Bielefelder Familie lebt in einem der eindrucksvollsten Häuser der Stadt

Bielefeld. &bdquo;Vorsicht, Kopf einziehen." Wenn Jens Herrmann und Janette Seybold Besucher empfangen, weisen sie sofort auf eine Besonderheit des Hauses hin. &bdquo;Die Decken sind ziemlich niedrig", sagt der Hausherr. Für ein Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert ist dies allerdings nicht ungewöhnlich. Das Gebäude ist eines der ältesten rund um die Stiftskirche. 2009 hat das Ehepaar das Denkmal gekauft. Bis zum Einzug dauerte es dann noch ein Jahr. &bdquo;Ich kann mich genau an den Tag erinnern. Draußen lagen 30 Zentimeter Schnee", erzählt Jens Herrmann. Aus Kassel ist das Ehepaar mit Sohn Amon (12), der damals noch ein Baby war, nach Bielefeld gezogen – aus beruflichen Gründen. Zum Thema: Mutig: Bielefelder Paar baut, wo sich längst nicht jeder traut &bdquo;Zwei Jahre lang hat ein Makler nach einem Käufer für das Haus gesucht", berichtet der 50-Jährige. Schließlich haben Janette Seybold und Jens Herrmann sich für das denkmalgeschützte Gebäude im Herzen Schildesches entschieden. &bdquo;Wir haben sehr schnell gesagt, dass wir das Abenteuer eingehen wollen", sagt die Sozialpädagogin. Der Preis für das Schmuckstück sei von 250.000 Euro auf 215.000 heruntergegangen. &bdquo;Ich glaube zwar, dass es noch andere Interessenten gab. Die haben aber vielleicht Angst bekommen, weil am Haus noch so viel gemacht werden musste", vermutet der Besitzer. Raum voller Sperrmüll und ein Plumpsklo Am Anfang habe alles einen beengten Eindruck gemacht, auch die Einrichtung sei von anno dazumal gewesen. Der Raum, indem sich heute Bücherregale befinden, sei voll Sperrmüll gewesen. Auch ein Plumpsklo habe es dort noch gegeben. &bdquo;Aber alles andere war gut gepflegt, und in den Räumen war keine Feuchtigkeit", berichtet Janette Seybold (47). &bdquo;Wir haben dann die Wand zwischen Küche und Esszimmer herausgenommen, um einen großen Raum zu bekommen", erklärt Herrmann. Wichtig sei für ihn gewesen, dass der Originalzustand erhalten bleibe oder wiederhergestellt werde. Früher seien die alten Eichenbalken immer hinter Putzkonstruktionen versteckt worden. An einigen Stellen wie im Badezimmer hat der studierte Historiker den Balken wieder freigelegt, der nun zum Blickfang geworden ist. Ein neues Haus zu bauen sei nie eine Option gewesen. &bdquo;Wir hätten uns auch einen Kotten oder einen alten Bahnhof vorstellen können", sagt Jens Herrmann. &bdquo;Wir haben den Jugendstil übersprungen", sagt Ehefrau Janette und lacht. Kampf für Ochsenblutrot Jetzt müsse jeder Schritt mit der Denkmalbehörde abgestimmt werden. &bdquo;Die Fenster haben zwar Einfachverglasung, laut ist es trotzdem nicht, außer wenn die Kirchenglocken läuten." Das Haus fällt deshalb sofort ins Auge, weil Tür und Fenster rot umrandet sind. &bdquo;Wir wollten gerne Ochsenblutrot", sagt der Bauherr. Es sei jedoch nicht ganz einfach gewesen, das Denkmalamt für die Idee zu begeistern: &bdquo;Es war ein harter Kampf, aber ich finde Dunkelgrün ganz doof." Diese Farbe habe das Amt vorgeschlagen. Den Ausschlag für die Zustimmung der Behörde habe dann schließlich ein älteres Foto der Familie Letmade/Kornfeld gegeben, das tatsächlich einen roten Anstrich zeigt. Die neuen Besitzer erfuhren, dass das Fachwerkhaus 1993/94 kernsaniert wurde. Deshalb sei die Bausubstanz noch gut gewesen. Trotzdem hätten einige morsche Balken entfernt, andere abgeschliffen werden müssen. &bdquo;Das Schwellholz war nur aufgemalt. Die ganze Fassade und die Gefache mussten saniert werden. Das Haus ist in Lehmbauweise errichtet worden", sagt Jens Herrmann. Der Boden bestehe aus Stampfbeton. Zum Thema: Bielefelder Familie baut ein aufsehenerregendes Haus Erneuert haben die Bauherrn auch die gesamte Elektrik und Heizungsanlage. &bdquo;Die niedrigen Räume sind kein Nachteil. Mit dem Kaminofen ist es im Winter sehr schnell warm", freut sich der Finanzmakler. Die Bauphysik sei angenehm. Von den Nachbarn hat er erfahren, dass Anfang der 1980er Jahre der Abriss des Fachwerkhauses drohte. Betroffen seien noch weitere Gebäude im Ortskern gewesen. Ein Pferd stand im Keller Bekannt ist, dass der Spediteur Werner Eggeringhaus mit Frau und Sohn in dem Haus lebte. Er soll ein Pferd im Keller des Gebäudes gehalten haben. Nach seinem Tod habe der Sohn im Obergeschoss gewohnt. Nach und nach versucht die Familie den Rätseln, die der Altbau aufgibt, auf die Spur zu kommen. Wenn Jens Herrmann auf seiner Bank vor dem Haus sitzt, wird er häufig angesprochen. &bdquo;Viele wollen wissen, was es mit den Fahnen auf sich hat, die ich regelmäßig auswechsele." Er habe schon als kleiner Junge häufig selbst gemalte Fahnen im Kirschbaum gehisst. Als er das Haus übernahm, habe es zwei Fahnenmasten gegeben. Einer sei verrostet gewesen, aber den an der Vorderseite könne er nutzen. &bdquo;Wir sind oft im Baltikum unterwegs und versuchen von unseren Urlaubsländern Fahnen zu bekommen, beispielsweise aus Lettland, Litauen oder Estland." Eine Flagge würde an Arminia Bielefeld erinnern, habe aber damit nichts zu tun, sagt er und grinst.

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