwachsenen Tochter, auch Yoga für Schwangere an. Gerade auch viele junge Menschen hätten extrem unter den Lockdown-Einschränkungen gelitten. Resilienz, mentale Widerstandskraft, die Fähigkeit, mit Krisensituationen besser umzugehen, sei da ein wichtiger Punkt, der auch ihr geholfen habe. Selbstbewusstsein, Mut, Zuversicht, selbst aktiv zu werden: bei all dem könne Yoga optimal unterstützen.

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