Darum geht der Tanzchef des Theaters

Bielefeld. Die Nachricht zum Wochenbeginn mag viele Kultur-, besonders aber die Tanzfans überrascht haben: Zum Ende der laufenden Theatersaison verlässt Simone Sandroni (53) seinen Platz auf der &bdquo;Brücke“ von Tanz Bielefeld und wird sich andernorts neuen Aufgaben widmen. Seit der Spielzeit 2015/16 leitet der Italiener als Chefchoreograf das zehnköpfige Tanzensemble. Er hat seither etliche Produktionen – klassische Stoffe ebenso wie innovative zeitgenössische und nahezu experimentelle Produktionen – auf die Bielefelder Bühne gebracht, die beim Publikum großen Anklang fanden. »Niemand will die Tanzsparte kaputtsparen« Oft wurden seine Premieren und Uraufführungen mit tosendem Applaus und stehenden Ovationen gefeiert. Ähnlich enthusiastisch ging das Bielefelder Publikum auch mit Sandronis Vorgänger um, den gebürtigen Schweizer Gregor Zöllig, der seit 2016 als Tanzchef am Staatstheater Braunschweig engagiert ist. &bdquo;Mit Michael Heicks als Intendant hat die Tanzsparte, vor allem das zeitgenössische Tanztheater, in Bielefeld eine enorme Stärkung erlebt“, betont Theater-Pressesprecherin Nadine Brockmann und zerstreut damit Gerüchte, die Tanzsparte als solche könne durch Sandronis Weggang geschwächt werden. Und &bdquo;so plötzlich“, sagt sie, sei die Entscheidung Sandronis, noch einmal &bdquo;eine neue Herausforderung“ in der internationalen Tanzwelt zu suchen und anzunehmen, nicht erfolgt. Dreierteam verantwortet Tanz in Übergangsspielzeit Eigentlich sollte ja Michael Heicks’ Vertrag als Intendant 2023 auslaufen, Sandronis Vertrag sei bis 2022 befristet, der Choreograf habe auch nicht auf eine Verlängerung gedrängt. Auch nicht, als Heicks’ Weiterbeschäftigung als Teil einer Doppelspitze mit Nadja Loschky (wir berichteten im Juli) über 2023 hinaus besiegelt worden sei. Die Stadt Bielefeld habe ein großes Interesse an einem hochwertig aufgestellten Theater samt Tanzsparte: &bdquo;Niemand will die Tanzsparte kaputtsparen“, betont Brockmann und dementiert damit Gerüchte. Sie verweist darauf, dass noch in der letzten, der &bdquo;Corona“-Spielzeit, eine ansehnliche Leistungsvereinbarung mit der Verwaltung geschlossen werden konnte. Mit Sandronis Assistentin Sarah Deltenre, den Tanzpädagogen Gianni Cuccaro als ehemaligem Mitglied von Tanz Bielefeld und Kerstin Tölle sowie einer vierten, noch zu benennenden Person (Dramaturgin Janett Metzger verlässt das Theater bereits in den nächsten Wochen, um sich beruflich neu aufzustellen) teilen sich übergangsweise in der Spielzeit 2022/23 &bdquo;unsere Tanzspezialisten“ die Leitung der Sparte, so Brockmann. Das sei keine &bdquo;Notlösung“, sondern könne Grundlage eines speziellen Angebots in der &bdquo;Übergangs-Spielzeit“ sein. Viel Unterstützung durch Intendant und Mitarbeiter Die vier Akteure seien vornehmlich für das Organisatorische und die Betreuung der Tänzerinnen und Tänzer zuständig. Vor allem Gast-Choreografen werden in der Spielzeit 2022/23 ihre unterschiedlichen Handschriften im Zusammenspiel mit dem Ensemble in Bielefeld präsentieren. Danach sei fest geplant, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Sandroni zu verpflichten. Simone Sandroni selbst ist voll des Lobes für seine Zeit in Bielefeld, die Unterstützung durch Intendant und Mitarbeiter, die vielen Themen und Handwerkszeuge, die er einem oftmals begeisterten Publikum vorstellen durfte. Im Gespräch mit der NW deutet er aber auch an, dass er &bdquo;viele Veränderungen“ im Theater erwarte, wenn Heicks seine Vollzeit-Intendanz beendet. Auch was die Erwartung angehe, vermehrt spartenübergreifend zu arbeiten, scheint sich der Choreograf nicht mehr so ganz &bdquo;einbezogen“ zu fühlen. Er verstehe, dass das Theater immer auch Rückkopplungen zur Politik herstellen müsse, für ihn sei nun aber der Zeitpunkt gekommen, &bdquo;neue Herausforderungen anzunehmen“, gibt er ein bisschen diplomatisch zu Protokoll. »Die Dinge müssen sich nicht nur ändern, sie müssen wachsen« In der Übergangs-Spielzeit 2022/23 werden offenbar vermehrt Choreografen und Tänzer verpflichtet, die gerade auch Heicks’ 18-jährige Laufbahn als Intendant begleitet haben. &bdquo;Er hat mich sehr unterstützt und dabei auch in der Tanzsparte mit Routinen gebrochen“, lobt Sandroni, dem immer auch das Forschen am Tanz sowie die emotionale Ansprache des Publikums am Herzen liegen. Zugleich fordert er seine Tänzer auch physisch sehr. Vorsichtige Kritik könnte man heraushören, wenn Sandroni sagt: &bdquo;Die Dinge müssen sich nicht nur immer wieder ändern, sie müssen sich auch weiterentwickeln.“ Wenn er gehe, verlasse er seine Komfortzone, so der Choreograf. &bdquo;Das ist dann ein hervorragender Zeitpunkt dafür.“ Wo genau er beruflich anknüpfen werde, sei noch offen. Anfragen kommen auch aus Paris, Sandroni ist international gut vernetzt. &bdquo;Noch bin ich hier und intensiv eingebunden. Was dann kommt, da muss ich wohl noch eine Weile die leere Wand anstarren und mich sammeln“, sagt er und lacht. Jetzt freue er sich erst einmal auf vier weitere Produktionen in seiner letzten Amtszeit am Theater Bielefeld. ´ Das nächste Tanzstück: Am 23. Oktober feiert &bdquo;Anima Obscura“ als Teil 3 der &bdquo;Dance discovers digital“-Reihe von Gast-Choreografin Nanine Linning seine Uraufführung im Stadttheater.

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