Plötzlich Spitzenreiter: Der SC Paderborn führt eine verrückte 2. Liga an

Paderborn. Für Fans, Spieler, Trainer und Betreuerstab des SC Paderborn gab es am Freitagabend kein Halten mehr. Mit der letzten Aktion des Spiels hatte Calvin Brackelmann eine Ecke von Aaron Zehnter zum 3:2 (1:1)-Heimsieg gegen den 1. FC Nürnberg eingeköpft. 13.799 Zuschauer hatten in der Home-Deluxe-Arena eine denkwürdige Partie erlebt. Und der SCP thront nun tatsächlich an der Zweitliga-Tabellenspitze. &bdquo;Das war das emotionalste Spiel meiner Karriere“, sagte Brackelmann nach seinem ersten Zweitligatreffer, der im Paderborner Lager für pure Ekstase sorgte. Ähnliche Gefühlsexplosionen hatte es in der Arena am 15. Februar 2019 gegeben. Damals hatte Marlon Ritter den SCP in der Nachspielzeit zu einem 3:2-Sieg gegen den 1. FC Köln geschossen. Und die Spieler-Jubeltraube mitsamt Cheftrainer hatte sich an fast exakt jener Stelle in der Ecke zwischen Süd- und Westtribüne gebildet, an der auch am Freitag Brackelmanns Last-Second-Siegtreffer gefeiert wurde. Am Ende der Saison 2018/19 stieg Paderborn in die Bundesliga auf. Allerdings musste der SCP nach dem Triumph gegen Köln auch nur noch zwölf Ligaspiele bestreiten. Nun sind erst 13 Spieltage absolviert. Und die Liga ist unfassbar eng. Zwischen Rang eins und zwölf liegen nur sechs Punkte. Doch wer wie Paderborn nach 13 Spielen erst eine Partie verloren hat, dürfte die nötige Qualität besitzen, um auch dauerhaft oben mitzumischen. Zumal das Spiel gegen Nürnberg gezeigt hat, dass der SCP inzwischen sehr viele Facetten des Spiels beherrscht. Paderborns Plan geht auf Die Zeiten, in denen die Paderborner zwingend auf ihren gepflegten Ballbesitzfußball angewiesen waren, sind jedenfalls vorbei. Gegen Nürnberg hatte Cheftrainer Lukas Kwasniok vielmehr bewusst Abstriche in Sachen spielerischer Linie in Kauf genommen, um die Franken durch Physis in die Knie zu zwingen. &bdquo;Wir hatten mehr Körpergröße und mehr Beine auf dem Feld, denn wir wollten mit Körperlichkeit dagegenhalten“, erklärte der SCP-Coach. Folge: Die spielstarken Nürnberger waren fußballerisch besser. Doch in Sachen Torgefahr hatten die Hausherren die Nase vorn, wovon auch die xGoals-Werte von 2,25:1,43 künden. Vor allem bei Standards waren die Ostwestfalen den Franken überlegen. Und so war es kein Zufall, dass eine der brandgefährlichen Zehnter-Ecken am Ende für Paderborner Glückseligkeit sorgte. &bdquo;Viele Beine, viele Kilometer, viele Sprints, viele Standards. Das war der Plan“, sagte Kwasniok. Dessen Team übertraf den Gegner in puncto Laufdistanz um fünf Kilometer, obwohl der SCP inklusive Nachspielzeit knapp 20 Minuten in Unterzahl absolvieren musste. Adriano Grimaldi, Torschütze zum 1:0, hatte den Nürnberger Finn Jeltsch mit dem Arm im Gesicht erwischt und in der 78. Minute beim Spielstand von 2:2 nach VAR-Intervention die Rote Karte gesehen. Kwasnioks Loblied auf die 2. Liga Dennoch gingen die Gastgeber als Sieger vom Feld. &bdquo;Wir waren heute einfach mal fällig, dass wir in der letzten Minute das Tor machen“, betonte SCP-Kapitän und 2:2-Torschütze Raphael Obermair, der hierbei noch die späten Gegentreffer zum 1:1 in Düsseldorf und 3:3 in Münster im Hinterkopf hatte. Enge Partien wie diese dürfte es auch künftig immer wieder geben. &bdquo;Dieses Spiel hat die Liga beschrieben. Jeder kann am Ende das Tor machen und gewinnen“, zog SCP-Akteur Aaron Zehnter nach dem Heimsieg gegen Nürnberg ein überaus treffendes Fazit. Sein Trainer stimmte anschließend gar ein Loblied auf die 2. Bundesliga an. &bdquo;Ich habe das Gefühl, dass in der 2. Liga derzeit besser gearbeitet wird als in der Bundesliga. Die 2. Liga ist im Vergleich zu dem, was vor vier Jahren geboten wurde, auf einem ganz anderen Niveau. Viele Teams haben den Weg geändert“, sagte Kwasniok. Dabei nannte er explizit den Gegner aus Nürnberg. &bdquo;Bei denen ist die Mischung top“, urteilte der 43-Jährige und führte die SV Elversberg als weiteres Musterbeispiel an. &bdquo;Daher ist es für die Kölner, Hamburger und Düsseldorfer so schwer, vorne wegzumarschieren, denn auch die Paderborner geben halt nie auf“, betonte der SCP-Coach. Voller Euphorie nach Elversberg Und so ist es bezeichnend für die Liga, dass das tabellarische Topspiel des kommenden Spieltages in Elversberg steigt, wenn der SC Paderborn am Samstag um 13 Uhr bei den Saarländern gastiert. Es ist das Duell Dritter gegen Erster. &bdquo;Elversberg ist aktuell sehr gut drauf“, warnte SCP-Kapitän Obermair schon vor dem eindrucksvollen 2:0-Sieg, den die Saarländer am Samstag bei Fortuna Düsseldorf landeten. Zudem gerieten Obermair und Co. vor einem Jahr in Elversberg mit 1:4 unter die Räder. Damals war ein schwächelnder SCP allerdings mit einer 1:3-Heimpleite gegen Nürnberg im Gepäck in den Südwesten der Republik gereist. Nun geht es mit jeder Menge Euphorie nach Elversberg. &bdquo;Dieser Sieg wird uns hoffentlich in den nächsten Wochen tragen“, sagte Adriano Grimaldi nach der Partie gegen Nürnberg. Der routinierte SCP-Angreifer muss allerdings nun wohl erst einmal zwei, drei Wochen aussetzen. Denn Grimaldi hatte es mit der gewünschten Körperlichkeit leider etwas übertrieben. An diesem Montag - spätestens aber am Dienstag - dürfte das DFB-Sportgericht die Sperre für den Paderborner Rotsünder bekannt geben.

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