
Aufatmen bei Tatort-Fans: Folgen aus der Schweiz sind ab sofort kein Garant mehr für Ödnis. Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) beweisen in ihrem zweiten Fall, dass auch aus der Alpenrepublik starkes Krimivergnügen kommen kann. Das Publikum könnte dies nach Jahren mit Reto Flückiger und Liz Ritschard, dem ehemaligen Ermittlerteam aus Luzern, vergessen haben. Der Schnellcheck von "Schoggiläbe" (28. Februar):
Geschichte
In einer Villa wird die übel zugerichtete Leiche eines Schokoladen-Unternehmers gefunden. Das Opfer leitete die renommierte Schokoladenfabrik gemeinsam mit seiner Tochter Claire (Elisa Plüss). Offenbar war der Firmenchef zu seinen Lebzeiten schwer depressiv. Seine Homosexualität wurde von der eigenen Familie nie akzeptiert. Seine Mutter Mathilde (Sibylle Brunner) hielt nicht viel von ihrem schwulen Sohn und hält damit auch nicht hinterm Berg. Nach dessen Ermordung will Mutti nun zurück an die Unternehmensspitze. Enkelin Claire hält nichts von diesem Plan.
Konflikt
"Schoggiläbe" ist Schwizerdütsch und heißt Schokoladenleben, bedeutet also so viel wie "ein Leben auf der Sonnenseite führen". Der Fall zieht das Züricher Tatort-Team in das Leben einer Familie, die, von außen betrachtet, ein solches Leben führen sollte. Profilerin Ott kennt solch ein Leben: Der Fall zieht sie zurück zu ihren Wurzeln, der noblen Wohngegend am Zürichberg. Schnell wird klar: Der Schein trügt. Hinter den Fassaden der Villen tun sich Abgründe auf. Der schöne Schein trifft auf die emotional verkommene Wahrheit. Und nebenbei geht es auch um den inneren Konflikt von Grandjean, die mit Zürich hadert - und Ott, die lebensgefährliche Probleme mit ihrer Dienstwaffe hat.
Atmosphäre
Eine Besonderheit dieses Teams ist die Unaufgeregtheit, mit der ihre Story erzählt wird. Das weibliche Ermittlerduo und auch die von Rachel Braunschweig gespielte Staatsanwältin Anita Wegenast spielen hier in einer Art ruhigem Flow, ganz ohne Langeweile aufkommen zu lassen. Da kommt eine tolle, fast schon entspannende, aber dichte Atmosphäre zustande. Spannend sind übrigens auch die teils entrückt wirkenden Mitglieder der Schoko-Familie.
Wow-Momente
Gibt es auch, denn Viviane Andereggen (Regie) und die Autoren Stefan Brunner und Lorenz Langenegger spielen hier mit der vierten Wand, lassen die Figuren also direkt zum Publikum sprechen und lenken den Fokus nur ganz kurz auf Fragen, die komplett außerhalb des Falls stehen. Das Durchbrechen der vierten Wand ist ganz und gar kein neues Stilmittel. Wirkt in dieser Tatort-Folge aber überraschend und erfrischend.
Bisherige Auftritte
Carol Schuler, Jahrgang 1987, ist eine Sängerin und Schauspielerin aus der Schweiz. Neben Auftritten auf der Bühne etwa am Schauspielhaus Zürich war sie unter anderem 2012 neben Alexandra Maria Lara im Film "Nachtlärm" zu sehen, neben Jürgen Vogel in "Blochin - Die Lebenden und die Toten" und in der fünften Staffel der Serie "Homeland". Anna Pieri Zuercher, geboren 1979, ist ebenfalls eine Schweizer Schauspielerin. Sie spielte in der Serie "Station Horizon" mit und erhielt 2019 für ihre Darstellung in der Serie "Doppelleben" mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet.
Fazit
"Schoggiläbe" ist eine sehr sehenswerte Folge mit einem starken Ermittlerduo.
Ausblick
Im nächsten Tatort geht es nach Kiel. Anlässlich des Internationalen Frauentages zeigt ist "Borowski und die Angst der weißen Männer" zu sehen. Die Folge thematisiert, wie Hass gegen Frauen im Internet von rechten Gruppierungen instrumentalisiert wird.