Kritik, Häme, Wut: Darum ist Bielefelds Einstieg in die Verkehrswende so hitzig

Bielefeld. Alle regen sich auf. Über 300 Kommentare, Leserbriefe und Emails erhielt die Redaktion gestern als Reaktion auf den Artikel &bdquo;Parken in der City wird teurer". Fast alle sind kritisch, viele sogar hämisch. Wenige Schreiber äußern Verständnis für den politischen Willen, mit der Verknappung der Parkplätze und teureren Preisen erste Schritte zur Verkehrswende einzuleiten. Einige Kommentatoren geben an, in Zukunft auf die Fahrt in die Innenstadt zu verzichten und online zu bestellen. In der vergangenen Woche sind über 11.000 junge Menschen durch die Stadt gegangen und haben gegen den Klimawandel demonstriert. Dazu gehört auch die Verkehrswende. Wie passt das zusammen? Die Lebenswirklichkeit der Menschen sieht anders aus Ein Jahr nachdem Greta Thunberg ihren Streik begann, ist Fridays for Future so stark wie nie, aber genau das birgt Gefahren. Genau genommen eine Spaltungsgefahr. Denn aufgrund der Klima-Bewegung dominiert das Thema heute medial und politisch so immens, dass alle Parteien sich dazu verhalten müssen. Ich gehe soweit, zu behaupten, dass es den Entschluss am Donnerstag im Rat nie gegeben hätte, wenn nicht so viele junge Menschen in den vergangenen Monaten so laut für den Klimaschutz getrommelt hätten. Einerseits ist das gut, weil es der Politik den Mut gibt, unliebsame Entscheidungen zu treffen. Autofahrern ihre Parkplätze wegzunehmen, gehört unbestritten dazu. Andererseits nimmt diese Politik viele Menschen nicht mit. Mindestens diejenigen, die keine Alternative zum Auto haben, weil sie in Schröttinghausen, Vilsendorf, Oerlinghausen oder Spenge wohnen. Ein Rentner hat ausgerechnet, dass die Fahrt in die Innenstadt von Werther aus als Ehepaar 19,60 Euro kostet. Ganz davon abgesehen, dass es sehr mühsam sei, den Einkauf vom Bus nach Hause zu schleppen. Nicht jeder wohne gleich neben einer Haltestelle, schreibt er. Busse und Bahnen sind jetzt schon voll Das ist die Lebenswirklichkeit der Menschen. Klar ist es richtig, dass möglichst viele ÖPNV fahren. Doch warum werden dann immer wieder die Preise erhöht. Warum spricht keiner über die Kapazitäten, denn zur Rush Hour sind die Bahnen und Busse jetzt schon voll. In Bielefeld gibt es zudem aktuell keine gut ausgebauten Park-and-Ride-Angebote. Solche, wo man parkt und direkt in die Stadtbahn einsteigen kann. Warum eigentlich nicht? Das hätte längst der Fall sein müssen. Absolut nicht nachzuvollziehen ist die Entscheidung von SPD und Grüne, dass Schulwegticket in Zukunft nicht kostenlos anzubieten. Ja, das kostet Geld. Es wird immer wieder betont, dass Bielefeld sich das nicht leisten kann. Hier würde sich die Verwendung der Millionen aber lohnen. Wir müssen es uns leisten können, Kinder von Anfang an an den ÖPNV heranzuführen, wenn wir die Idee des Verkehrswandels ernst nehmen wollen. Kann MoBiel eigenmächtig Parkplätze streichen? Kommen wir zu dem, was vor allem SPD und Grüne im Rat der Stadt am Donnerstag entschieden haben. Die Stadttochter MoBiel soll in Zukunft die Bewirtschaftung der städtischen Parkflächen übernehmen. Alle Flächen entlang der Straßen im gesamten Stadtgebiet? Das Büro des Oberbürgermeisters verweist darauf, dass dies nun geprüft werde. Alle Flächen stünden auf dem Prüfstand, was aber nicht bedeute, dass alle letztlich vergeben würden. Welche Möglichkeiten wird MoBiel künftig bekommen? Kann das Unternehmen eigenmächtig Parkplätze streichen? &bdquo;Das Modell ist noch nicht entschieden", heißt es. Warum heißt es im Antrag &bdquo;Sofortmaßnahmen". Die Antwort: &bdquo;Dass wir jetzt sofort prüfen." Aha. Das hinterlässt bei vielen mehr Frustration als Aufbruchstimmung. Eine Stadt, die ihre Bewohner von der Notwendigkeit einer Verkehrswende überzeugen will, muss anders agieren.

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