„Ihr Gewaltpotenzial ist ernst zu nehmen“: Rechtsextreme Jugendclique fällt in Minden auf

Minden. Sie sind jung, offenbar noch minderjährig und haben teils kindliche Gesichtszüge. Beim Neonazi-Aufmarsch in Herford Mitte Mai stachen vor allem zahlreiche Teilnehmer unter 18 ins Auge. Dass die rechte Szene gerade vor allem jungen Nachwuchs rekrutiert, ist ein Trend, den auch der Verfassungsschutz beobachtet. Auch in Minden hat sich MT-Informationen zufolge mindestens eine Gruppe von rechtsextremen Jugendlichen gebildet. Mit ihrem Aussehen und Auftreten fallen sie im Stadtbild auf. Wie sie sich radikalisiert und ob sie bereits Straftaten begangen haben, bleibt unklar. Dem MT liegen mehrere Aufnahmen dieser Gruppe aus der Innenstadt vor. Die Mitglieder tragen darauf kurz geschorene Haare, Springerstiefel und Bomberjacken. Einige sind der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus OWL bekannt und waren auch bei der Neonazi-Demo in Herford dabei. &bdquo;Sie zeigen deutlich rechtsextreme Einstellungen und Verhaltensweisen – erkennbar etwa an Kleidung, Auftreten und ihrer Teilnahme an rechtsextremen Aufmärschen“, teilt Dr. Marc Jacobsen von der Beratungsstelle auf MT-Anfrage mit. Laut Jacobsen handelt es sich nicht um eine politisch organisierte Struktur mit gefestigter Ideologie, sondern um eine lose Clique von Jugendlichen. &bdquo;Ihr Auftreten ist provokant, einschüchternd und offen rechts. Sie inszenieren sich demonstrativ und grenzen sich im öffentlichen Raum ab.“ Die Beratungsstelle hält eine weitere Radikalisierung einzelner Mitglieder für wahrscheinlich. Jacobsen warnt: &bdquo;Ihr Gewaltpotenzial ist ernst zu nehmen.“ Lesen Sie dazu: Radikal und gewaltbereit: Junge Rechtsextreme aus OWL formieren sich MT-Informationen zufolge handelt es sich bei der Gruppe aus Minden um geflüchtete Ukrainer, die sich auch regelmäßig in Bielefeld aufhalten und dort bereits mit Pöbeleien negativ aufgefallen sein sollen. Das deckt sich mit Hinweisen, die die Beratungsstelle aus weiteren Städten in Ostwestfalen-Lippe erhalten hat. Auch dort würden junge Männer mit ukrainischem Fluchthintergrund aufgrund von rechtsextremen Einstellungen und entsprechendem Auftreten auffallen. &bdquo;Ob es sich bei den Ukrainern um feste Gruppen oder um lose Cliquen handelt, können wir nicht eindeutig beurteilen“, so Jacobsen. Eine überregionale Vernetzung oder organisierte Struktur lasse sich bislang nicht belegen. MT-Recherchen zufolge trug ein Teilnehmer der Neonazi-Demo in Herford etwa einen Aufnäher mit dem Wappen der Ukraine, dem goldenen Dreizack. Andere machten eine Art &bdquo;Feuerzeuggeste“, die auf den russischen, 2020 in einem Gefängnis gestorbenen Neonazi mit dem Pseudonym &bdquo;Tessak“ verweist. In den sozialen Netzwerken zeigte er sich in SS-Uniformen, machte Jagd auf Homosexuelle und soll an mehreren Morden beteiligt gewesen sein. Marcel Komusin vom Verein &bdquo;Für Demokratie und Vielfalt“ ist besorgt. Auch ihm ist die Gruppe in Minden bereits mehrfach aufgefallen. Er spricht von einem &bdquo;Baseballschlägerlook aus den Neunzigern“ und informierte die Polizei: &bdquo;Die Beamten sollen sie im Auge behalten.“ Komusin meint, dass es vor allem bei weiterführenden Schulen Fälle von weiteren Radikalisierungen gebe. Er sieht einen Zusammenhang mit den neuen rechtsextremen Active Clubs. Auch in Ostwestfalen hat sich eine solche Gruppe gegründet. Laut NRW-Sicherheitsbehörden verbinden diese Clubs Rechtsextremismus mit Fitness, Kampfsport und Gesundheit. Über Wanderungen und Propaganda-Aktionen versuchen sie gezielt, junge Menschen langfristig zu binden, warnt der Verfassungsschutz. Lesen Sie dazu: &bdquo;Active Clubs“: Neue Neonazi-Gruppe in OWL – was hinter dem Trend steckt Der Staatsschutz Bielefeld dagegen hat keine konkreten Informationen zur Gruppe aus Minden. Eine Sprecherin bestätigt jedoch, dass auch Ukrainer mit rechtsextremen Einstellungen in der Szene aktiv sind. Sie sei divers und trete in wechselnden Kontexten auf. Der Staatsschutz beobachtet Reisen im gesamten Bundesgebiet, oft im Zusammenhang mit rechtsextremen Demonstrationen. Auch am Mindener Bahnhof wurden solche Personen gesichtet. Nach Angaben des NRW-Verfassungsschutzes haben sich die Neonaziszene als auch die Neue Rechte verjüngt. Der Zuwachs sei dem Internet geschuldet. Die virtuellen Möglichkeiten würden zu neuen hybriden Organisationsformen mit niedrigen Zugangsschwellen führen, heißt es im aktuellen Jahresbericht des Verfassungsschutzes. Die Radikalisierung von Jugendlichen stelle ein zunehmendes Sicherheitsproblem dar. Sie würden täglich in geschlossenen Foren und Gruppen interagieren, in denen die Teilnehmer sich in ihrem Hass auf rechtsextremistische Feindbilder anstacheln und Gewalt befürworten, heißt es. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus OWL nennt die Radikalisierung junger Menschen – unabhängig von Herkunft, Fluchterfahrung oder Nationalität – eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Man könne ihr nur mit einem Zusammenspiel aus klarer Haltung, professioneller pädagogischer Begleitung und konsequenter Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Tendenzen begegnen. &bdquo;Rechtsextreme Vorfälle müssen ernst genommen, dokumentiert und frühzeitig mit externer Hilfe bearbeitet werden“, sagt Dr. Marc Jacobsen. Politische Bildung und Demokratieförderung seien entscheidend, damit Jugendliche demokratische Werte verstehen und leben. Schulen, Jugendhilfe und andere Einrichtungen brauchen klare Schutzkonzepte. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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