Gesundheit

Wer zahlt für homöopathische Mittel?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will umstrittene Kostenübernahmen für homöopathische Arzneimittel durch die Krankenkassen nicht antasten.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagt, Homöopathie habe ihre Berechtigung. | © picture alliance / blickwinkel/McPHOTO/C. Ohde

18.09.2019 | 18.09.2019, 21:44

Berlin. Globuli und Besuche beim Heilpraktiker statt Schulmedizin? Michael Porath ist ganz offensichtlich ein Anhänger der Homöopathie. Der Mann aus Mecklenburg-Vorpommern ist beunruhigt über „Aussagen führender Funktionäre der Kassen, die Kostenübernahme in Frage stellen". Was denn Jens Spahn dazu sage? Und wie er allgemein zur Alternativmedizin stehe?

Dienstagabend in der Hauptstadt: Der Bundesgesundheitsminister war beim „Berliner Salon" um kaum eine Antwort verlegen. Als die Frage nach der Homöopathie kommt, holt der CDU-Politiker allerdings weit aus. Weiß er doch, wie emotional das Thema diskutiert wird.

Alternativmedizin und Homöopathie, setzt Spahn an, hätten ihre Berechtigung. „Die spannende Frage ist, was zahlen Kassen und was nicht", erläutert Spahn. Grundsätzlich gelte, aus Krankenkassenbeiträgen, "die wir alle finanzieren", werde alles bezahlt, wo es einen Nachweis durch Studien gebe, dass es auch in der Behandlung wirke. Aber die Kassen könnten Globuli & Co. als sogenannte "Satzungsleistung" übernehmen.

Kassen geben 50 Milliarden Euro für Arzneimittel aus

Er, argumentiert Spahn, sei dafür, Debatten richtig einzuordnen. Für Arzneimittel würden die Kassen jährlich bis zu 50 Milliarden Euro ausgeben, für Homöopathie dagegen lediglich 20 Millionen Euro. Darüber könne man jetzt wochenlang „mit ganz viel Emotion" diskutieren und denen, "die auf diese Behandlung setzen", voll vor den Kopf stoßen. Angesichts der "Verhärtungen" in der Debatte müsse man aber auch fragen, ob es das wert sei. "Ich habe mich entschlossen: Es ist so okay, wie es ist."

In 18 Monaten als Gesundheitsminister hat Spahn heikle Themen angepackt, etwa die Impflicht für Masern. Von der Homöopathie als Kassenleistung lässt er lieber die Finger. Zu groß der Ärger mit den lautstarken Anhängern dieser "besonderen Therapierichtung", zu gering der Nutzen für die Krankenkassen, wenn man die Kostenerstattung verbieten wollte. Doch mit seiner aktuellen Positionierung hat er sich ebenfalls einen Proteststurm eingefangen. Und zwar von den Gegnern, die die Gelegenheit nutzen, in die Offensive zu gehen. Die Anhänger bleiben hingegen leise.

„Es kann nicht sein, dass ein plumpes Betrugsschema wie Homöopathie durch Krankenkassen bezahlt wird und skrupellose PolitikerInnen das so hinnehmen, weil sie es können" schreibt etwa der Moderator Jörg Kachelmann auf Twitter, wofür er viel Zustimmung bekommen hat.

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Scharfe Kritik aus der Politik

Auch in der Politik wird scharfe Kritik geübt: "So wenig Wirkstoffe die Kügelchen haben, so wenig Rückgrat hat Jens Spahn, der die Placebos weiterhin von den Kassen bezahlen lässt", reagierte etwa Jan Korte, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag.

Oder SPD-Mann Karl Lauterbach, der die Kostenübernahme schon seit Jahren bekämpft. "So okay ist es nicht, wenn wir die Wissenschaft der Medizin aufgeben, nur weil es wenig kostet, medizinischen Unsinn zu bezahlen", so der Gesundheitsökonom und Sozialdemokrat. "Der Staat muss zur Wissenschaft stehen. Auch im Konflikt. Immerhin stirbt der Patient, wenn er falsch behandelt wird."

In Deutschland sind die Regeln für die Erstattung von Medikamenten und Behandlungen eigentlich sehr klar. Die von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlten Leistungen müssen laut Sozialgesetzbuch "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich" sein. Bei herkömmlichen Medikamenten muss daher mit umfangreichen Studien nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich einen Nutzen haben. Davon wird sogar der Preis abhängig gemacht, den die Kassen an die Pharmaunternehmen zahlen.

Nicht im Leistungskatalog der Kassen

Das alles gilt aber nicht für homöopathische Mittel. Sie gehören zwar nicht zum regulären Leistungskatalog der Kassen, diese können die Übernahme der Kosten von Behandlungen und Globuli-Kügelchen aber freiwillig als sogenannte Satzungsleistung übernehmen. Das tun viele Kassen, allerdings zumeist nur mit einer Obergrenze.

"Dass die Krankenkassen den gesetzlichen Rahmen für Angebote jenseits des einheitlichen Leistungskatalogs unterschiedlich nutzen, ist gut, denn das erhöht die tatsächliche Wahlfreiheit der 73 Millionen gesetzlich Versicherten", heißt es offiziell beim Spitzenverband der Kassen. Der Satz macht aber auch deutlich, dass die Kassen die Homöopathie eher als Marketingmaßnahme verstehen.

Als Begründer der Homöopathie gilt der deutsche Arzt Samuel Hahnemann. Er formulierte vor mehr als 200 Jahren das sogenannte Ähnlichkeitsprinzip: "Wähle, um sanft, schnell, gewiss und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden für sich erregen kann, als sie heilen soll".

Verdünnung stärkt die Heilwirkung

Da er mit entsprechenden Substanzen bei Tests an Patienten zu starke Reaktionen auslöste, verdünnte er die Mittel extrem stark. Er war davon überzeugt, dass Verdünnung die Heilungswirkung verstärkt. Heutige homöopathische Mittel sind allerdings so stark verdünnt, dass sie oft nur wenige oder kein einziges Atom der ursprünglichen Tinktur enthalten. Die anschließend auf Zucker-Kügelchen verteilten Substanzen sollen quasi aus der Erinnerung heilen.

Kein Wunder, dass sich derartige Rezepturen wissenschaftlichen Untersuchungen entziehen. Zuletzt hat die höchste französische Gesundheitsbehörde den Stand der Wissenschaft dazu gesichtet und eigenen Studien angestellt. Sie prüfte fast 1.200 verschiedene Globuli und analysierte mehr als 1.000 wissenschaftliche Publikationen. Das Ergebnis: Keine Wirkung. Deshalb wird die 1984 eingeführte teilweise Kostenerstattung nun nach einer Übergangszeit wieder abgeschafft.

Die FDP hierzulande will einen pragmatischen Weg einschlagen: Keine Verbote, sondern die homoöopathischen Mittel behandeln wie Nahrungsergänzungsmittel aus der Drogerie, also Vitamine, Eisen oder Magnesium. Jeder, der die Homöopathie wolle, solle sie auch bekommen", meint die Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnos. Die Mittel müssten dann aber auch selbst bezahlt werden.