Bielefeld Angehende Bielefelder Abiturientin muss nur zweimal pro Woche zur Schule

Bielefeld. Nächsten Sommer will Svenja Kulbrock Abi machen. Sie nutzt jede freie Minute zum Lernen. Zur Schule gehen muss die 22-Jährige aber nur zwei Mal die Woche – den restlichen Schulstoff zieht sie sich zuhause rein. Das meiste läuft über die Lernplattform &bdquo;Moodle". Kulbrock geht seit Sommer 2018 aufs Abendgymnasium in Bielefeld. Sie wird zum dritten Jahrgang der Schule gehören, die das Online-Abitur machen, sagt Schulleiter Sven Meyering. Leichter hättens die Schüler nicht – im Gegenteil. &bdquo;Das Online-Abitur ist etwas für diejenigen, die viel Selbstdisziplin haben." Man müsse eben den inneren Schweinehund überwinden können, denn die permanente Kontrolle der Lehrer gebe es nicht. Jetzt in der Corona-Zeit profitieren Schule und Schüler von diesem Angebot. &bdquo;Wir haben sicherlich eine bessere Infrastruktur als andere Schulen", sagt Schulleiter Meyering. &bdquo;Es läuft reibungsloser als woanders, aber natürlich nicht gänzlich reibungslos." &bdquo;Meine Chefin unterstützt mich sehr gut" Svenja Kulbrock muss sich derzeit kaum umstellen. Sie ist es gewohnt, selbstständig zu lernen. Aber warum hat sie sich genau für das Online-Abi entschieden? Kulbrock wollte nach ihrem Realschulabschluss an den Friedrich-von-Bodelschwingh-Schulen etwas Handfestes machen, erzählt sie. Sie schloss ihre Ausbildung zur Industriekauffrau bei einem Küchenhersteller in Verl ab, arbeitete dort noch zwei Jahre, wollte aber weiter kommen. &bdquo;Ich habe da schon gesehen, dass man mit dem Abi einfach mehr machen kann", sagt sie. Kein Abi "light" Von einem Freund erfuhr sie vom Online-Abitur am Abendgymnasium. Kulbrock bewarb sich und bekam einen Platz. Das war im Sommer 2018. Das &bdquo;normale" Abi an der Schule – fünf Vormittage oder Abende Präsenzunterricht in der Schule – kam für sie nicht in Frage. Tagsüber arbeitet sie und zusätzlich jeden Abend noch zur Schule gehen, wollte sie nicht. Sie wollte sich lieber selbst organisieren. Ein Abi &bdquo;light" ist es nicht – Svenja Kulbrock wird das ganz &bdquo;normale" Zentral-Abitur machen. Die Leistungskurse Deutsch und Biologie sind festgelegt, Fächer wie Musik und Kunst gibt es am Abendgymnasium nicht. Montags und Mittwochs ist Kulbrock von 17.30 bzw. 16.40 bis 21.30 Uhr in der Schule. Sie arbeitet mittlerweile bei &bdquo;Büscher Bürowelt" an der Eckendorfer Straße im Vertrieb, die Schule könne sie mit ihrem Job gut vereinbaren, sagt sie. &bdquo;Eigentlich müsste ich bis 17 Uhr arbeiten." Da der Unterricht an einem Tag in der Woche aber schon um 16.40 Uhr beginnt, darf sie um 16 Uhr gehen. &bdquo;Meine Chefin unterstützt mich da sehr gut." Aufgaben über "Moodle" Ihr gegenüber habe sie auch mit offenen Karten gespielt – denn Svenja Kulbrock will nach dem Abitur noch studieren, am liebsten in Richtung Vertriebsmanagement gehen. &bdquo;Das heißt aber nicht, dass ich meinen Job an den Nagel hängen will", sagt sie. &bdquo;Ich möchte gerne parallel weiterarbeiten." Bis dahin stehen aber noch einige Prüfungen aus. Über das Portal &bdquo;Moodle" bekommen Kulbrock und ihre Mitschüler in jedem Kurs Aufgaben, die sie innerhalb einer bestimmten Frist lösen müssen. Wann sie die Aufgaben bearbeiten, ist ihnen überlassen. &bdquo;Ich fange manchmal schon morgens vor der Arbeit an, dann habe ich schon was geschafft", sagt Svenja Kulbrock. Vieles mache sie aber auch am Wochenende. Zusätzlich haben die Schüler Bücher bekommen, die sie durchlesen und bearbeiten müssen. Das meiste aber laufe am Computer. Über &bdquo;Moodle" bekommt der Lehrer die gelösten Aufgaben zurück, er gibt den Schülern dann eine Rückmeldung. Auch die Kommunikation mit den Lehrern laufe über das Programm. &bdquo;Für die Lehrer ist das deutlich aufwendiger als Präsenzunterricht", sagt Sven Meyering. &bdquo;Online-Unterricht ist mehr Arbeit, nicht weniger." Dennoch, die Lust des Kollegiums aufs Online-Abi sei mit den Jahren gestiegen. &bdquo;Inzwischen können 70 Prozent der Lehrer online unterrichten." Dazu müssen sie allerdings eine technische sowie eine didaktische Schulung machen. Positives Fazit Das Online-Abi ist beliebt: 18 Schüler sind laut Sven Meyering in Kulbrocks Kurs, im ersten Abi-Jahrgang 2019 waren es 20, in diesem Jahr wollen 13 Frauen und Männer am Abendgymnasium ihr Online-Abi machen, erzählt er. Die Kurse sind bunt gemischt. &bdquo;Ich bin mit 22 fast die Jüngste", sagt Kulbrock. Der älteste Teilnehmer sei beim Start 2018 schon Ende 40 gewesen. Einige Mitschüler hätten allerdings nach einem halben Jahr wieder aufgehört. &bdquo;Für viele ist es einfach nichts." Kulbrock hingegen zieht ein positives Fazit: &bdquo;Das Online-Abi funktioniert", sagt sie. &bdquo;Es ist auch eine super Vorbereitung fürs Studium." Und auch Meyering steht nach wie vor hinter dem Modell: &bdquo;Der erste Online-Kurs hatte herausragend gute Durchschnittsnoten", sagt er. Aber: Auch das Online-Abi gehe davon aus, dass die Leute in die Schule kommen. &bdquo;Als Pädagogen möchten wir sie vor uns sehen", sagt er. &bdquo;Schule lebt davon, dass man sich sieht und miteinander arbeitet." Noch Plätze frei Für den neuen Online-Kurs, der im Schuljahr 2020/21 startet, gibt es noch freie Plätze. Bis Anfang August werden Anmeldungen entgegengenommen. Infos: abendgymnasium-bielefeld.de

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