Bielefeld. Plötzlich juckt es auf der Haut. Waren diese Pusteln gestern schon da? „Na ja, wird schon von alleine wieder weggehen“, denken die meisten Menschen in dieser Situation. Und oft haben sie damit recht. Doch oft auch nicht. Schon am nächsten Tag sind aus den Pusteln plötzlich rote Blasen geworden. Oder es hat sich ein leichtes Ziehen im Ellbogen zu einem stechenden Schmerz entwickelt. Die Erkrankung jedenfalls ist spürbar schlimmer geworden. Es wächst die Gewissheit, dass es Zeit wird, einen Facharzt aufzusuchen.
Abgewimmelt am Telefon
Ab diesem Moment beginnt meist die Tortur. Denn spontan, so zeigte ein Selbstversuch, ist es unmöglich, etwa bei einem Hautarzt in Bielefeld einen Termin zu bekommen. Dafür bekommt man folgende Antworten:
„Wir nehmen niemanden mehr auf“,
„In vier Monaten hätte ich einen Termin frei“
„Sagen sie mir bitte erstmal, ob sie gesetzlich oder privat versichert sind“
Darf der Patient abgelehnt werden?
Einen Termin erst in vier Monaten wahrzunehmen, ist natürlich keine Option. Schließlich ist die Erkrankung ja akut. Die anderen Antworten sind für den Patienten noch schlimmer. Bleibt die Frage: hat man in Deutschland keinen Anspruch darauf, von einem Facharzt behandelt zu werden? „Doch“, sagt Georg Stamelos, Pressesprecher der VIACTIV Krankenkasse. „Grundsätzlich hat jeder Versicherte Anspruch auf ärztliche Behandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.“
Im Fall des Beispiels der Hauterkrankung treffen einige dieser Faktoren zu. Der Logik nach hätte demnach kein Arzt eine Behandlung ablehnen dürfen, oder? „Kassenärzte, die an der medizinischen Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten teilnehmen, sind in der Regel zur Behandlung verpflichtet“, erklärt Stamelos. Allerdings könne ein Arzt Patienten aber eben doch ablehnen, wenn triftige Gründe vorliegen. Diese, so erklärt Stamelos, können sein:
- Der betroffene Arzt ist überlastet, weil er bereits viele Patienten zu behandeln hat (und deren Versorgung dann gefährdet ist)
- Das Vertrauen im Arzt/Patientenverhältnis gestört oder zerstört ist, etwa bei Drohung und Beleidigung
- Die Erkrankung fällt nicht in das Fachgebiet des Arztes
- Der Patient verlangt nicht indizierte oder unwirtschaftliche Leistungen
- Über 18-jährige Patienten legen keine Gesundheitskarte vor
Wann ist man ein Notfall?
Grundsätzlich gilt laut Stamelos, dass immer der Einzelfall entscheidet. „Außer wenn es um die Behandlung von Notfällen geht.“ Gemeint damit ist die Versorgung von Patienten, die ohne sofortige medizinische Behandlung schwere bleibende Schäden erleiden, bis hin zum Tod. „Die Einschätzung, ob man ein Akut- oder Notfall ist obliegt aber natürlich immer dem Arzt“, sagt Stamelos. Das dieser einen Hautausschlag als Notfall einstuft, ist eher nicht anzunehmen.
Das kann man tun, um einen Termin zu bekommen
Wie soll man sich aber als Patient verhalten, wenn man akut zum Facharzt muss und möchte? Oft helfe es, erklärt der Krankenkassensprecher, zunächst den Hausarzt aufzusuchen. Dieser könne eine fundierte Einschätzung abgeben und eventuell auch schon eine Behandlungsmethode vorschlagen oder eine Überweisung zum Facharzt ausstellen, die das Verfahren oft beschleunige. „Es gibt leider nicht den ganz einfachen Weg“, erklärt Stamelos, „die Bevorzugung von Privatpatienten muss man aber nicht hinnehmen. Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage!“ Bei komplizierten Fällen kann, so Stamelos, die Krankenkasse weiterhelfen. „Wir bei der VIACTIV haben einen Facharzt-Service für unsere Mitglieder, da kümmern wir uns kostenfrei um die Terminfindung.“ Auch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe bietet solch einen Service\.
Ansonsten hilft es nur, hartnäckig zu bleiben und alle Fachärzte durchzutelefonieren, denn mancher bieten zumindest Notfallsprechstunden an. Hier gilt es, Zeit mitzubringen, da sie meist überlaufen sind. Egal ob beim Dermatologen, Orthopäden oder Augenarzt.
Verhalten im Notfall
Bei Verdacht auf eine schwere Krankheit oder nach einem Unfall sollten Patienten zwingend die Notaufnahmen der Krankenhäuser aufsuchen. Allerdings wirklich nur in dringenden Fällen. Ansonsten gibt es Bereitschaftspraxen und Notdienste. Alle Infos, welche Praxis gerade geöffnet hat, gibt es unter der Telefonnummer 116117.
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