Games-Kritik

„Stalker 2: Heart of Chornobyl“ im Test: Auf der PS5 ein lohnender, störrischer Ausreißer

Die Zone ist zurück – schöner, tödlicher, aber nicht fehlerfrei. Wie viel Frust muss man für „Stalker 2“ auf der PS5 in Kauf nehmen? Wir haben das ausführlich getestet.

„Stalker 2: Heart of Chornobyl“ ist endlich auch auf der Playstation 5 (PS5) erhältlich. | © GSC Game World

Christian Lund
04.12.2025 | 04.12.2025, 20:25

„Stalker 2: Heart of Chornobyl“ ist endlich auch für die Playstation 5 veröffentlicht – ein Jahr nach dem PC- und Xbox-Release. Auch auf der PS5 ist das Spiel ein widersprüchliches Erlebnis: ein selten kompromissloser Trip in die Zone, der Atmosphäre und Anspruch über Komfort stellt – und sich genau damit zugleich unvergesslich und unnötig sperrig macht. Wer eine stromlinienförmige Shooter-Attraktion erwartet, prallt an diesem Spiel ab; wer sich auf seine Langsamkeit, seine Härte und seine Ruppigkeit einlässt, bekommt eines der eigenwilligsten Postapokalypse-Spiele dieser Generation.

„Stalker 2“ setzt die in Osteuropa kultisch verehrte Serie fort und verlegt den Spieler erneut in die Sperrzone rund um das havarierte Kernkraftwerk von Tschernobyl. Zwischen verfallenen Dörfern, verstrahlten Industriearealen und surrealen Anomalien erzählt das Spiel von Menschen, die im Schatten einer Katastrophe versuchen, aus Chaos und radioaktiven Wundern Profit, Sinn oder Erlösung zu schlagen.

Die ukrainischen Entwickler von GSC Game World inszenieren diese Welt nicht als Fantasy-Spielplatz, sondern als finstere Alternativrealität, deren Bilder zwangsläufig Anklänge an den realen Krieg in der Ukraine tragen. Gerade weil das Studio unter diesen Bedingungen jahrelang an „Stalker 2“ arbeitete, wirkt die dystopische Melancholie der Zone heute politischer und gegenwärtiger als in vielen anderen Endzeit-Spielen.

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Auf der PS5 erscheint das Spiel mit einem deutlichen Sicherheitsabstand zur PC- und Xbox-Premiere, die 2024 vor allem von Bugs und Performanceproblemen überschattet war. Die Konsolenversion hat inzwischen sichtbar zugelegt, bleibt aber in ihrer DNA ein raues, an manchen Stellen störrisches Erlebnis, das sich lieber treu bleibt, als sich dem Mainstream anzubiedern.

Worum geht’s in „Stalker 2: Heart of Chornobyl“?

Ein Stalker erkundet die gefährliche Zone, bewaffnet mit einem Strahlungsmesser, während verfallene Relikte der Vergangenheit im Hintergrund lauern. - © GSC Game World
Ein Stalker erkundet die gefährliche Zone, bewaffnet mit einem Strahlungsmesser, während verfallene Relikte der Vergangenheit im Hintergrund lauern. | © GSC Game World

Im Zentrum steht ein Stalker, ein illegaler Schatzsucher, der in die Sperrzone vordringt, um mächtige Artefakte zu bergen, Geheimnisse zu lüften und dem eigenen Schicksal auf den Grund zu gehen. Die Zone ist dabei weniger Kulisse als Gegenfigur: ein lebendiges, tödliches Ökosystem, das mit Mutanten, tödlichen Energiefeldern und mysteriösen Fraktionen auf jede Unachtsamkeit reagiert.

Die Geschichte entfaltet sich nicht als linearer Schlauch, sondern als verzweigte Odyssee durch neutrale Lager, verfeindete Gruppen und moralische Grauzonen. Entscheidungen über Allianzen, Verrat oder bloßes Wegsehen schlagen sich im Verlauf der Handlung nieder, verändern Beziehungen zu Fraktionen und können den Weg zu unterschiedlichen Enden ebnen.

Zwischen Haupt- und Nebenmissionen verbringt man viel Zeit damit, durch offenes Gelände zu streifen, Spuren zu lesen, Funksprüche zu belauschen und Artefakte aufzuspüren, die nur mithilfe spezieller Detektoren und teilweise furchtbar riskanter Anomalien-Puzzles erreichbar sind. Rollenspielhafte Systeme wie Waffenmodifikationen, Ressourcenmanagement und ein harsches Schadensmodell zwingen dazu, jede Kugel und jeden Verband zu planen, statt sorglos durch Gegnergruppen zu sprinten. Das muss man wollen.

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Was hat uns gefallen?

