Laar/Brake. Nach Feierabend machten sich Hugo und Socke auf den Weg. Hinter ihnen lag ein anstrengender Tag als Flugabwehr-Spezialisten auf den Freilaufwiesen des Hühnerhofs und vor ihnen die große Freiheit. Die beiden Ziegen beschützen über 170 gackernde, scharrende und pickende Freunde im Federkleide in den mobilen Ställen des Hofladens Storck im schönen Laar.
Ziegen seien sehr neugierig, erklärt Ulrike Storck und deshalb durchaus geeignet gegen Angreifer aus der Luft. Bussarde und Habichte rupfen gerne mal ein Hühnchen, wenn sie sich mit der Sonne im Nacken auf ihre Beute stürzen. Zur Verteidigung gegen solche Attacken patrouillieren Bock Hugo und Zicke Socke zwischen den Legehennen und scannen den Himmel nach verdächtigen Flugbewegungen. Oder so ähnlich.
Beide sind noch neu auf dem Hof
Die beiden Security-Ziegen, die ihrer neuen Aufgabe mit wenig Gemecker nachkommen, sind noch neu auf dem Hof und von daher entsprechend interessiert am Erkunden der noch fremden Umgebung. So nutzten sie den Donnerstag nach Dienstschluss für einen ersten Ausflug. Mit Rücksicht auf das Nachflugverbot für Jagdvögel warteten sie die Dunkelheit ab, hüpften lässig über den für Hühner ein echtes Hindernis darstellenden Zaun und spazierten davon.
An Feldern vorbei und über Wiesen hinweg folgten sie ihrem inneren Kompass. Sie verließen den Kreis Herford und gelangten nach Bielefeld, trotteten gen Downtown Brake und dort direkt auf den Boulevard Braker Straße. Da wunderten sich die Anwohner am Abend über den Hufklang auf Asphalt und staunten beim Blick aus dem Fenster über die vierbeinigen Gäste.
Braker riefen die Polizei
Wegen des nicht zu unterschätzenden Straßenverkehrs im Stadtteil verständigten die Braker die Polizei - und die Mitarbeiter der Notrufzentrale meldeten sich bei Landwirt Heiner Dingedissen. Er habe im Fernsehen gerade Nachrichten geschaut, als das Telefon klingelte, erzählt der Mann der späten Stunde und schnellen Entschlüsse. Wie man ausgerechnet auf ihn gekommen sei, könne er sich auch nicht erklären, schließlich liege sein Hof über 10 Kilometer entfernt vom Schauplatz des Geschehens, weit im Osten der Stadt. Er ließ sich die Situation schildern und wechselte gleich in den Aktions-Modus: Mittlerweile befanden sich die nächtlichen Besucher bereits am Bahnhof von Brake.
Jede Sekunde zählte: Dingerdissen organisierte von einem Freund einen Pferdehänger für den Transport der Ziegen. Zuvor hatte er noch darum gebeten, dass ihm wenigstens die Polizei beim Einfangen der Tiere helfe. Als er am Bahnhof eintraf, begrüßte ihn die Besatzung eines Streifenwagens. Zusammen mit den beiden Beamten baute er aus Bauzäunen ein Spalier und lockte seine potenziellen Fahrgäste mit frischen Möhren in den Hänger. Das Duo freute sich über die kulinarische Offerte zu später Stunde und folgte ihr ohne zu zögern. Und um die Zeit gab es sowieso nicht mehr viel zu sehen.
Ein Lager für die Nacht
Landwirt Dingerdissen chauffierte seine Passagiere auf den eigenen Hof und bereitete den beiden ein Lager für die Nacht. Da ihnen noch die Ohrmarken fehlten, lag ihre Herkunft völlig im Dunklen. Am nächsten Morgen kam dem Landwirt die geniale Idee, einen tierischen Suchaufruf über Radio Bielefeld zu starten - mit prompten Erfolg. Kaum ging die kuriose Nachricht von den beiden Nachtschwärmern über den Sender, da meldeten sich auch schon die Besitzer des Duos und die Heimfahrt wurde arrangiert, Hugo und Zicke zurückgebracht nach Laar, wo die Kinder der Familie Storck sich schon auf die Rückkehrer freuten.