Wie Bielefeld von der Epidemie erfasst wurde: Der große Corona-Rundumblick

Bielefeld. Am 5. März werden die ersten Verdachtsfälle in der Stadt bekannt. Seitdem überschlagen sich die Ereignisse. Woche für Woche steigen die Zahlen der Infizierten und der Bielefelder, die sich in Quarantäne begeben müssen. Stück für Stück wird das öffentliche Leben in Bielefeld heruntergefahren, der Alltag der Bürger auf den Kopf gestellt. Die NW-Lokalredaktion blickt zurück auf die vergangenen vier bis fünf Wochen. Die Chronik der Ereignisse führt vor Augen, wie die Epidemie die Stadt veränderte: Samstag, 1. Februar Noch ist das Coronavirus weit weg. Doch die Krankenhäuser in Bielefeld bereiten sich bereits vor. Arbeitsgruppen werden gebildet, Abläufe koordiniert. Das Unternehmen Schüco stellt alle Reisen von und nach China ein. Dort tobt zu dieser Zeit das Virus. Es wird ein Monat vergehen, bis es Bielefeld erreicht. Donnerstag, 5. März 2 Bielefelder Reiser-Rückkehrer werden mit dringendem Verdacht auf das Coronavirus hin getestet. Sie hatten in ihrer Reisegruppe in Israel engen Kontakt zu Infizierten. 3 weitere Verdachtsfälle, darunter ein Lehrer-Paar, hatten sich nicht bestätigt. Aufatmen. Oberbürgermeister Clausen beruft in der Woche ab dem 2. März offiziell einen Krisenstab ein, der seitdem im Einsatz ist. Samstag, 7. März Die ersten positiven Testergebnisse sind da. Ein 53-jähriger Gemeindereferent und eine 47-jährige Altenpflegerin haben sich infiziert. Sie kommen in häusliche Quarantäne. Dienstag, 10 März Es gibt drei weitere Corona-Fälle in Bielefeld, darunter zwei Männer, die aus dem Risikogebiet Südtirol zurückgekehrt waren. Die Stadt beschließt, dass Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern abgesagt werden müssen. Mittwoch, 11. März Erste Großereignisse wie das Konzert von Pop-Barde Nico Santos, der am Sonntag im Lokschuppen vor vollem Haus auftreten wollte, wurden abgesagt. Dasselbe gilt für den Auftritt der legendären Simple Minds. Donnerstag, 12. März 15 Bielefelder sind inzwischen mit dem Coronavirus infiziert. 300 Menschen befinden sich in Quarantäne - dreimal so viele wie am Vortag. Ab jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Donnerstag, 12. März Paukenschlag auf der Pressekonferenz des Krisenstabs. Leiter Ingo Nürnberger teilt mit, dass Großereignisse wie der Hermannslauf und "Hut ab" gestrichen werden. Auch Discos, Theater, Kinos müssen schließen. Freitag, 13. März Freitag, der 13.: Das eigentlich ausverkaufte Heimspiel von Arminia Bielefeld gegen den VfL Osnabrück wird nun doch abgesagt. Nur vier Tage zuvor hatte Arminia noch vor 50.000 Zuschauern in Stuttgart ein Remis geholt. Auch der gesamte Lokalsportbetrieb auf Amateur-Ebene kommt zum Erliegen. Samstag, 14. März In den Supermärkten hamstern die Bielefelder vor allem Klopapier und Mehl. Die Warteschlangen vor den Kassen nehmen nie da gewesene Dimensionen an. Sonntag, 15. März Ab heute sind in der Stadt alle öffentlichen und kommerziellen Veranstaltungen mit über 100 Leuten in einem Raum untersagt. Montag, 16. März 14.000 Kinder und ihre Eltern in Bielefeld stehen vor Problemen: Ab sofort sind die Schulen und Kindergärten geschlossen. Notbetreuungen werden eingerichtet. Auch der beliebte Tierpark Olderdissen ist jetzt dicht, nachdem es dort am Wochenende rappelvoll war. Dienstag, 17. März In den Kliniken sind mittlerweile Patientenbesuche untersagt. Planbare