Die größte Stärke von „Stalker 2“ ist seine Welt, und zwar nicht im banalen „Open World“-Sinn, sondern als atmosphärisches Geflecht aus Topografie, Geschichten und unterschwelliger Bedrohung. Verrostete Kräne zeichnen sich im verhangenen Himmel ab, Wind pfeift durch zerbrochene Fenster, irgendwo in der Ferne knallt ein Schuss – selten fühlte sich eine digitale Landschaft so konsequent feindlich, aber eben auch glaubhaft bewohnt an.

Diese Dichte entsteht nicht durch übervolle Karten, sondern durch gezielte Leerräume: Wege, auf denen minutenlang nichts passiert, bis plötzlich ein Anomaliensturm losbricht oder eine Patrouille den eigenen Plan durchkreuzt. Das Spiel vertraut darauf, dass Spannung aus Unsicherheit entsteht – aus der Angst, hinter der nächsten Kuppe einen unsichtbaren Tod zu finden, nicht aus stetigen Explosionen.

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Stalker in der Zone: Eine Gruppe von Schatzsuchern macht Rast in der gefährlichen, aber faszinierenden Welt von „Stalker 2: Heart of Chornobyl“. - © GSC Game World
Stalker in der Zone: Eine Gruppe von Schatzsuchern macht Rast in der gefährlichen, aber faszinierenden Welt von „Stalker 2: Heart of Chornobyl“. | © GSC Game World

Narrativ überzeugt „Stalker 2“ immer dann, wenn es leise bleibt: wenn Lagerfeuer-Gespräche von verlorenen Familien erzählen, wenn Nebenquests kleine Tragödien an den Rand des Hauptplots schieben oder wenn scheinbar banale Jobs unvorhergesehen eskalieren. Die Zone wird so zur Sammlung von Miniaturen, in denen Überlebenswillen, Zynismus und Fatalismus in ständigem Clinch liegen – eine konsequent osteuropäische Antwort auf die glattgebügelte Weltuntergangsästhetik vieler westlicher Blockbuster.

Auch spielmechanisch wagt „Stalker 2“ mehr Eigenwilligkeit als der Genre-Durchschnitt. Die Mischung aus taktischem Schusswechsel, Survival-Elementen und immersiver Simulation zwingt dazu, Gelände zu lesen, Deckung auszunutzen und Begegnungen nach Möglichkeit zu umgehen, statt sie heroisch aufzusaugen. Besonders auf höheren Schwierigkeitsgraden fühlt sich jeder gelungene Überfall wie ein kleiner Triumph an, weil Planung, Positionierung und Improvisation wichtiger sind als bloßes Reaktionsvermögen.

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Hervorzuheben ist auch das Fraktionssystem, das in „Stalker 2“ komplexer geworden ist. Pfade überschneiden sich, Allianzen verschieben sich, ehemalige Feinde arbeiten widerwillig zusammen – politische Mikrodramen, die sich nicht in simplen Gut-Böse-Schablonen auflösen und dem Spiel eine seltene Ambivalenz verleihen.

Technisch profitiert die PS5-Version klar von der Reifezeit nach der Erstveröffentlichung. Stabilere Bildraten, reduzierte Pop-ins und die Nutzung von DualSense-Features wie adaptiven Triggern und haptischem Feedback sorgen dafür, dass sich Waffen, Regen und Explosionen körperlicher anfühlen, ohne die Hardware an ihre Grenzen zu treiben. Der Performance-Modus mit 60 Bildern pro Sekunde ist dabei die naheliegende Wahl für alle, die in der Zone lieber überleben als hübsche Screenshots zu sammeln.

Was hat uns nicht gefallen?

Inventar-Management in „Stalker 2: Heart of Chornobyl“ – strategische Planung ist unerlässlich für das Überleben in der Zone. - © GSC Game World
Inventar-Management in „Stalker 2: Heart of Chornobyl“ – strategische Planung ist unerlässlich für das Überleben in der Zone. | © GSC Game World

So faszinierend „Stalker 2“ als Welt ist, so frustrierend ist es immer wieder als Shooter. Die Ballerei bleibt im Kern schwammig, Trefferfeedback und Waffenhandling erreichen nie die Präzision moderner Genre-Größen, was gerade in intensiven Gefechten für unnötigen Frust sorgt. Die Gegner-KI schwankt dabei zwischen übermenschlicher Scharfschützenpräzision und blindem Ansturm, was nicht nach cleverer Unberechenbarkeit, sondern nach unbalancierter Umsetzung wirkt.

