Bielefeld

"Sind so gut wie erledigt": Bielefelder Gastronomin schreibt Brandbrief an Pit Clausen

Mit dem neuerlichen Lockdown wird es für viele Gastronomen eng. Doch nicht alle finden sich mit ihrem Los ab. Eine Bielefelderin schreibt einen bemerkenswerten Weckruf.

Eine Bielefelder Gastronomin schlägt Alarm. | © Symbolfoto

01.04.2021 | 12.04.2022, 15:00

Bielefeld. "Mit der Entscheidung für einen weiteren Lockdown sind wieder mehr Gastronomen, Künstler und Veranstalter gestorben", schreibt Yvonne Blaume, Gastronomin und Veranstaltungsmanagerin bei "Scala".

"Wir sollen Menschenleben retten, indem wir zu Hause bleiben. Und wer rettet uns? Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Clausen, mein Name ist Yvonne Blaume und ich bin Gastronomin, Veranstaltungsmanagerin aber auch einfach nur Mutter eines siebenjährigen Sohnes aus Brackwede.

"Wir sind alle so gut wie ertrunken"

Ich schreibe Ihnen auch für andere Bielefelder Gastronomen, die wie ich nun 18 Wochen ihren Betrieb geschlossen haben. Uns allen steht das Wasser nicht nur bis zum Hals, sondern wir sind alle so gut wie ertrunken. Nicht nur, dass wir unsere betrieblichen, wenn auch reduzierten Kosten, weitertragen müssen, wir haben auch alle Familien, für die wir zu sorgen haben.

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Ohne Einnahmen ist es so gut wie unmöglich, Mietkosten, Nebenkosten, Kleidung für die Kinder, Essen und auch zwei Masken für den Tag zu finanzieren. Ein Rentner bekommt für die Masken Zuschüsse vom Land, ein HartzIV-Empfänger ebenfalls. Wir, die seit Monaten keinerlei Einnahmen erzielen können, müssen das selbst stemmen. Mein Sohn benötigt pro Schultag zwei medizinische Masken.

Hygienekonzepte funktionierten vor dem Lockdown schon

Ich schreibe Ihnen das, weil wir Gastronomen endlich eine Perspektive benötigen. Wir hatten schon vor dem Lockdown ein gutes und funktionierendes Hygienekonzept, haben in Kauf genommen, dass wir nur noch 50 Prozent der Plätze vergeben dürfen und einige haben viel Geld in die Hand genommen, um diesen Auflagen gerecht zu werden. Nun dürfen wir, wenn es die Inzidenzen zulassen, unsere Außengastronomie öffnen. Ein Lichtblick, allerdings wird das bei Temperaturen um fünf Grad nicht zum benötigten Umsatz führen.

Sie haben es geschafft, für Bielefeld auf Grund der niedrigen Inzidenz eine Sonderverfügung zu erlangen, welche besagt, dass der Einzelhandel auch ohne Termin öffnen darf. In den meisten Gastronomien ist die Fluktuation an Kunden wesentlich geringer als in jedem Supermarkt oder Kaufhaus, deshalb bitte ich Sie, auch für die Gastronomie in Bielefeld einen Sonderweg zu erlangen, in dem wir auch die Innenräume nutzen dürfen.

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Wir können Tischreservierungen vergeben, jeden zweiten Tisch freilassen, Kontaktdaten erfassen, darauf achten, dass nur zwei Haushalte an einem Tisch sitzen.

Wir brauchen einen Plan, der uns überleben lässt. Wenn es jetzt nicht weitergeht, sind wir alle bis Mitte des Jahres ertrunken. Wir Gastronomen sind alle Stehaufmännchen, haben in den letzten Wochen wenig gejammert, aber jetzt brauchen wir eine Perspektive. Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben mein Anliegen zu lesen und verbleibe mit freundlichen Grüßen", Yvonne Blaume, 12. März 2021

Landesregierung in NRW macht wenig Hoffnung

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW stellt derweil aufgrund zahlreicher Nachfragen am Montagabend klar, dass es "bis zu den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz am Montag, 22. März 2021, keine Änderungen in der Coronaschutzverordnung für mögliche Öffnungen" geben wird.

Die geltende Coronaschutzverordnung hatte in Aussicht gestellt, dass zum 22. März weitere Öffnungen etwa in der Außengastronomie, von Theatern, Konzert- und Opernhäusern und Kinos sowie im Sport möglich sein könnten, wenn die 7-Tages-Inzidenz stabil oder sinkend in Nordrhein-Westfalen unter 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern pro Woche liegt.

Infektionslage ist nicht stabil

"Angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens mit einer landesweiten Wocheninzidenz von heute 92,1 (+7,0 zum Vortag) kann weder von einer Unterschreitung der gegebenen Marke ausgegangen werden noch ist eine stabile Infektionslage gegeben." Daher werde es zum Montag keine neue Verordnung geben, "sondern die Fortschreibung der Coronaschutzverordnung erst im Lichte der Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz erfolgen".