Vor ein paar Tagen ging ich über den Kesselbrink – versehentlich, denn urbane Betonwüsten aller Art beeinträchtigen meinen Lebenswillen erheblich. So nehme ich durchaus auch lange Umwege in Kauf, um solche Orte zu meiden.
Doch dieses Mal wehte mich plötzlich mitten auf dem Platz eine unerklärliche Heiterkeit an. Als ich mich überrascht umsah, erkannte ich den Grund: Das Telekom-Hochhaus hatte sich grundlegend verändert.
Die stadtprägende Fassade, die den spröden Charme der Architektur des real existierenden Sozialismus bis tief nach Ostwestfalen getragen hat, war verschwunden. Sie hat einer luftigen Transparenz Platz gemacht, einer Aura von Leichtigkeit und Weite, deren Emissionen ein gänzlich neues Platzgefühl hervorrufen, das mich sogar für einen Moment vergessen ließ, dass ich auf dem Kesselbrink stand. Dieser ist ja einer der ältesten Plätze und zugleich eines der ältesten Sorgenkinder der Stadt.
Nun kann auch andere Architektur dem Telekom-Skelett angepasst werden
Nach einer gefühlt 60-jährigen Planungsphase endlich umgestaltet, riss er die Berichterstatter zu Begeisterungsstürmen hin – die sich jedoch schnell wieder in den Weiten der medialen Landschaften auflösten. Bald schon wurden erste Probleme sichtbar: Der Platz kam wegen Drogenhandel ins Gerede, Rasenflächen zogen sich aus unerfindlichen Gründen immer wieder ins Erdreich zurück und falsche Zielgruppen irrten über das Gelände, das sich nun als Betonwüste offenbarte. Dazu wurde plötzlich der Blick auf die Umgebungsbebauung frei.

Die Kombination der den Platz einfassenden Gebäude ist beileibe nichts für schwache Nerven. Es gibt in der Kunst eine Ausstellungsform, bei der Bilder unabhängig davon, ob sie zueinander passen, dicht an dicht präsentiert werden: die sogenannte „Petersburger Hängung". Deren Entsprechung in der Architektur ist die „Bielefelder Bebauung", ein Konzept der ästhetischen Konzeptlosigkeit, das zahlreiche Stadtlandschaften dominiert, siehe Betheleck, Hauptstraße Brackwede, Sieker Endstation – die Liste ist lang.
Aber ein Anfang ist gemacht, nun kann auch andere Kesselbrink-Architektur dem Telekom-Skelett angepasst werden. So das Polizei-Quartier, das mit seiner im dezenten Klosteingrün daherkommenden Unmissverständlichkeit einen Hauch von Einfalt verströmt.
Oder das wuchtige Parkhaus im klassischen Schießscharten-Design, welches impliziert, hier müsse man sich seinen Parkraum mit Waffengewalt erkämpfen. Sind die Fassaden erst einmal gefallen, ist das vielleicht ein erster Schritt, die Schrecken des Platzes besser zu verstehen.