
Ein Debütant ist deprimiert
Jascha Brandt feierte am Freitagabend im Heimspiel des SC Paderborn gegen Hertha BSC Berlin sein Zweitligadebüt. Wobei das Verb „feiern" in diesem Fall ein wenig deplatziert ist. Denn da sich Paderborn in der Schlussphase noch zwei Treffer einfing und eine denkbar unglückliche 2:3 (1:1)-Niederlage gegen die Hauptstädter kassierte, war auch das 21-jährige SCP-Talent am Ende untröstlich.
Brandt war in der 67. Minute zusammen mit Ilyas Ansah in die Partie gekommen. Cheftrainer Lukas Kwasniok nahm dafür mit Filip Bilbija und Sirlord Conteh seine besten Offensivakteure raus. Der Doppelwechsel zahlte sich nicht aus, denn den beiden Jungspunden fehlte am Freitagabend leider die Durchschlagskraft.
„Ich sollte mein Ding machen und offensiv denken", sagte Brandt anschließend im Interview mit dem TV-Sender „Sky". Doch letztlich traute sich der sechs Jahre jüngere Bruder von BVB-Star Julian Brandt zu wenig zu. Es wäre allerdings falsch und geradezu verwerflich, ihm deshalb eine Mitschuld an der Niederlage zu geben.
„Jascha hat es im Training super gemacht. Und aus solchen Spielen lernst du am meisten", erklärte Filip Bilbija mit Blick auf seinen jungen Teamkollegen, der nach Ilyas Ansah, Calvin Brackelmann, Moritz Flotho und Martin Ens schon der fünfte Spieler aus der Regionalliga-Reserve ist, der in dieser Saison bei einem Ligaspiel der Profis zum Einsatz kam.
„Das ist der Paderborner Weg. An den Jungs lag es heute ganz sicher nicht", konstatierte Raphael Obermair, der den SCP mit 1:0 in Führung gebracht hatte. „Es ist die große Stärke unseres Trainers, den jungen Spielern zu vertrauen. Calvin Brackelmann ist das beste Beispiel", ergänzte Filip Bilbija.
Brackelmann überzeugt
Aller Anfang ist schwer. Diese Erfahrung musste auch der von Bilbija erwähnte Calvin Brackelmann machen. Als der gebürtige Lüneburger im vergangenen Sommer vom FC Ingolstadt zum SCP wechselte, war er in keiner guten Verfassung. Das zeigte sich beispielsweise Anfang September in einem Testspiel gegen den SC Wiedenbrück (1:1).
Gegen Hertha BSC Berlin verbuchte der 24-Jährige nun seinen vierten Zweitliga-Startelfeinsatz. Und Brackelmann zeigte seine bislang beste Partie im Paderborner Trikot. So trug der 1,96 Meter große Verteidiger maßgeblich dazu bei, dass Herthas Traumduo Fabian Reese/Haris Tabakovic kaum zum Zuge kam.
In der elften Minute war Brackelmann zudem nur hauchdünn an seinem ersten Zweitligatreffer vorbeigeschrammt. Da nämlich hatte er einen Freistoß aus knapp 17 Metern Torentfernung mit Vollspann an die Unterkante der Latte gedonnert. „Calvin kam wie ein Bezirksligaspieler zu uns. Jetzt spielt er in der 2. Liga top", lobte SCP-Coach Lukas Kwasniok seinen lernwilligen Abwehrakteur.
Premiere für eine Nachwuchshoffnung
Luis Engelns zählt zu den größten Talenten der „Nullsieben-Akademie". Der immens torgefährliche Mittelfeldspieler war in der Hinrunde der aktuellen Saison Kapitän der Paderborner U17 und kickt seit der Rückrunde für die U19 des SCP. Mit Erfolg: Beim 3:1-Heimsieg gegen Borussia Mönchengladbach schnürte der zu diesem Zeitpunkt noch 16 Jahre junge Paderborner vor vier Wochen einen Doppelpack.
