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"Tony Hawk's Pro Skater Remake" im Test: Der alte Mann kann's noch

Der Meister mag gealtert sein, seine Spielereihe hat jedoch nichts verlernt.

Tony Hawk mag mittlerweile graue Haare haben, im Spiel hat er nichts verlernt. | © Activision

Björn Vahle
13.09.2020 | 17.08.2021, 15:58

Das Spiel hat mich schon, als der Vorspann zum ersten Mal läuft. "Guerrilla Radio" von Rage Against the Machine brüllt zum Sound von Skateboard-Rollen und einem Video mit Tricks der besten Skater der Welt aus den Lautsprechern. So war es 1999, und so ist es 2020. Tony Hawk mag gealtert sein, seine Spielereihe hat jedoch nichts verlernt.

Sie überkommt kein wohliges Gefühl, wenn Sie von "Tony Hawk's Pro Skater" lesen? Das ist nichts Verwerfliches, aber natürlich eine klare popkulturelle Wissenslücke. "Tony Hawk's Pro Skater" begleitete nicht nur eine ganze Generation durch die ersten Erfahrungen mit Computer- und Konsolen-Spielen, sie machte Skateboarding weltweit größer als es der legendäre Trick des Namensgebers, der "900", jemals vermocht hätte.

Zu großartig war das Gefühl, zu treibenden Rock -und Hip-Hop-Songs durch verwinkelte Skateparks, über Schulhöfe, Flugzeughangars, die Straßen von New York und sogar über den Mond zu skaten. Namen von Skatetricks wie "Judo", "Madonna", "Christ Air" oder "Kickflip" waren Standardvokabular, die dazugehörigen Tastenkombinationen hätten wir im Schlaf auf die Tastatur oder den Controller hacken können. Und der Soundtrack brachte uns Bands wie Papa Roach, Bad Religion und Millencolin bei.

Zwei Spiele in einem - und das mit besserer Grafik

Zugegeben, auf den Tasten sind wir vor dem ersten Start des Remakes ein wenig eingerostet. Aber die Finger erinnern sich so schnell ihrer alten Kraft, wie die des Königs von Rohan, als er sein Schwert packt. Denn dem Remake, das spendablerweise gleich die ersten beiden Serienteile in ein zeitgemäßes Grafik- und Technikgerüst überführt hat, merkt man kaum an, dass es nicht das Original ist.

Was 2000 noch arg pixelig daher kam, sieht heute schon wesentlich besser aus: der Schulhof aus dem zweiten Serienteil. - © Activision
Was 2000 noch arg pixelig daher kam, sieht heute schon wesentlich besser aus: der Schulhof aus dem zweiten Serienteil. | © Activision

So sehr haben die Entwickler das Fahrgefühl von vor 21 Jahren konserviert, dass sich sogar das Gefühl für den eigenen Wendekreis, das Timing beim Grinden oder den Absprung in der Halfpipe genauso anfühlen und spielen wie damals. Sogar der Sound beim Navigieren durch die Menüs, der wie aufsetzende Skateboard-Rollen klingt, erinnert an das Original. Und der Soundtrack wurde umfangreich um die Komponente Hip Hop erweitert.

Macht das immer noch Spaß?

Mangelnde Liebe zum Detail kann man hier also niemandem vorwerfen. Auch die einzelnen Parks, die man nach und nach freischaltet, bringen dieselben Ziele mit wie damals ("Finde das versteckte Tape") und funktionieren ganz ähnlich, sehen aber einfach schicker aus. Aber macht ein Spiel nach so langer Zeit genauso viel und so lange Spaß? Die Antwort ist ein inbrünstiges Jein.

Remakes sind gerade schwer angesagt. Final Fantasy 7, Warcraft 3 und etliche andere Highlights bekommen Neuauflagen oder Überarbeitungen spendiert. Und unter Fans findet man nicht selten die Meinung, wenn Spielemacher bloß einen alten Hit in ein optisch neues Gewand kleiden würden, die Liebe und das Geld der Spielerschaft wäre ihnen gewiss. Ganz so einfach ist es aber nicht, auch nicht mit "Tony Hawk's Pro Skater".

