Bielefeld. "Dramatisch", "katastrophal", "nie dagewesen": Die Forstleute im Land überschlagen sich derzeit geradezu mit apokalyptischen Meldungen zum Waldzustand. Grund: Die Borkenkäferplage, die sich seit drei Jahren über die heimischen Fichtenbestände hermacht, wird immer extremer. Weil es so viele Milliarden der kleinen Baumschädlinge gibt, suchen die sich inzwischen neue Baumarten als Opfer. Bisher, so berichtet Mathias Niesar vom Landesbetrieb Wald und Holz, hat der Käfer nur der Fichte den Garaus gemacht - und das so gründlich, dass sie in weiten Teilen des Landes als verloren gilt.
Waldgebiet am Möhnesee tot
Nun aber finden die Experten auch in abgestorbenen Kiefern massenweise Larven und Eier von Buchdruckern - der Borkenkäfer-Art, die besonders ältere Bäume angreift. Am Möhnesee im Sauerland etwa sei ein größerer Kieferbestand deshalb abgestorben. Auch Douglasien, auf die die Forstwirtschaft wegen ihrer Widerstandsfähigkeit große Hoffnungen setzt, seien befallen worden. Bisher aber wehrt sich diese Nadelbaumart offenbar erfolgreich gegen die Attacken, die Eier seien "letal verharzt" worden. Warum die Tiere ihre Fressgewohnheiten ändern? "In der Not frisst der Teufel Fliegen", sagt Niesar und meint damit: Die Zahl der Käfer hat so überhand genommen, dass sie von den Fichten schlicht nicht mehr satt werden.
Selbst Laubbäume seien nicht gänzlich vor der Gefahr gefeit, meint Niesar, entsprechende Meldungen gebe es aus den ersten Nachkriegsjahren, in denen Buchen attackiert worden sein. Der Landesbetrieb starte nun Testreihen, etwa mit Buchen, Erlen und Eichen, um zu sehen, unter welchen Bedingungen auch diese gefährdet sein könnten - auch wenn es der Wissenschaftler für unwahrscheinlich hält, dass die Käfer sich genetisch anpassen werden und dann dauerhaft auf andere Bäume umschwenken.
Rasche Hilfe Fehlanzeige
Gefragt nach einer raschen Antwort auf die Plage schütteln die Experten den Kopf. In großem Stil Insektizide einzusetzen, sei schon ganz praktisch nicht zu realisieren, sagt Michael Blaschke, Sprecher des Landesbetriebs. Denn die Käfer setzen sich in den Stämmen fest, ein großflächiges Besprühen von oben sei sinnlos - ganz davon abgesehen, dass es für andere tierische Waldbewohner und den Menschen eine "ökologische Katastrophe" wäre. Fallen mit Giftstoffen würden bereits aufgestellt, kämen aber gegen die schiere Masse nicht an. Befallene Bäume schnell aus dem Wald zu entfernen, sei allenfalls noch eine Option, um einzelne, besonders vitale Fichtenbestände zu schützen, in großem Stil sei auch das nicht mehr zu schaffen - "schon, weil wir gar nicht mehr wissen wohin mit dem Holz."
Was dann helfen könnte? Wenigstens ein durchregneter Sommer - nach den beiden verheerenden Dürrejahren 2018 und 2019. Und eine Wiederaufforstung mit einem robusteren Mischwald. Vor allem aber: Der Kampf gegen den Klimawandel.
INFORMATION
Kiefern in der Senne
Die Fichte ist über Jahrzehnte der Haupt-Umsatzträger der Forstwirtschaft gewesen – auch in OWL. Sie hat landesweit einen Anteil an 30 Prozent der Baumbestände.
Die Kiefer spielt mit 8 Prozent nur eine sehr viel geringere Rolle. Größere Kiefernbestände gibt es vor allem auf dem sandigen Boden der Senne.