Seine starken Leistungen wurden am Freitagabend belohnt. So tauchte Engelns im Heimspiel gegen die Hertha erstmals im 20er-Kader der Profis auf. Zudem standen mit Jascha Brandt, Martin Ens und Marco Pledl drei etatmäßige Spieler der Regionalliga-Reserve im Aufgebot, da der SCP gleich auf sieben verletzte und gesperrte Profis verzichten musste.
Grimaldis Tipp geht fast auf
Der gesperrte Profi war in diesem Fall Adriano Grimaldi, der beim 1:2 auf St. Pauli Gelb-Rot gesehen hatte. Und so hatte der routinierte Stürmer genügend Zeit und Muße, um Stadionsprecher Jürgen Lutter vor dem Anpfiff des Hertha-Spiels Rede und Antwort zu stehen.
Fester Bestandteil solcher Gespräche ist dabei der obligatorische Ergebnistipp. Grimaldi prophezeite hierbei einen 2:1-Heimsieg und lag damit bis zur 84. Minute goldrichtig. Dann aber schlugen die Berliner noch zwei Mal gnadenlos zu, so dass eine Negativserie hält. Denn die Tipps der SCP-Profis bei den Stadion-Interviews gingen bislang nie auf.
Adriano Grimaldi durfte sich immerhin noch über ein Ständchen der Fans freuen, denn der Angreifer feierte am Freitag seinen 33. Geburtstag. Wobei auch ihm nach dieser Partie nicht gerade zum Feiern zumute war.
Ehre, wem Ehre gebührt
Vor dem Anpfiff war die SCP-Welt noch in Ordnung. Es gab sogar einen frischgebackenen deutschen Meister zu ehren. So feierten die Fans in der ausverkauften Home-Deluxe-Arena die erfolgreiche E-Sport-Mannschaft des SC Paderborn, die Ende März in Köln mit einem sensationellen Finalsieg gegen RB Leipzig erstmals den Titel in der Virtual Bundesliga geholt hatte.

Die Spieler Jonas „Jonny" Wirth und Jamie „Chaser" Bartel sowie Trainer Daniel Elit und E-Sport-Projektleiter Louis Feldhaus nahmen am Freitagabend die Glückwünsche von SCP-Präsident Thomas Sagel und Geschäftsführer Martin Hornberger entgegen.
„Wir wussten schon im Sommer, dass wir eine super Truppe haben. Und nach der Hinrunde haben wir dann auch angefangen zu träumen", sagte Feldhaus mit Blick auf die vergangene Saison. Dass der große Traum dann auch in Erfüllung geht, sei dennoch eine riesige Überraschung gewesen.
Berlins Trainer lobt den SCP
Bei der Pressekonferenz vor dem Spiel hatte Herthas Chefcoach Pal Dardai am Mittwoch für einen kleinen Eklat gesorgt, weil er das Podium aus Ärger über die Berichterstattung des Sportmagazins „Kicker" vorzeitig verlassen hatte. Bei der Pressekonferenz nach dem Spiel in Paderborn präsentierte sich der Ungar aber wenig überraschend in bester Laune, wenngleich er am Ende wieder zu einer fragwürdigen Presseschelte ansetzte.
„Heute hatten wir zum ersten Mal in diesem Jahr Glück", gab Dardai zu. „Der Gegner war gut. Und unsere erste Halbzeit war nicht o.k., denn da haben wir nichts investiert", resümierte Berlins Trainer und kommentierte die beiden späten Treffer zum 3:2-Sieg wie folgt: „Wenn wir Räume haben, sind wir gefährlich."
Zugleich gab es von Dardai noch ein paar warme Worte für die Gastgeber. „Ihr könnt stolz sein. Ihr habt eine gute Truppe und ein gutes Publikum. Ich habe hier in Paderborn viele nette Menschen kennen gelernt", sagte der 48-Jährige und richtete ein dickes Dankeschön an den SC Paderborn. So hatte sein Team am Freitagvormittag noch im SCP-Trainingszentrum an der Lise-Meitner-Straße trainieren dürfen.