Die Level sind detailgetreu nachgebaut - neue Wege oder Geheimnisse sucht man hier allerdings vergebens. - © Activision
Die Level sind detailgetreu nachgebaut - neue Wege oder Geheimnisse sucht man hier allerdings vergebens. | © Activision

Wer sich erinnert, hat weniger lange was davon

Denn so wunderbar automatisch der Flow des Spielgefühls Kennern wieder aus den Fingern geht, so sehr ist es eben auch limitiert. Klar, die Anzahl der erlernbaren Tricks ist so groß wie die Skaterauswahl, die sogar noch um aktuelle Gesichter (und mehr Frauen) erweitert wurde. Oben drauf haben die Entwickler allerhand freischaltbare Outfits, Boards, Sticker, Tattoos und so weiter eingebaut sowie Challenges, die die Motivation hochhalten sollen. Das funktioniert auch, weil die Mechanik heute selbstverständlicher Bestandteil so vieler Spiele ist.

Es kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die einzelnen Areale für heutige Verhältnisse mickrig sind. Und wer die verborgenen Wege und Ausfahrten noch kennt, der ist hier eben auch schnell wieder mit allen Parks und Aufgaben durch. Immerhin dauert jeder Run nur zwischen einer und zwei Minuten.

Highscores sind plötzlich wieder cool

Da hilft dann auch nicht, dass man das ganze nochmal mit allen anderen Skatern schaffen könnte, die noch nicht hochgelevelt sind. Das hat damals ja schon kaum einer gemacht. Ob selbst nostalgischste Fans dann bereit sind, den Vollpreis für diesen Nostalgietrip zu bezahlen, wird sich zeigen.

Die neue Beleuchtung und der erhöhte Detailgrad lässt das nächtliche Straßenlevel in neuem Glanz erstrahlen. - © Activision
Die neue Beleuchtung und der erhöhte Detailgrad lässt das nächtliche Straßenlevel in neuem Glanz erstrahlen. | © Activision

Immerhin: Das Gefühl, jetzt aber im nächsten Run ganz bestimmt die richtige Combo für den Highscore zu schaffen, stellt sich heute wie damals ein. Und wenn die Punktzahl dann auf dem Konto einschlägt, weiß man auch wieder, warum Highscores so lange Fixpunkt des Spieldesigns war. Bis dahin vergehen die Stunden jedenfalls schneller als man "360 Varial McTwist" buchstabiert hat.

Doch so sehr ich die Stunden mit der Neuauflage genossen habe, so schnell erinnerte ich mich auch daran, was mich damals genervt hat. Das ständige Zurückkehren in frühere Parks zum Beispiel, weil erst mit mehr Skills auch die letzten Aufgaben zu erfüllen waren. Cool dagegen: Statt zu cheaten, lassen sich im Menü gleich mehrere perfekte Skills zuschalten. Dann gibt's zwar keinen Fortschritt, aber immerhin auch keine gequetschten Weichteile beim verbockten Grinden auf Stahlgeländern.

Fazit: Tony Hawk ist in diesem Jahr 52 geworden - und er skatet immer noch. Die Analogie passt perfekt auf das Remake dieses Klassikers. Auf ein grafisch und spielmechanisch weitgehend aktuelles Niveau gehievt, bewahrt es sich die Stärken und vor allem das Gefühl des Flows beim Skaten, das die Reihe schon damals tierisch gut zu erzeugen wusste. Bekloppte Ziele, wahnwitzige Tricks, irre Kombos - dafür schmissen wir schon damals die Konsolen und PCs an. Ob jemand, der die Originale nicht kennt, genauso viel Spaß haben wird, ist dagegen schwer zu beantworten. Sicher ist aber: Es gäbe keine bessere Gelegenheit es herauszufinden, als mit dieser Neuauflage.

"Tony Hawk's Pro Skater 1+2 Remake" ist ab 6 Jahren freigegeben, für PC, Xbox One und Playstation 4 erhältlich und kostet rund 45 Euro.