Auch wenn die PS5-Fassung deutlich solider läuft als die Frühversionen auf anderen Plattformen, ist die Zone weiterhin kein technisch sauberer Ort. Kleinere Bugs, gelegentliche Stotterer beim Streifen durch die Welt und vereinzelte Script-Hakeleien bei Quests erinnern daran, dass dieses Spiel lange mit seiner eigenen Produktionshölle gerungen hat – und dass die letzte Politur offenbar dem schieren Umfang geopfert wurde.

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Eine Anomalie in der Zone: Die bedrohliche Schönheit von „Stalker 2: Heart of Chornobyl“ auf der PS5 zeigt sich in surrealen Szenen. - © GSC Game World
Eine Anomalie in der Zone: Die bedrohliche Schönheit von „Stalker 2: Heart of Chornobyl“ auf der PS5 zeigt sich in surrealen Szenen. | © GSC Game World

Spielerisch zahlt „Stalker 2“ einen Preis für seine Kompromisslosigkeit: Die Einstiegshürde ist brutal hoch, Tutorials sind knapp, Systeme erklären sich nur unwillig. Wer nicht bereit ist, in Foren nachzulesen, Fehler zu machen und sich den eigenen Weg durch die Zone zu ertasten, wird früh das Gefühl haben, mehr vom Spiel bestraft als herausgefordert zu werden – ein Design, das in Zeiten maximaler Zugänglichkeit bewusst anachronistisch wirkt.

Schließlich bleibt die strukturelle Härte der Spielmechanik ambivalent. Das strikte Ressourcenmanagement, die teils krassen Schwierigkeits-Spitzen und die bewusst spärlich gesetzten Komfortfunktionen erzeugen zwar eine eindringliche Survival-Fantasie, schließen aber einen Teil der Spielerinnen und Spieler faktisch aus. Hier hätte ein optionaler Zugänglichkeitslayer – etwa in Form besserer Checkpoints oder klarerer Schwierigkeitsabstufungen – der Vision nicht geschadet, sondern sie eher mehr Spielern überhaupt zugänglich gemacht.

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Unser Fazit zu „Stalker 2: Heart of Chornobyl“

Ein gefährlicher Mutant greift uns in der postapokalyptischen Welt von „Stalker 2: Heart of Chornobyl“ an. - © GSC Game World
Ein gefährlicher Mutant greift uns in der postapokalyptischen Welt von „Stalker 2: Heart of Chornobyl“ an. | © GSC Game World

„Stalker 2: Heart of Chornobyl“ auf PS5 ist kein Spiel, das um Sympathie buhlt – es erwartet sie. Es ist kantig, fehlerbehaftet und gnadenlos, aber zugleich voller Momente, wie sie nur entstehen, wenn ein Studio seiner eigenen Vision mehr verpflichtet ist als irgendwelchen Marktstudien und Trends.

Wer einen launigen Wochenend-Shooter sucht, wird hier mit Ansage unglücklich; wer sich hingegen auf eine fordernde, ungeschönte Reise in eine der eigenwilligsten Spielewelten der letzten Jahre einlassen will, findet in „Stalker 2“ einen widerspenstigen, aber letztlich lohnenden Begleiter. In Zeiten, in denen sich viele Blockbuster angleichen, ist dieses Spiel ein störrischer Ausreißer – und gerade deshalb wichtiger, als es seine Macken vermuten lassen.

„Stalker 2: Heart of Chornobyl“ ist seit dem 20. November 2024 für PC und Xbox Series X|S sowie seit dem 20. November 2025 für Playstation 5 erhältlich und kostet 60 Euro. Das Spiel ist ab 18 Jahren freigegeben.

Transparenzhinweis: Für diesen Test wurde uns vom Publisher ein kostenloser Review-Code zur Verfügung gestellt. Dies hatte keinen Einfluss auf unsere Wertung. Wir haben das Spiel auf der Playstation 5 Pro getestet.

INFORMATION


Kaufempfehlung

Atmosphäre-Fans & Hardcore-Survival-Spielerinnen und -Spieler: Pflichtkauf! „Stalker 2“ ist gnadenlos, dicht, unvergesslich – ein einzigartiger Trip in die Zone, der sich Zeit nimmt und volle Aufmerksamkeit fordert.

Story- und Immersionsspielerinnen und -Spieler: Die Welt, die Fraktionen und die melancholischen Mini-Geschichten gehören zum Besten des Genres. Wer Atmosphäre über Komfort stellt, wird belohnt.

Shooter-Fans auf der Suche nach Präzision: Nur eingeschränkt zu empfehlen: Waffenhandling und KI bleiben unberechenbar und teils frustrierend.

Komfortspieler & Neulinge: Hohe Einstiegshürde, wenig Erklärungen, hartes Ressourcenmanagement. Nur geeignet, wenn man bereit ist, sich vollständig einzuarbeiten.