Warum diese Detmolderin ihr Abi besser als mit Eins bestanden hat

Kreis Lippe. Stolze Eltern und Großeltern, Schülerinnen und Schüler auf der Bühne, die auf diesen einen Tag hingefiebert und sich ein Programm ausgedacht haben: Die Schul-Entlassfeier ist ein ganz besonderes Ereignis. Auch in Lippe erhalten die Jugendlichen derzeit ihre Abschlusszeugnisse, so wie Emily Sachs (18) und ihre Mitschüler. Sie ist eine von Vieren, die an ihrer Schule in diesem Jahr das Abitur mit der Traumnote 1,0 gemacht haben. Und eigentlich sogar noch mehr: Rein rechnerisch hat Emily Sachs einen Notendurchschnitt von 0,8. Doch wie ist das möglich? Und wie viel Arbeit steckt dahinter? &bdquo;Das ging eigentlich“, sagt 18-Jährige bescheiden. Häufig habe es ihr gereicht, im Unterricht einfach gut mitzuarbeiten, um den Stoff zu verinnerlichen. &bdquo;Für die regulären Klausuren habe ich in der Regel zwei Tage vorher angefangen zu lernen.“ Aber beim Abi sei das dann doch ein wenig mehr gewesen, gibt sie zu und grinst. &bdquo;Die Lernzettel hatte ich schon lange vor den Prüfungen fertig“, richtig gelernt habe sie dann die letzten fünf Tage vor jeder Abi-Prüfung. Die richtige Vorbereitung habe ihr geholfen, sodass auch noch Zeit zum Lesen, für Freunde – &bdquo;die meisten haben auch ein Top-Abi“ – und Familie blieb. Von denen sei sie immer unterstützt worden, Neid oder Missgunst Fehlanzeige. Abi besser als Eins Ihre Leistungsfächer Deutsch und evangelische Religion hat sie mit vollen 15 Punkten bestanden, im dritten Fach, Pädagogik, gab es 14, im mündlichen Abifach – Emily Sachs wählte Mathe – waren es 13 Punkte. Und so erreichte sie schließlich von möglichen 900 Punkten im Abitur ganze 875. Eine klare 1,0 auf dem Zeugnis, doch eigentlich ist ihr Schnitt sogar noch besser. Wie das sein kann? Ganz einfach: Bereits 14 Punkte gelten in der Oberstufe als Note 1,0. Wer aber die höchstmögliche Punktzahl 15 erreicht – und das regelmäßig –, ist demnach besser als 1,0. Wie im Fall von Emily Sachs. Rechnet man ihren Durchschnitt aus, liegt der bei 0,8. Doch da das nicht auf dem Zeugnis stehen darf, muss sich die Schülerin des August-Hermann-Francke-Gymnasiums mit einer 1,0 zufriedengeben. Und das tut sie und lacht. Gefühlt haben in diesem Jahr sehr viele Abiturienten sehr gut abgeschnitten. Am Gymnasium Barntrup beispielsweise erreichte mehr als ein Drittel eine Eins vor dem Komma, am Hermann-Vöchting-Gymnasium (HVG) Blomberg haben so viele wie noch nie – sieben Abiturienten – eine 1,0 erreicht. &bdquo;Wir freuen uns sehr, so viele tolle Leistungen verzeichnen zu können“, sagt Schulleiter Michael Hanke. Ehrgeizige Schülerinnen und Schüler hätten heute gute Möglichkeiten, sich über den Unterricht hinaus zielgerichtet vorzubereiten, es gebe zahlreiche gute Materialien, zudem Lernvideos & Co.. &bdquo;In vielen Fächern spielen zudem methodische Fähigkeiten eine große Rolle, die man durch wiederholtes und gezieltes Üben sehr gut trainieren kann.“ Lernen außerhalb des Unterrichts Das bestätigt auch Anja Vothknecht, Schulleiterin am Gymnasium Horn, an dem es in diesem Jahr vier Bestprüflinge gab. Sie nehme es auch so wahr, dass die leistungsorientierten Schülerinnen und Schüler die digitalen Tools und Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen, intensiv nutzten. &bdquo;Gute Prüfungsvorbereitung ist weit weniger als früher von der Schule und der Lehrkraft abhängig, sondern kann auch individuell und unterrichtsabhängig geschehen.“ Notenstatistiken würden an beiden Schulen nicht geführt. Dennoch hat Anja Vothknecht das Gefühl, es sei eine neuere Entwicklung, dass es so viele Abiturienten mit Bestnoten gibt. Sie führt es auf die Einführung des Zentralabiturs zurück, bei dem für viele einzelne Prüfungselemente Punkte vergeben werden, die dann am Ende automatisch eine Note ergeben. Fürs HVG führt Michael Hanke die gestiegene Anzahl der 1,0er-Abis unter anderem auf die dortige bilinguale Klasse zurück. Denn die meisten stammten in diesem Jahr aus dieser Klasse, &bdquo;in der eine außergewöhnliche Homogenität sehr guter und guter Leistungen zu verzeichnen war“. Die ehrgeizigen Schüler hätten sich gegenseitig unterstützt und angespornt. Hanke weiß aber auch, dass es – wie überall – auch Schüler mit Lernschwierigkeiten gab und gibt, für die das Abi eine große Herausforderung darstelle. &bdquo;Wir verstehen es als unsere zentrale Aufgabe, diese ebenso wie die sehr guten Schüler und alle anderen bestmöglich und individuell zu fördern und zu beraten.“ Studium neben der Schule Und: &bdquo;Ein Abitur mit einer sehr guten Endnote ist viel wert, nach wie vor“, betont Anja Vothknecht. Man tue den Abiturienten von heute Unrecht, ihre Leistungen mit denen von vor Jahrzehnten zu vergleichen und zu urteilen, die einen wären mehr wert als die anderen, weil die Prüfungsvorgaben andere waren. Genau wie die Abiturienten vor 15 oder 25 Jahren haben die des aktuellen Jahrgangs die Anforderungen hervorragend erfüllt und übertroffen. &bdquo;Und das sind tolle Leistungen, über die ich mich sehr freue. Insofern ist der Wert eines sehr guten Abiturergebnisses aus meiner Sicht der gleiche wie früher.“ Emily Sachs kann das egal sein. Bereits früh wollte sie Medizin oder Jura studieren, mit 14 Jahren entschied sie sich für Zweiteres. Und seitdem tut sie einiges dafür: Seit der achten Klasse studiert sie an der Uni Bielefeld, hat bereits vier Jura-Abschlussklausuren mitgeschrieben – und bestanden. Neben der Schule und den Vorbereitungen fürs Abi. Und damit will sie weitermachen, sich zum nächsten Semester regulär einschreiben und sich die Leistungen anrechnen lassen. Um dann in nicht allzu ferner Zukunft als Staatsanwältin oder Richterin Fuß zu fassen. Doch bevor sie im Studium durchstartet, steht jetzt erst einmal Erholung und das Reisen mit der Familie auf dem Plan.

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