Shoppen vorm Lockdown: "Wir erwarten mehr Passanten als am Black Friday"

Bielefeld. Dieser Samstag könnte der letzte verkaufsoffene werden vor Weihnachten und dem Rest des Jahres: Wegen der nicht sinken wollenden Corona-Infektionszahlen treffen sich die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin am Sonntag zum Fixieren weiterer Maßnahmen zum Eindämmen der Corona-Pandemie. Wahrscheinliches Resultat: auch in NRW ein Lockdown für den Einzelhandel in der kommenden Woche - gemunkelt wird nun von Mittwoch, 16. Dezember. Bielefelds Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger appellierte am Freitag abermals an die Menschen, am Samstag auf Fahrten in die City zu verzichten, die Weihnachts-Einkäufe vorerst auszusetzen und später nachzuholen. Um trotzdem für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, zeigt das Ordnungsamt starke Präsenz in der City. Mehrere Teams patrouillieren den ganzen Tag zwischen Obernstraße und Bahnhofstraße. Sie verteilen Info-Flyer zur Maskenpflicht an Auswärtige, prüfen die Hygiene-Konzepte außerhalb der Geschäfte und checken die Passanten aufs Einhalten der Corona-Regeln. Auch die Polizei geht Streife. 19 Uhr - Abgesang Noch mal ein letzter Blick auf die Hystreet-Zahlen für die Bahnhofstraße: Die Fußgänger-Frequenz hat sich deutlich verringert, da die Geschäfte bald schließen oder bereits geschlossen haben. Für den Zeitraum werden an den drei Messstellen nur noch zwischen 1.200 und 2.000 Passanten gemessen. Das meiste ist um diese Zeit noch bei Karstadt los. Aber seit 17 Uhr sind die Zahlen kontinuierlich nach unten gegangen. 18 Uhr - Gemischte Gefühle Der Shopping-Adventssamstag geht langsam zu Ende. Die Stadt ist voll gewesen, aber der befürchtete unkontrollierte Ansturm ist ausgeblieben. Die 50 Ordnungsamtsmitarbeiter, die im Einsatz waren, haben zwar ab späten Nachmittag hin und wieder die Megafone zum Einsatz bringen müssen, um an die Einhaltung der AHA-Regeln zu erinnern. Aber im Großen und Ganzen ist dieser Tag gut verlaufen. Der Handelsverband Ostwestfalen-Lippe zieht allerdings eine ganz andere Bilanz. Für Geschäftsführer Thomas Kunz war die Stadt angesichts eines drohenden Lockdowns und einem Ende des Weihnachtsgeschäftes für die Einzelhändler zu leer. Er geht von einem etwa 20-prozentigem Umsatzminus für Bielefeld aus. Auffällig sei gewesen, so Kunz gegenüber nw.de, dass es offensichtlich viele Kunden in die kleineren Städte wie Bad Salzuflen, Lage oder Detmold gezogen habe. Dort sei die Lage viel besser gewesen als in Bielefeld oder Paderborn. Ein ganz anderes Bild zeichnet Dennis Bußian, 2. Vorsitzender der Altstadt-Kaufmannschaft, in Bielefeld. Er spricht von einem in "jeglicher Hinsicht" erfolgreichen Adventssamstag. Die Frequenz sei deutlich besser gewesen, als an den beiden Wochenenden zuvor, ohne dass die Lage aus dem Ruder gelaufen sei wie am "Black Friday". "Kurze Wartezeiten vor den Eingängen der Geschäfte wurde mit Verständnis von den Kunden aufgenommen", sagt Bußian. Vielen Menschen sei es ausdrücklich wichtig gewesen, ihre Einkäufe vor dem Lockdown bei einem Einzelhändler vor Ort zu tätigen. "Das hinterlässt ein Gefühl der Wertschätzung und macht uns Mut für die Zukunft." Ebenfalls groß sei die Nachfrage nach einem Liefer- oder Versandangebot. Daher geht am Montag ein Rundschreiben an alle Altstadt-Händler und Gastronomen raus, mit dem Angebot sich beim Portal "wir-liefern-jetzt" anzumelden. Mit dabei auch die NW Services. Zusammen geben die Partner das Versprechen ab: "Wir liefern schneller als Amazon." Alle Register sollen gezogen werden, denn eines sei trotz dieses guten Shopping-Samstages klar: "Die Lage für den stationären Handel ist dramatisch." 17 Uhr - die Stadt leert sich deutlich Während in der mittleren und südlichen Bahnhofstraße die Besucherfrequenz bereits deutlich abnimmt, geht sie am Besuchermagneten Loom noch einmal nach oben. Um 17 Uhr wird eine Fußgängerfrequenz von 3.800 bei Hystreet gemessen. Einmal zum Vergleich: Am "Black Friday" waren es im Bereich Karstadt fast 6.700 Passanten, 4.500 in der südlichen Bahnhofstraße und 4.800 beim Loom. 16 Uhr - Publikum verlagert sich Wie es einige Mitarbeiter des Ordnungsamtes prognostiziert hatten, leert sich die Bahnhofstraße tatsächlich ab 15 Uhr. Das belegen auch die von dem Unternehmen Hystreet gemessenen Passanten-Frequenzen: Sowohl beim Scanner auf der Höhe von Karstadt wie auch weiter nördlich bei Deichmann rutsche das Besucher-Aufkommen unter die Durchschnittsmarke. 