Dieser Hermannslauf-Sieger nimmt nw.de-Leser mit

Bielefeld. Das Coronavirus bestimmt seit Wochen unseren Alltag. Langsam – aber sicher – kommt wieder etwas Normalität zurück. Die vielen Geschichten rund um unser Leben mit dem Virus fasst die Neue Westfälische in dieser Rubrik zusammen. Wollen auch Sie berichten? Dann schreiben Sie an: bielefeld@nw.de »Auf einen Walk« in Corona-Zeiten Schön, dass Sie wieder mit dabei sind bei meiner Nordic-Walking-Tour an der frischen Luft und in der Natur. Vielleicht haben Sie es mittlerweile selbst real ausprobiert, welche Auswirkungen Ausdauersport auf den Körper und auf den Geist mit sich bringt: Alle Sinne werden angeregt, Gedanken werden frei und wir nehmen die Dinge um uns herum ganz anders wahr. Das entspannt, regt an, baut Stress ab und stärkt das Immunsystem. Sollten Sie sich noch nicht selbst auf den Weg gemacht haben, dann begleiten Sie mich virtuell. Viel Vergnügen! Los geht es dieses Mal am Obersee, genauer gesagt am Parkplatz unterhalb des Viadukts an der Talbrückenstraße. Noch zu Läuferzeiten habe ich die 3 Kilometer lange Seerunde während einer Trainingseinheit mehrmals umrundet. Heute schaue ich mal, wie oft es mich um den Obersee treibt. Im Gegensatz zu den meisten Spaziergängern walke ich im Uhrzeigersinn um den See, was daran liegt, dass ich lieber die Steigung an der Jölle bergauf statt bergab walken möchte. Der Blick schweift über den See, an einer der zwei Vogelinseln vorbei Richtung Seekrug. Leichter Wind lässt das Wasser leicht kräuseln. Ich stelle mir vor, ich wäre am Meer. &bdquo;Heute keine Skier dabei?", dieser Satz holt mich wieder in die Wirklichkeit zurück. Es gibt ihn halt immer noch, den Witz über das Nordic Walking. Statt lächelnd weiter zu walken, bleibe ich stehen und antworte: &bdquo;Bei der virtuellen Schneedecke von 5 Zentimetern habe ich mir gedacht, heute reichen die kurzen Skier aus. Man sieht sie halt unter den Laufschuhen nicht." "Schneedecke geht mir nicht aus dem Kopf" Noch bevor der gute Mann den Mund wieder zuklappen kann, gehe ich vergnügt weiter. Allerdings, das mit der Schneedecke geht mir nicht aus dem Kopf. Früher, als im Winter der Obersee fest zugefroren war und sich halb Bielefeld darauf tummelte, früher, als eine Schneedecke von 15 Zentimetern auch mal länger liegen blieb, da spurte der Bielefelder Skiclub rund um den Obersee schon einmal eine Langlaufloipe und in der Senne traf man auf Skilangläufer. An der Schwedenschanze wurden Stadtmeisterschaften im Slalom ausgetragen. Heute ist daran kaum zu denken. Wenn es tatsächlich, wie in den letzten Jahren, einmal heftig schneite, war der Schnee spätestens nach zwei Tagen wieder weg. Skilanglauf in Bielefeld – das war einmal. Auch eine Folge des Klimawandels! Die Seebrücke des Obersees Nach etwa einem Kilometer höre ich lautes Kindergelächter und wenige Meter weiter sehe ich sie, wie sie quietschvergnügt auf dem Spielplatz herumtollen, losgelöst von Coronasorgen und einfach nur glücklich. Mir kommt der Song &bdquo;Kinder an die Macht" von Herbert Grönemeyer in den Kopf. &bdquo;Gebt den Kindern das Kommando, sie berechnen nicht was sie tun". Ich wünsche mir, dass der eine oder andere sich morgens und abends diesen Song mindestens einmal anhört. Auf der anderen Seeseite angekommen, erreiche ich die &bdquo;Landungsbrücke" oder von mir aus auch &bdquo;Seebrücke" des Obersees und frage mich, wann hier endlich das große Schiff anlegt. Spaß beiseite, von hier aus lassen sich viele