Operationen werden verschoben, Kapazitäten für Coronafälle geschaffen. Mittwoch, 18. März Die Stiftung Solidarität startet das Projekt &bdquo;Solidarische Corona-Hilfe Bielefeld". Es bietet unter anderem Telefon-Hotline, Lieferservice und Lebensmittelspenden für Bedürftige. Donnerstag, 19. März 888 Menschen befinden sich mittlerweile in Quarantäne. Auch die meisten Geschäfte sind nun geschlossen. Unter anderem Lebensmittelläden und Apotheken bleiben offen. Auch Spielplätze werden geschlossen. Freitag, 20. März OB Clausen appelliert an die Vernunft der Bielefelder: "Bleiben sie zuhause. Sonst provozieren Sie Ausgangssperren." Corona-Partys auf dem Kesselbrink sorgen für Ärger. Der Großteil der Bielefelder hält sich an die Vorgaben. Samstag, 21. März 15 Personen dürfen maximal an einer Trauerfeier teilnehmen. 15 Minuten lang dürfen politische Gremien wie der Rat tagen - mit ausreichend Sicherheitsabstand. Sonntag, 22. März 1.200 Anrufe gehen derzeit pro Tag beim Bürgerservicecenter ein. Die Verunsicherung ist groß. Der Krisenstab bittet unterdessen um Schutzausrüstung. Es fehlen vor allem Masken und Desinfektionsmittel. Arztpraxen klagen ebenfalls über zu wenig Material. Auch der Pneumokokken-Impfstoff ist ausgegangen. Montag, 23. März 3 von nun 72 Corona-Patienten in der Stadt liegen im Krankenhaus. Sie sind alle älter als 60. Ein erster Patient konnte entlassen werden. Er ist wieder gesund. Montag, 23. März Im ganzen Land gilt ab sofort eine Kontaktbeschränkung. Ansammlungen von mehr als zwei Personen sind verboten. Bewegung an der frischen Luft bleibt erlaubt. Freitag, 27. März Einzelhändler und Unternehmen in der Wirtschaft kämpfen ums Überleben. Die NW und der Handelsverband bringen den lokalen Handel und seine Kunden in der Krise zusammen. Auf nw.de wird Verbrauchern eine Übersicht zu Unternehmen in ihrem Ort bereitgestellt, die alles geben, um die Kunden zufriedenzustellen. Schnell beteiligen sich mehrere hundert Unternehmen an der Aktion #BIhältzusammen. Mittwoch, 1. April Seit einer Woche unterstützt die Polizei die Stadt bei der flächendeckenden Überwachung und Durchsetzung der Corona-Verbote - und stellte bislang 70 Verstöße fest. An diesem Tag wird bekannt, dass in Bethels Haus Bethabara sieben Menschen erkrankt sind - einer der ersten und größeren Fall in einem Wohnheim in der Stadt. Donnerstag, 2. April Es gibt den ersten Todesfall in der Stadt. Ein 71-Jähriger mit Vorerkrankungen ist an den Folgen der Covid-19-Infektion gestorben. Unterdessen leidet die Wirtschaft immer mehr. Deshalb will die Stadt ein Sofortprogramm auf den Weg bringen: Es sieht Abschläge bei der Gewerbesteuer, keine Kita-Beiträge und Mietstundungen vor. Dienstag, 7. April Die Pflegedienst-Leiterin der Senioreneinrichtung Haus Ubbedissen wird positiv getestet. Weitere 52 Tests der Bewohner und Mitarbeiter sind negativ. Mittwoch, 8. April Die Stadt erhält knapp 60.000 Schutzmasken, die sie an soziale Träger verteilen will. Krisenstabs-Leiter Ingo Nürnberger kündigt verstärkte Kontrollen über Ostern an und appelliert an den gesunden Menschenverstand. Die Zahlen der Neuinfektionen pendeln sich seit Tagen ein; mehr als 700 Menschen werden an diesem Tag aus der Quarantäne entlassen. Die Gesamt-Entwicklung in Bielefeld sei unterproportional und moderat, so Nürnberger. Doch Entwarnung gibt der Krisenstab noch nicht. 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