Waldzustand

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Borkenkäfer: Lage in OWL noch schlimmer als befürchtet

Forstleute hatten gehofft, der Winter könnte dem Borkenkäfer ernstlich zusetzen. Neue Proben zeigen nun: Es geht dem Schädling besser denn je.

27.02.2020 | 28.02.2020, 15:11

Bielefeld/Horn-Bad Meinberg. Eigentlich ist Roland Schockemöhle, Leiter des Regionalforstamts Hochstift, ein optimistischer Mensch und schwärmt gerne vom "Wald der Zukunft", den er in den Kreisen Paderborn, Höxter und Lippe hegen und pflegen will. Der Wald der Gegenwart aber lässt nicht viel Raum für Optimismus. Denn der schwere Befall mit dem Borkenkäfer, der den heimischen Wäldern schon im vergangenen Jahr sehr zugesetzt hat, hat seinen Höhepunkt längst nicht erreicht.

"Es wird noch viel schlimmer"

Forstreferendar André Schwermer schneidet Proben aus der Rinde. Darunter wimmeln Tausende Käfer und Larven. - © Sigrun Müller-Gerbes
Forstreferendar André Schwermer schneidet Proben aus der Rinde. Darunter wimmeln Tausende Käfer und Larven. | © Sigrun Müller-Gerbes

"In diesem Jahr wird es noch viel schlimmer", sagt Schockemöhle, während er auf einer kleinen Lichtung am lippischen Velmerstot steht, die der Käfer schon leer gefressen hat. "Hier war letztes Jahr noch alles grün. Nun haben hier zig Millionen Larven und Käfer überwintert." Wie dicht der Besatz an Schädlingen ist, hat ein Team des Landesbetriebs Wald und Holz gerade genauer untersucht. "Wir hatten gehofft, der Käfer könnte im Winter stark verpilzen und absterben", erläutert Waldschutzexperte André Lieffertz, "die Hoffnung wurde aber enttäuscht." Um den Zustand der Käfer und ihrer Larven zu überprüfen, haben Lieffertz und sein Team reihenweise kleine, quadratische Rinden-Proben von geschädigten Bäumen in unterschiedlichen Lagen genommen. Und dann gezählt.

Deutlich sind Fraßspuren zu erkennen. - © Sigrun Müller-Gerbes
Deutlich sind Fraßspuren zu erkennen. | © Sigrun Müller-Gerbes

Das ernüchternde Ergebnis: Fast überall im Land haben mehr als 80 Prozent der Käfer und Larven den ausgesprochen milden Winter überlebt. Auch der viele Regen, der in den vergangenen Wochen gefallen ist, hat in dieser Hinsicht nichts gebracht: Der Pilz, der den Käfer töten könnte, hat sich zwar entwickelt, aber eben nicht in großem Stil, wie es nötig gewesen wäre. In einem Stamm finden sich noch immer bis zu 50.000 Tiere. Um den Baum abzutöten, braucht es gerade mal 200. Gegen eine so kleine Zahl könnte sich der Baum wehren, indem er die Käfer mit Harz unschädlich macht. Gegen Tausende hat er keine Chance.

Kampf gegen den Käfer aufgegeben

Die Folge beschreibt Forstamtschef Schockemöhle: "Die Bürger werden sich wohl daran gewöhnen müssen, bei Wanderungen auf tote Bäume zu schauen." Die Forstleute haben bereits angefangen, Gebiete zu definieren, in denen der Kampf gegen den Käfer ganz aufgegeben und der Wald sich selbst überlassen wird. Denn sie scheitern längst daran, alle betroffenen Fichten zu fällen und aus dem Wald zu holen. Das hat unterschiedliche Gründe, von denen fehlendes Personal noch nicht einmal der wichtigste ist. "Uns fehlt einfach die Lagerkapazität für die Stämme", sagt der Forstexperte. Längst sind die Lagerflächen an Waldwegen voll, so viel Holz lässt sich auf dem Markt derzeit nicht verkaufen.

Entsprechend drastisch sind die Preise für Fichtenholz gefallen: Vor dem Wintersturm Friederieke im Januar 2018 ließen sich Fichtenstämme noch für 95 Euro der Kubikmeter verkaufen, heute seien es gerade mal 30 bis 40 Euro. Und nun komme auch noch die Corona-Krise dazwischen, seufzt Schockemöhle. Was, um Himmels Willen, hat das Virus denn mit dem heimischen Wald zu tun? Der Forstwirt erläutert: In der Vergangenheit hat China große Mengen Fichtenholz aus OWL importiert. Seit die Transportwege wegen der Virusentwicklung unterbrochen sind, kommen aber keine chinesischen Container mehr in die Häfen, um die Stämme abzutransportieren.

Arbeit am "Wald der Zukunft"

Also bleiben sie in manchen besonders befallenen Bereichen nun einfach stehen. Stattdessen konzentrieren sich die Forstleute darauf, noch einigermaßen vitale Flächen zu schützen. Und den "Wald der Zukunft" zu bauen: Einen Wald, der nicht mehr von Fichten-Monokultur geprägt ist, wie sie nach dem Krieg in vielen Gebieten angelegt worden ist. Sondern einen weniger anfälligen Mischwald mit Buchen, Lärchen, Birken, vielleicht Douglasien, der auch Dürrezeiten und Stürmen standhält. Zwischen den toten Fichten lassen sich schon jetzt zahlreiche junge Buchen erspähen, die aber noch viele Jahre brauchen werden, bis sie prächtige Schattenspender sind. Fünf bis sieben Jahre werde man da eine "riesige Aufgabe" vor sich haben, sagt Schockemöhle, eine, die viel Geld und viel Hilfe brauchen wird - beispielsweise auch von Jägern, die den Wildbestand gering halten müssten, weil junge Bäume nun mal "sehr lecker" sind. Und dann scheint doch wieder der Optimismus durch: "Wenn wir das hinkriegen, dann hätten wir wirklich was geschafft."

INFORMATION


Der Borkenkäfer

Ältere Fichten sterben gerade massenweise an der Borkenkäfer-Art namens Buchdrucker, jüngere sind beim Kupferstecher besonders beliebt.
Die Tiere leben bis zu 24 Monate lang, überwintern in einer Art Winterschlaf. Sobald es 16,5 Grad warm ist, starten sie ihren Schwärmflug.
Die Männchen graben unter der Rinde „Rammelkammern" für die Begattung, Weibchen legen dann Eier ab. Die typische Musterung entsteht durch die Larven, die lange Gänge fressen.
Ein Weibchen legt bis zu 100 Eier, die in 7 – 9 Wochen zur neuen Käfergeneration heranwachsen, die gleich wieder Eier legen. Ein weibliches Tier hat so bis zu 100.000 Nachkommen im Jahr.