Wasservögel in aller Ruhe beobachten. Eine große Infotafel erklärt anschaulich die gemachten Beobachtungen. Fast wie in der Schule. Nur sollten wir auch den Müll, den wir verursachen, auch selbst wieder mitnehmen. Denn unweit der Infotafel sieht es aus wie auf einer Müllhalde. In einem Bogen führt die Runde etwas weg vom See. Frisbeegolfer versuchen ihr Glück und werfen ihre Scheibe zielgenau Richtung Korb. Wenn wir Corona doch einfach so wegwerfen könnten. Es geht in Richtung Johannisbachaue Nach der Brücke über die Jölle ist der Obersee wieder ganz nah. Mich zieht es aber auf eine kleine Anhöhe. Dieser Umweg muss sein, denn von hier oben aus hat man einen herrlichen Blick über den gesamten Obersee mit den beiden Schildescher Kirchen im Hintergrund als Zugabe. Wenn dann noch die Sonne zwischen den Kirchturmspitzen steht, dann ist es perfekt. Bielefeld kann so schön sein! Wieder am See angelangt verläuft die Strecke noch unter dem Viadukt hindurch, doch statt in die zweite Runde zu starten, zieht es mich Richtung Johannisbachaue. Mal sehen, ob die Störche noch da sind. Ich walke in Richtung Halhof, um kurz vor der Talbrückenstraße in den schnurgeraden Wanderweg Richtung Baumheide einzubiegen. In der Ferne kann ich die weißen Türme der Milser Mühle erkennen. Die ganze Johannisbachaue liegt friedlich vor mir, keine Hektik, kein Lärm und vor allem kein Corona! Ich erreiche den Jerrendorfweg, der mich zum Hof &bdquo;Meyer zu Jerrendorf" führt. Der hier ansässige Reit- und Fahrverein Brake organisiert mit viel Herzblut und Hingabe jedes Jahr Anfang August das Braker Reitturnier. In diesem Jahr fällt es leider aus! &bdquo;Haltet durch! Im nächsten Jahr wird es umso schöner!", möchte man ihnen zurufen. Mit kräftigem Stockeinsatz geht es nun steil bergauf. Bis zu meinem nächsten Etappenziel, dem Findlingsgarten, sind es 800 Meter aufwärts. &bdquo;Ein Weg bergauf ist niemals leicht"! Die Arminia-Hymne kommt mir in den Sinn. &bdquo;They have a grandiose Saison gespielt", frei übernommen von Roman Weidenfeller (Ex-BVB Torwart) und in der Tat kann ich mich kaum erinnern, dass Arminia nur zwei (in Zahlen auch 2) Niederlagen in einer Saison hat einstecken müssen. Wann können wir endlich wieder im Stadion mitfiebern? Ein Findlingsgarten mit Aussicht Kurz vor Überqueren der Bahnlinie trete ich durch ein Gatter und erreiche nach wenigen Metern den &bdquo;Findlingsgarten", eine Ansammlung mehrerer Findlinge in Form eines Wassermoleküls. Ja, richtig gelesen, denn diese Findlinge stammen alle aus dem Erdaushub des Campusviertels an der Uni Bielefeld. Von 2008 bis 2015 wurde hier, zusammen mit dem Schlamm aus dem Obersee, dieser Hügel erschaffen. Mittlerweile ist es begrünt und eine nicht endende Pracht wilder Feldblumen breitet sich aus. Hinzu kommt, dass das Panorama des Teutoburger Waldes vom Hermannsdenkmal bis zum Fernsehturm an der Hünenburg sich vor mir ausbreitet. Traumhaft! Ach ja, das Storchenpaar ist auch noch da! Stolz thronen Jo und Hanni auf ihrem Nest. Hier oben muss ich eine Weile verbleiben. Der Wanderweg A1 bringt mich zurück zum Obersee. Verschwitzt und glücklich erreiche ich nach 8 Kilometern und etwa 75 Minuten meinen Ausgangspunkt. Diese Nordic-Walking-Runde gehört zu den abwechslungsreichsten und schönsten Strecken, die ich in Bielefeld absolviert habe. Martin Sprenger (67), pensionierter Konrektor der Grundschule Brake und Hermannslauf-Gewinner 1988

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