Zum Kälkenfest in Warburg: Ehemalige Matzenbäckerei erhält Auszeichnung

Warburg. Die Auszeichnung des Warburger Heimat- und Verkehrsvereins freut Monika und Werner Porrmann. Sie haben das Haus Lange Straße 15 vor einigen Jahren erworben. Die Sanierung des schmucken Fachwerkhauses war allerdings ein Kraftakt. Auch weil sie Gegenwind verspürten. Denn nicht jedermann gefiel der Abriss zweier kleinerer Gebäude im rückwärtigen Teil des Grundstücks. In einem der baufälligen Nebengebäude standen einst die Öfen einer Matzen-Bäckerei. &bdquo;In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Fachwerkhaus an der Altstadtstraße errichtet“, weiß der Eigentümer. Seit 1900 sei es der Standort einer ehemaligen jüdischen Bäckerei. Wie aus der Liste der Gewerbesteuereinnahmen der Stadt hervorgeht, betrieb damals die Familie Böhm an der Stelle eine Matzenbäckerei. Matzen oder Mazzen, beide Schreibweisen für das ungesäuerte Brot, das im Judentum seit vier Jahrtausenden gegessen wird, sind gebräuchlich. Ein Gebäude mit einer markanten Fassade. &bdquo;Denkmalgeschützt ist es nicht“, sagt Werner Porrmann. Die Balkenanlage des Ständerbaus stamme aus dem Münsterland, zitiert er einen Zimmermannsmeister, &bdquo;Eine Zweit- oder sogar Drittverwertung aus älteren Bauten, deren Funktion wir nicht kennen.“ Große Teile der Balken seien wesentlich älter als 1850 habe der Fachmann auch aus der Tatsache geschlossen, dass die Sägewerke zu dem Zeitpunkt das Holz bereits viel dünner sägten. Dafür seinen die vorhandenen Balken im Ständerwerk des Gebäudes viel zu dick. NS-Schergen demolieren die Warburger Bäckerei Wie in der Straße üblich, stehe das Gebäude auf einem steinernen Sockel, beschreibt Porrmann. Vier Stufen führen zur Eingangstür und ins Erdgeschoss. Die Bauweise sollte in der Altstadt Schutz vor dem immer wieder auftretenden Hochwasser der Diemel bieten. &bdquo;Vorn im Haus hat sich der Verkaufsbereich des Bäckerladens befunden“, sagt Werner Porrmann. Denkmalexperten gehen davon aus, dass im rückwärtigen Zwischenbau, ebenfalls ein Fachwerkgebäude, die Bäckerei war. &bdquo;In dem dahinterliegenden Backsteingebäude standen der Dampfbackofen und der Matzenofen.“ Beide Öfen seien im Laufe der Jahre verschwunden. Porrmann erinnert an die Pogromnacht im November 1938. Der braune Mob der Nationalsozialisten brach auch in die Warburger Bäckerei, die nach den Böhms Albin Katz führte ein, griff die jüdischen Besitzer brutal an, demolierte das Geschäft, plünderte und schlug zu. &bdquo;Sie verletzten die Frau des Hausbesitzers schwer“, sagt Porrmann. Ein Hieb mit einem Beil traf sie mitten im Gesicht. Die Schläger hatten den Tod der Frau wohl billigend in Kauf genommen. Erinnerungen an Warburgerinnen und Warburger jüdischen Glaubens Später sei die Familie dann ausgewandert. &bdquo;Zu der Tochter, die bereits in den Jahren zuvor in die Vereinigten Staaten geflohen war.“ Die Geschichte sei im Museum im &bdquo;Stern“ dokumentiert und in den Büchern &bdquo;Ausschnitte aus der Geschichte der Juden in Warburg“ von Hermann Hermes und &bdquo;Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen“ von Elfi Pracht nachzulesen. Lesen Sie auch: Der Weg der Warburger Juden ins Rigaer Ghetto und: Stolpersteine: Warburg verneigt sich vor verfolgten jüdischen Mitbürgern &bdquo;Das Haus wurde an Anstreicher Cremer verkauft“, berichtet der heutige Besitzer. