
Köln. Es ist eine dunkle Zukunftsvision: Ganz Europa ist im Chaos versunken, fast überall haben Rechtsextreme die Macht ergriffen. In Deutschland herrscht Willkür und Gewalt. Die letzte freie Zeitung wird geschlossen, ihre Journalisten verhaftet. Aus dem demokratischen Staat, der Deutschland einmal war, ist ein totalitäres, faschistisches System geworden, das Andersdenkende, Muslime und Homosexuelle verfolgt.
Für Familie Schneider aus Düsseldorf steht fest: "Wir müssen hier weg." Der politisch verfolgte Anwalt Jan Schneider (Fabian Busch) flieht im Flüchtlingsboot mit seiner Familie nach Südafrika, verliert auf der Reise seinen kleinen Sohn. Im Flüchtlingscamp kämpfen Sarah, Nora und Jan gegen ihre Abschiebung nach Deutschland.
Der ARD-Film "Aufbruch ins Ungewisse", der am Mittwochabend ausgestrahlt wurde, zeigt eine Flüchtlingsgeschichte - allerdings aus rein deutscher Perspektive. Dabei zieht der Fernsehfilm deutliche Parallelen zur aktuellen Situation: Noch im Flüchtlingscamp behauptet Tochter Nora (Athena Strates): "Wenn die nicht alle früher zu uns gekommen wären, dann hätte es in Deutschland gar keine Probleme gegeben."
Rechte verabreden sich zum Trollen

Wodurch genau der Zerfall Europas ausgelöst wurde, lässt der Film offen. Mit einer kontroversen Diskussion dürfte die ARD also gerechnet haben. Die Reaktionen folgten prompt: Schon vorab bezeichnete die Bild-Zeitung den Film als Skandal - und als schlagendes Beispiel für Rassismus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: "Meint die ARD etwa, dass Deutsche kein Mitgefühl empfinden, wenn sie einen Film über Afrikaner, Araber oder Iraner sehen? Müssen Flüchtlingskinder blondes Haar haben und Nick und Nora heißen, damit deutsche Eltern vor dem Fernseher eine Träne vergießen?", heißt es in einem Kommentar.
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Völlig aus der Fassung bringt der ARD-Film jedoch die rechte Szene: In Foren hatten Aktivisten schon Tage vor der Ausstrahlung eine Kampagne vorbereitet, um die Diskussion über den Film in den sozialen Netzwerken massiv zu stören. In einem Post im rechten Forum "Reconquista Germanica" wurde dazu aufgerufen, "Memes" vorzubreiten und zwischen fünf und zehn Twitter-Konten anzulegen. Damit sollten der Hashtag #AufbruchinsUngewisse sowie die Kommentarspalten der ARD auf Facebook gezielt überflutet werden.
Die Tagesschau hatte zuerst über die gezielte Aktion berichtet. Laut dem Artikel hatte die virtuelle Trollfabrik bereits die AfD im Wahlkampf unterstützt. Immer wieder verbreiten die Mitglieder des Forums gezielt Falschmeldungen mit Hilfe von Fake-Accounts. In einem "Handbuch für Medienguerillas" beschreiben die Aktivisten auch genau, wie man dabei vorgehen muss.
"Folge/ Like die Accounts (bzw infiltriere Foren) von allen Parteien, insbesondere den Grünen, bekannten Feministinnen, Regierungslakaien wie Till Schweiger oder Böhmermann und sämtlicher Propaganda-Regierungspresse, wie ARD, ZDF, Spiegel und dem Rest der Fake-News-Mischpoke. (...) Und sobald Du siehst, dass Sie wieder ihre Lügen und ihr Gift in die Welt verspritzen, sag ihnen die Meinung, verwickel sie in Diskussionen, markiere ihre Lügen als #fakenews und trolle den Fick aus ihnen heraus."
ARD reagiert auf Hass-Posts
In den sozialen Netzwerken war der Trollsturm während der Ausstrahlung deutlich zu spüren: Auf den Facebook-Seiten der ARD stürmten Fake-Profile die Kommentarspalten mit Zwischenrufen wie "Staatsfunk" und "Propaganda-Schwachsinn". Unter dem Twitter-Hashtag #AufbruchinsUngewisse melden sich unzählige Fake-Nutzer, um gegen Flüchtlinge und den Rundfunkbeitrag zu wettern.
Das Erste machte während der Ausstrahlung auf Twitter darauf aufmerksam:
Auch andere Twitter-Nutzer kommentierten die Aktion der Rechten: