"Es ging nur um die Haare": Warum so viele schwarze Frauen ihren Afro verstecken

Bielefeld. Rassismus, Diskriminierung und Erniedrigung – als schwarze Frau hat man es nicht leicht. Weder in der deutschen Gesellschaft noch in eigenen Kreisen. Das Gefühl der Einsamkeit und Unsicherheit ist ein ständiger Begleiter: Brauche ich hellere Haut, um schön zu sein? Muss ich glattes Haar tragen, um akzeptiert zu werden? Fragen, die Émilie Mbayi und Selina Pflug nicht fremd sind. Gemeinsam mit weiteren schwarzen Frauen aus Bielefeld haben die jungen Studentinnen im Sommer 2020 die Gruppe &bdquo;Sister Circle" gegründet: ein Kollektiv aus jungen schwarzen Frauen, die sich in allen Lebenslagen gegenseitig unterstützen. Der &bdquo;Sister Circle" ist beim Verein &bdquo;Die Falken" als Projekt angesiedelt. Selina Pflug ist dankbar dafür: &bdquo;Sonst wäre das Projekt gar nicht realisierbar. Wir dürfen sogar die Räumlichkeiten der Falken nutzen." Sie erinnert sich gerne an die Geburtsstunde des &bdquo;Sister Circles". Im Sommer vergangenen Jahres haben die beiden Studentinnen ein Empowerment-Event in Frankfurt besucht. Empowerment kommt aus dem Englischen und bedeutet Selbstermächtigung. Es steht für die Stärkung der eigenen Autonomie. Auf der Veranstaltung haben sie die Gründerin der &bdquo;Sister Circles" in Deutschland kennengelernt. &bdquo;Sie hat uns unglaublich inspiriert", berichtet Selina Pflug. Für Émilie Mbayi sei es das erste Mal gewesen, dass sie viele schwarze Frauen an einem Ort gesehen habe: &bdquo;So viele, die aussahen wie ich oder ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich." Das sei ein schöner Anblick für sie gewesen – und so stand schnell fest: &bdquo;Das brauchen wir auch in Bielefeld." Selina: »Wenn man im Circle ist, dann merkt man: Das macht Sinn.« Wenn Selina zurückblickt, dann fällt ihr auf, dass es am Anfang nur um Haarpflege und Frisuren ging. Da kann sie sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. &bdquo;Die Tatsache, dass wir uns über unsere Haare ausgetauscht haben, war ein politisches Statement." Viele Gruppenmitglieder hätten eine lange, emotionale Geschichte mit ihren Haaren hinter sich. Auch Émilie weiß, wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem eigenen Haar ist, schließlich habe man in der Vergangenheit seinen eigenen Afro hinter glatten Haaren und Extensions versteckt. Wenn sie jetzt glatte Haare tragen – Perücken oder Extensions – dann habe das einen ganz anderen Stellenwert. &bdquo;Wir verleugnen unsere Identität nicht mehr", erzählt Selina. Lesen Sie auch: Absoluter Irrsinn: Bielefelder Standesamt weigert sich, Paar zu trauen Besonders stolz sind die beiden Frauen auf die Entwicklung der &bdquo;Sisters", wie sich die Gruppenmitglieder nennen: Jeder würde seine eigenen Ressourcen mitbringen. Manche der Mädels würden sich sozial engagieren, andere seien handwerklich begabt. So würden sie sich gegenseitig helfen. &bdquo;Wie zum Beispiel bei unserer Sister Zina", erinnert sich Selina Pflug. Als die junge Stylistin Models für ihren Instagram-Blog benötigte, hätten sich viele freiwillig zur Verfügung gestellt. Selina ist auch stolz auf ihre eigene Entwicklung im Circle. Für sie sei es bisher immer eine Utopie gewesen, dass sich viele schwarze Frauen gegenseitig unterstützen. &bdquo;Aber es ist keine Utopie, es ist Realität. Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, wie viel mir das bedeutet." Eine Leiterin oder Anführerin hat die Gruppe nicht, die Gruppenmitglieder gestalten den Raum gemeinsam, um sich auch vom internalisierten Hass unter schwarzen Frauen zu lösen. &bdquo;Das ist unser Empowerment", betont Selina Pflug. Für Selina Pflug ist der Sister Circle ein Empowerment. Schließlich würden die jungen Frauen von ihrer Umwelt nur wenig Zuspruch erfahren: &bdquo;Wenn nicht wir selbst uns Mut machen, wer sonst?" Émilie: »Am Ende des Tages fühlst du dich doch zuhause« Die Sisters tauschen sich regelmäßig über ihre Erfahrungen mit Rassismus, Diskriminierung und Sexualisierung aus, deshalb sei der &bdquo;Sister Circle" stark mit Emotionen verbunden. Émilie Mbayi weiß, dass die Erfahrungen, die man als schwarze Frau in Deutschland macht, traumatisierend sein können. Weiße Mitbürger laden sie dazu ein, die Gruppe zu unterstützen. Aber, so betont Selina Pflug, es sei auch wichtig, zu verstehen, dass die jungen Frauen in einer Gesellschaft, in der sie allein seien und ständig mit Anfeindungen zu kämpfen hätten, einen geschützten Raum unter sich brauchen. &bdquo;Einen Raum, in dem wir ohne die kontrollierenden und wertenden Augen der Gesellschaft über unsere Erfahrungen sprechen und vieles aufarbeiten können."

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