Wie die Stadtbahn künftig noch mehr Bielefelder erreichen kann

Bielefeld. Vor zehn Jahren war die Euphorie noch groß. Nachdem die Stadtbahn seit Anfang der 1990er-Jahre durch den neuen Tunnel fuhr, waren die Fahrgastzahlen sprunghaft gestiegen. Das weckte Visionen, das Netz kräftig ausbauen zu können – mit dem Ziel, bis zu 100 Millionen Fahrgäste pro Jahr in Stadtbahn und Busse zu bringen. Doch wie realistisch ist das? &bdquo;MoBiel 2030" sollte 2008 nach den Hoffnungen von Stadt und den Stadtwerke-Verkehrsbetrieben MoBiel einen großen Schub für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs bringen. Das Wort Verkehrswende spielte damals zwar noch keine Rolle, doch heute würde &bdquo;MoBiel 2030" gut in die Mobilitätsstrategie der Stadt passen. 60 Millionen Fahrgäste Damals waren die Fahrgastzahlen im Bielefelder ÖPNV von 23 Millionen (1991) auf 41,5 Millionen geklettert. Mit der Unilinie 4 wuchsen sie weiter und durchbrachen 2018 gerade die 60-Millionen-Schallmauer. Deshalb hält sich der feste Glaube, dass ein Ausbau des Stadtbahnnetzes den Umstieg auf den ÖPNV am stärksten begünstigt. Dazu passte, dass die Planer 2008 noch teils sehr ambitionierte Ideen verfolgten: So stand als Alternative für die Verlängerung der 1 über die Paderborner Straße ein Tunnel als Durchbruch durch den Teuto zwischen Sieker oder Stieghorst im Raum, um Sennestadt anzuschließen. Ein Gedanke, der bei Cornelia Christian von MoBiel und Patrick Kühn vom Amt für Verkehr heute Heiterkeit auslöst. Tunnel als Vision Andere, weniger visionäre Projekte aus &bdquo;MoBiel 2030" sind schon umgesetzt: etwa die Verlängerung der 2 nach Altenhagen und der 4 ins Viertel Dürkopp Tor 6. Weitere sind immerhin im Planungsstadium, manche dürften aber eher in den Sternen stehen, selbst wenn Bürger und Politiker sie weiter fordern. Das gilt für die Anbindung Werthers über Großdornberg, wofür es einen neuen Bürgerantrag gibt, eine Verlängerung der 1 in Schildesche bis zur Talbrückenstraße, einen Abzweig der 1 nach Ummeln oder einen Anschluss des Oberlohmannshofs. Hier fehlt sogar noch die Verbindung nach Jöllenbeck als Verlängerung der Linie 3, die seit Jahrzehnten ergebnislos diskutiert, allerdings mit größeren Wohnbauplänen wie im Gebiet Neulandstraße in Theesen wieder interessanter wird. Kühn sagt aber: &bdquo;Wir haben keinen politischen Auftrag, weiter zu planen." Die größte Hoffnung auf einen Pusch fürs Stadtbahnnetz war die Linie 5, die oberirdisch Heepen und Sennestadt über den Jahnplatz verbinden sollte. Hier hatten die Planer ein Potenzial von mehr als 100.000 Fahrgästen im Jahr im Blick unter Einbeziehung angrenzender Gemeinden. Die Pläne waren weit gediehen, die Kapazitäten bei Stadt und MoBiel darauf gerichtet. Linie 5 ausgebremst Doch dann ließ sich Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) auf ein Bürgervotum ein – und das brachte die Linie 5 zu Fall. Die Planer waren geschockt. Damit hatten sie wie die Mehrheit der Politiker nicht gerechnet. Die ganze &bdquo;MoBiel 2030"-Strategie kam ins Wanken. Guter Rat war teuer. Einen &bdquo;Plan B" gab es nicht. Und weitere Netz-Verlängerungen wie nach Sennestadt oder Hillegossen, die bei einer Potenzialanalyse 2012 die besten Werte erhielten, waren noch in sehr frühem Stadium. Gleichzeitig drängte das neue Gesetz, wo nach alle Haltestellen bis 2022 barrierefrei auszustatten sind. Dutzende Hochbahnsteige mussten in Kürze geplant werden. Das Programm läuft noch. Klar war aber auch mit dem Aus für die Linie 5, dass Bielefelder dauerhaft an Hochflurtechnik gebunden ist. Eine Niederflurbahn zwischen Sennestadt und Heepen über den Jahnplatz hätte die Kapazität erhöht, aber den Tunnel, der ausgelastet ist, geschont. Christian: &bdquo;Niederflur ist nicht mehr wirtschaftlich." Trotzdem wird zur Sicherheit eine Trasse über den Jahnplatz frei gehalten. Als nächstes an steht die Verlängerung der Unilinie vom Lohmannshof bis zur Dürerstraße, gerade einmal gut ein Kilometer lang. Die 4 bindet hier den Campus Nord mit der Fachhochschule und das geplante Neubaugebiet Grünwaldstraße für bis zu 700 Bewohnern an. Hürden bei Netzausbau Als neue Version, in &bdquo;MoBiel 2030" aber auch schon enthalten, steht ein &bdquo;Ringschluss" der 4 mit der 3 in Babenhausen im Raum – in Kombination mit Neubaugebieten für bis zu 10.000 Menschen. Ein umstrittenes Großprojekt. Die besten Aussichten haben aktuell die Verlängerung der 1 nach Sennestadt, obwohl es auch hier viel Konfliktstoff bei der Trasse auf der bisherigen Landstraße und im Stadtteil gibt, sowie die Anbindung Hillegossens über die 3 aus Stieghorst oder die 2 aus Sieker. Hier sieht eine neue Studie die 2 als neuen Favoriten, begünstigt durch den Abzug der Briten. Die Zeit verrinnt Allerdings: Zu viel Euphorie ist auch hier nicht angesagt. Denn die Experten rechnen heute mit Planungs- und Bauprozessen von acht bis zehn Jahren. Verzögerungen wären keine Überraschung. 2030 ist schnell erreicht – auch ohne Tunnelbau. Selbst Stadtbahn-Befürworter zeigen sich deshalb offener für Bus-Alternativen, die schneller wirken könnten.

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