Der Wald ist für die Bielefelder so gefährlich wie lange nicht mehr

Bielefeld. Friedlich wirkt es im Wald am Blömkeberg. Ist es aber nicht. Hier, wie an vielen Stellen im Wald, müssen die Menschen jetzt ganz besonders gut aufpassen. Das betont Forstwirt Aaron Gellern, das betont auch Waldbesitzer Yorck Streitbörger. Grund: Der zweite heiße Sommer in Folge. Bäume, hier vor allem Buchen, sterben. Der Begriff ist sperrig: Buchenkomplexkrankheit. Dahinter verbirgt sich Dramatisches. Ein Mix aus Krankheiten, Pilzen, Buchen-Borkenkäfern, Wassermangel. Buchen, die für Laien auf den ersten Blick gesund aussehen, sind fast tot. &bdquo;Sie brechen in sich zusammen wie ein Hochhaus", sagt Gellern. Die Bäume fallen oft nicht mehr lang hin. Sie zersplittern aus sich selbst heraus. Alarmiert Waldbesitzer und Forst sind alarmiert. Streitbörger: &bdquo;Vor drei Wochen rief mich Förster Oehle an, es müssten dringend Buchen entlang der Wege gefällt werden." Eigentlich ist Streitbörger dazu nicht verpflichtet: Die Menschen betreten den Wald auf eigenes Risiko. Doch gerade er, in dessen Wald 2013 ein Kind an einem windstillen Tag von einem Baum erschlagen wurde, ist noch sensibler geworden. Damit steht er nicht alleine. Aus der Forst ist zu hören, dass Oehle die Gefahr so hoch einschätzte, dass er den Wald sperren lassen wollte. Das darf nur das Forstamt, nicht der private Eigentümer. Der ist durch diese Regel aus der Verantwortung. Im Forstamt entschied dann der Amtsleiter, den Wald nicht zu sperren. Der Aufwand dafür ist auch enorm, quasi nicht zu leisten, betont Gellern. Wer soll eine breitflächige Sperrung kontrollieren? Gellern: &bdquo;Das ist das allerletzte Mittel, technisch ist das fast unmöglich zu leisten." Angst vor Schnee Fakt ist: Der schlimmste Fall in dieser Zeit, in der viel mehr Bäume als üblich sterben, wäre nasser Schnee im Winter. Daran mag Gellern gar nicht denken. Am Blömkeberg wurde jetzt entschieden, sehr schnell zu fällen. 70 Buchen. Alle um die 100 Jahre alt. Alle direkt am Wegesrand. Doch das Fällen musste Mittwoch abgebrochen werden. Gellern: &bdquo;Der Druck der Bevölkerung war zu groß." Für ihn wie die Mitarbeiter des fällenden Unternehmens unfassbar: Spaziergänger, Hundebesitzer, Mountainbiker – viele von ihnen ignorierten Banner und Hinweisschilder, die keinen Zweifel an der tödlichen Gefahr lassen. Nun erhöhte Gellern die Zahl Menschen um 350 Prozent. Er, der als Ranger sein Büro in Bethel hat, bat um unbürokratische Hilfe in Bethel – und so kamen zum Schutz der Fällarbeiten den vier Mitarbeitern des Unternehmens acht Menschen von Bethels &bdquo;Pro Werk" und zwei Mitarbeiter des Forstamtes. Leben in Gefahr Gestern dann konnte weitergefällt werden. Gellern sagt mit Blick auf Mittwoch: &bdquo;Den Leuten ist nicht bewusst, dass ihr Leben in Gefahr ist." Viele interessiere nicht, dass gefällt werde, ihre Einstellung sei: &bdquo;Warum fällen die gerade jetzt, wo ich hier durch will?" Streitbörger: &bdquo;Die häufigste Auffassung ist die, dass der Wald der Allgemeinheit gehört." Dazu Gellern: &bdquo;Dabei gehen wir im Bielefelder Wald jeden zweiten Schritt auf Privatbesitz." Mehr als 320 Waldbauern gehört mehr als 50 Prozent des Waldes, Streitbörger ist ihr Vorsitzender. Und er sagt klipp und klar: &bdquo;Ich wollte hier in meinem Wald nicht warten, das ist mir zu gefährlich." Dass dabei im Hinterkopf auch die Tragik aus 2013 mitschwingt, ist logisch. Streitbörger: &bdquo;Damals aber war es ein Wahnsinnszufall, heute hingegen kann es schlicht und einfach überall hier passieren." Deshalb wird gefällt. Zusammenbrüche Auch hier hat sich einiges verändert. Weil die Bäume nicht kippen, sondern in sich zusammenbrechen, wird zunehmend mit hydraulischen Fällhilfen gearbeitet. Wurden früher Keile in den angesägten Baum geschlagen, reicht heute die Erschütterung aus, um den Baum zusammenbrechen zu lassen. Lebensgefahr. Deshalb wird erschütterungsfrei mit einem Hydraulik-Keil gearbeitet – wenn die Bürger die Holzfäller denn lassen.

Meistgelesen