Kommentar

Charly Hübner verlässt "Polizeiruf 110": Ist das Euer Ernst?

Zwölf Jahre lang hat Charly Hübner im "Polizeiruf 110" aus Rostock den kantigen Kommissar Sascha Bukow gespielt. Nun hört er auf eigenen Wunsch hin auf. Unser Autor ist entsetzt.

Charly Hübner als Alexander "Sascha" Bukow und Partnerin Katrin König, gespielt von Anneke Kim Sarnau. | © NDR/Christine Schroeder

Christian Lund
12.05.2021 | 12.05.2021, 15:09

Ist das Euer Ernst? Ob das Euer Ernst ist, habe ich Euch gefragt! Das heutige Bergfest dieser Woche, das Gefühl, wieder einen Tag näher an den nächsten Rostocker "Polizeiruf" gerückt zu sein, wird jäh getrübt durch die Nachricht, dass Charly Hübner nach zwölf Jahren den "Polizeiruf" verlassen will. Ganz ehrlich: warum lässt man das zu? Und wie hoch war die Ablösesumme, dass der NDR-Programmdirektor den einfach ziehen lässt?

Warum ich so sauer bin? Weil wir jetzt zwölf Jahre nicht bloß zugesehen haben. Wir haben zwölf Jahre mitgelitten, mitgefiebert, mitgeheult und mitgetrunken. Wir haben die Ehe von Hauptkommissar Alexander "Sascha" Bukow (den übrigens fast niemand beim Vornamen nennt) in die Brüche gehen sehen - vor seinen Augen, denn die Affäre und der neue Mann ist Kollege Volker Thiesler.

Wir haben aber vor allem erlebt, wie Bukow und König, die Kollegin, die ursprünglich wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit auf ihn angesetzt war (und die er immer nur "Frau König" nennt), sich näher kamen. In minutiös kleinen Schritten. Als müsse man den Ents aus "Herr der Ringe", die bekannt dafür sind, dass sie etliche Jahre für eine Entscheidung brauchen, beim Verlieben zusehen.

"Ich hab doch nur Sie"

Es ist rund ein Jahr her. In der Folge "Rostocks Söhne" macht der sonst so ruppige Bukow Andeutungen, die für seine Verhältnisse offenherzig und das pochende Herz auf dem Silbertablett präsentierend daherkommen. Bukow achtet plötzlich auf sein Äußeres. Trägt andere Schuhe. Fällt aber natürlich nur denjenigen auf, die aus Gründen ihre Mitmenschen deutlicher mustern. Sagt Frau König also: "Neue Schuhe?" Darauf Bukow: "Ja, hab ich wegen Ihnen gekauft." Darauf Frau König: "Wegen mir?" Darauf Bukow: "Ja, wegen Ihnen. Ich hab' doch nur Sie."

Spätestens seit dieser emotionalen Szene verbrachten wir die ohnehin viel zu wenigen Folgen des Rostocker "Polizeirufs" händeringend vor dem Bildschirm und sagten Dinge wie: "Maaaaan! Jetzt sag es ihr doch!" Oder: "Küssen! Küss ihn!" Weil Bukow einfach seinen inneren, vor Liebe waidwund getroffenen und aus Erfahrungen der Vergangenheit an der kurzen Leine gehaltenen Schweinehund nicht überwinden konnte.

Holger Gertz hat in der Süddeutschen Zeitung mal sehr schön beschrieben, was das eigentliche Problem ist: Bukow und König gehören beide zur Gruppe der "Alleiner". Ein Begriff, den Franz "Münte" Müntefering mal über sich selbst gesagt hat. Menschen dieser Spezies verschließen ihr Innenleben vor anderen. Leiden allein. Trinken allein. Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in einem gemeinsamen Interview mit Müntefering mal gesagt, dass er ihn gerne zum Freund hätte. Müntefering darauf: "Ich bin kein Kumpel." Hätte Bukow auch gesagt, wäre in seine Karre gestiegen und ans Meer gefahren.

Neun Monate müssen wir warten

Bukow und König haben sich mit uns Zuschauern an ihrer wachsenden Liebe abgearbeitet. All unser Bangen und Hoffen fand einen jubelnden Höhepunkt, als König den um seinen toten Vater trauernden Bukow im Juni 2020 ("Der Tag wird kommen") tröstend küsst. Neun Monate müssen wir auf die sehenswerte Fortsetzung ("Sabine") warten, in der Bukow und König endlich ein Paar sind. In der sie ihre Zuneigung strahlend genießen. Und in der wir am Ende schwer geschockt sind, weil wir glauben, Bukow sei tödlich verletzt worden.

Jetzt steht Bukow nur noch einmal wieder auf? Für eine letzte Folge? Zwölf Jahre Leid, und dann ist nach zwei Folgen Schluss mit Liebe? Das ist wirklich hart. Da wird mit Zuschauerherzen Pingpong gespielt. Da lässt man einen ziehen, den man nicht ziehen lassen sollte. Wo man den Bukow machen sollte. Als König sich mal nach Berlin beworben hat und auch die Zusage bekommt, bittet Bukow sie, seinetwegen in Rostock zu bleiben. Wo sind die Bukows in der NDR-Programmdirektion, frage ich!

Hab ich schon gesagt, dass das hart ist? Das ist wirklich, wirklich hart. Wir können nur hoffen, dass Bukow nicht stirbt. Denn das verkraftet Frau König nicht. Und wir Zuschauer schonmal gar nicht.

INFORMATION


Jeden Donnerstag vor einer Erstausstrahlung erscheint hier auf nw.de der Vorab-Check zum aktuellen "Polizeiruf" oder Tatort".