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe dieser auf den entrichteten Kaufpreis noch etwas drauflegen müssen. &bdquo;2023 haben wir Grundstück und Gebäude von den Töchtern der Familie Cremer erworben“, sagt Porrmann. Markantes Fachwerk in den 1990er Jahren freigelegt In den 1970er und 1980er Jahren sei in den Etagen des Hauses vieles umgebaut worden. Das Dach wurde aufgestockt, die Schindeln, die die Fassadenwände schützen sollten, abgenommen. Zum Vorschein kam das wundervolle Fachwerk. &bdquo;Die damaligen Besitzer ließen 1992 die Fassade renovieren“, nennt Porrmann ein Datum. Das Ergebnis sei dem Heimat-und Verkehrsverein danach schon einmal eine Prämierung Wert gewesen. Insgesamt sei es jetzt die zwölfte, hält Porrmann fest. Wo einst die Matzenbäcker arbeiteten: Abriss in Warburger Altstadt ist genehmigt 2009 hatte es einen Ortstermin mit der Denkmalpflege des Landschaftsverbandes gegeben. Die Experten hielten die tiefgreifenden baulichen Veränderungen fest. Veränderungen der Deckenbalkenlage, Modernisierung der Türen und Fenster, das aufgestockte Dachgeschoss. Anstelle eines Eintrags in die Denkmalliste empfahlen sie, das Gebäude als erhaltenswerte Bausubstanz zu kennzeichnen. Ungewöhnlich hohe Räume für ein Fachwerkhaus Die Sanierung, die Familie Porrmann in den vergangenen beiden Jahren engagiert anging, hat das Gebäude vor allem an der Rückseite massiv verändert. Eine Maueröffnung wurde geschaffen, Fenster eingesetzt. Aber auch im Innern ist eine Menge passiert. Ursprünglich sollten die Nebengebäude erhalten bleiben, doch rieten Architekt und Statiker ab. Das Fachwerk im Zwischenbau stark abgängig, die Balken in Teilen nicht mehr vorhanden: Doch nicht nur im Fachwerknebengebäude gaben mehrere offene Bereiche den Blick nach außen frei. Man beschloss den Rückbau. Auch fanden sich im massiv errichteten Backsteingebäude keinerlei Spuren jüdischen Lebens mehr, hieß es im Bau- und Denkmalausschuss. Anstelle des Matzenofens waren schon längst Öltanks in das Gebäude eingezogen. &bdquo;Absolut marode“, erinnert sich Porrmann an die Bausubstanz. Heute wohnt eine Warburger Künstlerin im Haus Heute wohnt die Tochter des neuen Eigentümers, Maura Porrmann, in dem ansehnlichen Haus mit der schützenswerten Fassade. Seit Oktober schreibt die Künstlerin in den renovierten Räumen ihre Songtexte und macht Musik. Doch auch ein Tischfußball ist darin zu finden. Schließlich ist sie die amtierende Weltmeisterin im Kickern. Zum Thema spricht sie in ihrem Podcast. Lesen Sie dazu: Kicker-Weltmeisterin auf Stippvisite in der Heimat Warburg Über die Baukunst des Fachwerks habe er während des Umbaus eine Menge gelernt, sagt Vater Porrmann und macht auf den Ausbau in Eigenleistung aufmerksam. Das gut 14 Meter lange schmale Haus sei nun innen gedämmt. &bdquo;Die Arbeit eines Lehmbauers“, merkt er an. Die Gipswände sind raus, die innen liegenden Balken in den bis zu 2,40 hohen Räumen (&bdquo;ungewöhnlich für ein Fachwerkhaus“) sichtbar. Die Auszeichnung Das Gebäude tut dem Stadtbild gut, sagt die Jury des Heimat- und Verkehrsvereins schlicht und wird es zum Kälkenfest prämieren. Familie Porrmann fühlt sich in ihrer Entscheidung bestätigt, es erworben, Baufälliges im Garten beseitigt und das Haupthaus wieder bewohnbar gemacht zu haben. &bdquo;Gelungen“, fassen Eigentümer und Jury zusammen.

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