"Umsatzausfall von 95 Prozent": Die Bielefelder Geschäftswelt steht still

Bielefeld. &bdquo;Bleibt zuhause, meidet soziale Kontakte", diktiert mir Jens Schröder, Inhaber des gleichnamigen Tabakgeschäftes in der Hagenbruchstraße noch in die Feder. Er fürchtet, das ansonsten schon bald das allgemeine Ausgehverbot droht. An seiner Eingangstür zum Laden hängt ein Schild, das bitte höchstens zwei bis drei Personen gleichzeitig das Geschäft betreten mögen. Über Umsatzeinbußen kann er sich - im Gegensatz zu manchem anderen - im Augenblick nicht beklagen. "Die Leute horten Zigaretten" &bdquo;Die Leute horten nicht nur Toilettenpapier, sondern scheinbar auch Zigaretten", berichtet der Kaufmann. Seine Annahmestelle für Lotto funktioniert auch noch. &bdquo;Von der Landesregierung hieß es, dass Wettannahmestellen und andere Einrichtungen zu schließen haben", erklärt Schröder. Das Glücksspiel Lotto scheint, zumindest derzeit, nicht darunter zu fallen. Sorgen mache er sich weniger um sein Unternehmen als um seine Familie, seinen kleinen Sohn, seine Eltern und Schwiegereltern und seine Mitarbeiter. Zwei Häuser weiter neben dem Tabakwarengeschäft hat Britta Reese erst vor wenigen Wochen ihr kleines Nagelstudio frisch renoviert. Heute hat sie ihren letzten Kunden die Nägel schön gemacht. &bdquo;Ich schließe mein Geschäft für die nächsten Wochen zum Wohle der Allgemeinheit, auch wenn ich im Augenblick noch nicht muss", erklärt die junge Frau. &bdquo;Ich will Verantwortung übernehmen. Wir sind unseren Kunden so nahe bei unserer Arbeit, dass eine Virusübertragung ganz schnell passieren kann." Die meisten Geschäfte sind bereits geschlossen Edeltraut Garbe-Last ist eine ihrer letzten Kundinnen am Mittwochnachmittag. Sie hat die Nägel schön und bekommt als Trost, wie alle anderen Kunden vor ihr auch, noch ein kleines Carepaket mit auf den Weg – Inhalt: Nagelfeile, Schieber für Lack und Nagelhaut, Ablösepads, ein Paar Einmal-Handschuhe und ein Fläschchen Nagellack.Die meisten Geschäfte in der Altstadt sind am Mittwochnachmittag bereits geschlossen. Schaufenster sind dunkel, teilweise hängen Entschuldigungsschreiben für die Schließung an den Eingangstüren. Auf der Niedernstraße sind kaum Fußgänger anzutreffen. Wo sollen sie auch hin, wenn es keine Anlaufpunkte mehr gibt. Café Knigge hat seine beiden Geschäfte in der Obern- und Niedernstraße komplett geschlossen. Nur in der Bahnhofsstraße werden noch Backwaren verkauft. Noch düsterer sieht es am Gehrenberg aus. Die Restaurants haben dort bereits, wie vorgeschrieben, um 15 Uhr geschlossen. In den Kaffeehäusern ist Tristesse angesagt. Im Café Thumel bekommt nur der ein Getränk, der vorher seinen Namen und seine Telefonnummer preisgibt. Sollte es einen Corona-Verdacht geben, könnten so die Gäste nachträglich über den Vorfall informiert werden. Trostlosigkeit herrscht auch im Restaurant Kachelhaus gegen 14 Uhr. Im großen Restaurant verlieren sich ein paar Besucher, die noch vor ihrem Mittagstisch sitzen. &bdquo;Wir haben einen Umsatzausfall von etwa 95 Prozent", berichtet die Geschäftsführerin. Reservierungen für den kompletten März Reservierung für den kompletten März und teilweise April seien storniert worden. Große Gesellschaften anlässlich von Jubiläen, Seminaren oder Konfirmationen, alles hätte gestrichen werden müssen. Ab Freitag werden man über einen Lieferdienst die Gerichte des Hauses direkt nach Hause liefern. Jörg Goebel dreht am Nachmittag den Schlüssel seines Bekleidungsgeschäftes van Laack in der Obernstraße um. Wann er wieder öffnet, steht in den Sternen. &bdquo;Ich fühle mich seltsam und fremdbestimmt und stelle mir die Frage, ob man so etwas überlebt", erzählt der selbstständige Einzelunternehmer und Franchisenehmer. Seine Mitarbeiter bauen jetzt erst einmal Überstunden ab und nehmen Urlaub. Vor dem Loom steht Sicherheitspersonal. Es lässt nur die Menschen hinein, die Lebensmittelversorger oder Drogerien aufsuchen wollen. Wer nur chillen oder gucken möchte, ist ausgesperrt. Eine Stadt schreibt Tagebuch: So erleben die Bielefelder die Krise Alle aktuellen Entwicklungen zur Corona-Krise in Bielefeld im Liveblog der Lokalredaktion.

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