15 Uhr - Mandelduft rettet Stimmung Wenn jetzt tatsächlich der Höhepunkt des Besucher-Aufkommens erfolgt ist, dann haben die Passanten doch noch reichlich Bewegungsfreiheit in der Bahnhofstraße. Die Mitarbeiter einer Weihnachtsbude erzählen, dass der Andrang heute kein Vergleich sei zu den Menschenmassen vom "Black Friday". Auch sei die Akzeptanz der Maske selbstverständlich bei den Kunden, sie hätten noch niemanden ermahnen müssen. Ein paar Meter weiter hält aber gerade eine Polizeistreife mehrere Personen an, die die Maske auf "Halbmast" haben und rauchen. Wieder einige Meter weiter müssen die Mitarbeiter des Ordnungsamtes Besucher, die in der Fußgängerzone ihre Pommes essen, darauf hinweisen, dass das verboten ist. Sie weisen den Weg in Seitenstraßen, wo man die Maske fürs Essen abnehmen darf. Es fällt auf, dass immer wieder darüber diskutiert wird, wo man denn Pommes, Döner, Pizza und Co. überhaupt essen darf. "Stehen wir nicht zu nahe am Imbiss?", fragt eine Frau. Ja, steht sie, aber das kleine Grüppchen Hungriger bleibt unbehelligt. Highstreet zählt in der Bahnhofstraße zu dem Zeitpunkt etwa 3.800 Besucher Höhe Loom, 5.400 im Bereich von Karstadt - mindestens ein Drittel weniger als am "Black Friday". Was auffällt - keine belastbare statistische Größe, sondern eine rein subjektive Wahrnehmung der nw.de-Reporter: Diesen Samstag sind verhältnismäßig wenige Senioren unterwegs. Einerseits, um sich nicht leichtsinnig zu gefährden, andererseits bietet das Quantum an Tagesfreizeit durchaus andere Gelegenheiten zum Einkaufen - ohne Schlangestehen in der Kälte. Edgar und Gabi sind mit ihrem Sohn und einer weiteren Begleitung mit dem Zug von Gütersloh nach Bielefeld angereist. Am Bauzaun des Jahnplatzes stehend beobachten sie das Treiben, das ihnen doch langsam zu viel wird. Warum sie überhaupt in die Innenstadt gekommen sind? "Um mal rauszukommen", schildert Edgar. Der ab kommende Woche zu erwartende Lockdown und die Weihnachtsgeschenke-Jagd sei jedenfalls nicht der Grund gewesen. In den Lebensmittel-Supermärkten sei viel mehr los, meint Gabi. 14 Uhr - Geduld gefordert Entlang der Bahnhofstraße warten die Kunden vor den großen Geschäften, und manche Schlangen lassen den gewünschten Mindestabstand von Passant zu Passant langsam vermissen. Etwa 3.500 Menschen werden zwischen 13 und 14 Uhr in Höhe des Looms an der Stresemannstraße gezählt. So, eine Menschenkette hat sich vor dem Haupteingang des Looms gebildet, wie unsere nw.de-Reporter berichten. Da würden sich die Passanten schon sehr nahe kommen. Maximal dürfen 1.800 Menschen zeitgleich ins Einkaufscenter, die Ordner lassen immer stoßweise Menschen hinhein. Auch kurven jetzt mehr Autos durch die Stadt auf der Suche nach Parkplätzen. Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes zeigen sich bisher zufrieden, auch die Knöllchen-Dichte sei heute so wie an anderen Tagen. Mit dem Höhepunkt des Andrangs werde gegen 15 Uhr gerechnet. 13 Uhr in der City In der Altstadt können sich die Besucher gut aus dem Wege gehen, Schlangen vor den Geschäften gibt es nur wenige: Bei Rüter an der Obenstraße stauen sich die Kunden und bei TK-Maxx an der Niedernstraße macht die Schlange der Kunden schon eine auf Abstand bedachte Kurve, 30 bis 50 Kunden stehen zeitweise in der Schlange, die schon mal bis zum "Pizza-Hut" reicht. An der Bahnhofstraße ist bei Zara die Schlange dieses Mal deutlich kürzer als am Black Friday. Das liegt daran, dass wirklich deutlich weniger Menschen in der Stadt sind, als 14 Tage zuvor. Die Appelle scheinen zu fruchten. In der Bahnhofstraße erhalten die klassischen Geschenk-Geschäfte allmählich mehr Zulauf, sodass die Kunden bei noch moderaten Temperaturen an der frischen Luft etwas frieren. Der Shopping-Samstag bringt 4 bis maximal 6 Grad Celsius. High Noon bei Hystreet: "Wir erwarten an diesem Samstag mehr Besucher in der Stadt als am Black Friday", sagt eine Mitarbeiterin, deren leuchtend gelbe Warnweste schon von Weitem zu sehen ist: Gegen 12 Uhr sind die noch luftigen Fußgängerzonen ohne Stoppen oder Slalomlaufen begehbar und die Warte-Markierungen vor den meisten Geschäften noch ohne Besucher. Auf den Straßen in Bielefeld fließt der Verkehr, noch gibt es keine Staus vor Parkhäusern oder an Parkplätzen. Auch fehlt in der Altstadt der ein oder andere Autokorso beim Passieren der Niedernstraße - alles eher entspannt.

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