Paderborns Trainer im Interview: "Wir hatten zu viele nette Kerle auf dem Platz"

Bad Häring. Seit dem 6. Juli schuften die Profifußballer des SC Paderborn im Trainingslager im österreichischen Bad Häring für die anstehende Zweitliga-Saison. An diesem Freitag kehren die Schützlinge von Trainer Lukas Kwasniok in die Heimat zurück. Zuvor zieht der Chefcoach im Interview mit "nw.de" eine Trainingslager-Bilanz. Zudem spricht Kwasniok über Neuzugänge, Abgänge, Taktik und Saisonziele sowie über seinen Umgang mit den Vorfällen auf Mallorca, wo er im vergangenen Mai vorübergehend in Gewahrsam genommen worden war. Herr Kwasniok, wie fällt ihr Fazit zum Trainingslager in Tirol aus? Lukas Kwasniok: Ich habe noch nie einen Trainer gehört, der gesagt hat, es war alles eine Vollkatastrophe. Irgendwie ist dann am Ende immer alles gut. Wir hatten im vergangenen Jahr ein außergewöhnliches Trainingslager in den USA. Aber was die Gesamtqualität, den Ablauf und die Rahmenbedingungen betrifft, war das hier in Tirol das bislang beste Trainingslager, seitdem ich SCP-Trainer bin. Wir hatten Top-Wetter, keine Verletzten. Es gibt nichts, worüber man sich echauffieren müsste. Wie wichtig waren die vergangenen Tage fürs Teambuilding? Sehr wichtig. Auch da hatten wir hier durch die Gegebenheiten im Hotel und das tolle Wetter beste Voraussetzungen. Die gemeinsame Ballonfahrt, der freie Montag. Ich habe schon das Gefühl, dass sehr viel Leben in der Mannschaft ist und dass sich die Jungs sehr gut verstehen. Und wie passen die Neuzugänge ins Teamgefüge? Charakterlich sind alle top. Visar Musliu, der übrigens mein Wunschspieler war, ist beispielsweise ein ausgesprochen angenehmer Zeitgenosse, aber er kann auf dem Platz richtig eklig sein. Gleiches gilt für Adriano Grimaldi, David Kinsombi und Max Kruse. Das ist auch etwas, was uns in den vergangenen Jahren gefehlt hat. Außerhalb des Platzes hatten wir immer liebe Kerle. Aber leider waren sie an der ein oder anderen Stelle auch auf dem Platz zu lieb. Wir sind überzeugt davon, dass wir bei den Neuzugängen die richtige Wahl getroffen haben. Gerade bei Musliu und Kinsombi kannst du sagen: Die machen dich auf Anhieb besser. Hat sich schon eine klare Startformation herauskristallisiert? Mir ist nicht die Startelf, sondern die Mannschaft wichtig. Wir können im Spiel fünf Mal wechseln. Die Saison ist lang. Und ich glaube, wir haben ein gutes Fundament. Auf vielen Positionen sind die Jungs sehr eng zusammen. Wird sich durch die Neuzugänge auch das Spielsystem oder die Herangehensweise ändern? Nein. Es ist kein Geheimnis, dass wir weiter mit einer Dreier-Abwehrkette agieren. Aber darüber hinaus werden wir jegliche Variabilität beibehalten. Ob mit einer oder zwei Spitzen. Mit einer Zehn dahinter oder zwei Achtern. Mit Doppel-Sechs oder Raute. Diese Variabilität ist Teil unserer Identität. Aber es ist schon derzeit die Tendenz da, in einem 3-5-2- oder 3-4-3-System zu agieren. Man wird als Außenstehender keine großen Veränderungen wahrnehmen. Aber wir wollen einzelne Elemente hinzufügen. Mehr Flanken schlagen, die Gefahr bei Standards steigern, Torabschlüsse aus der zweiten Reihe generieren. Und ich glaube, dass wir es mit der größeren Routine der Mannschaft nun auch mal besser aushalten können, wenn der Gegner den Ball hat und wir etwas defensiver agieren können. Es birgt mehr Chancen als Risiken, weil dir der Gegner dann Räume anbietet. Ein neues Element ist der vielleicht prominenteste Spieler-Neuzugang der Vereinsgeschichte: Max Kruse. Wie haben Sie ihn bislang wahrgenommen? Wenn nicht Kruse auf seinem Trikot stehen würde und nicht ein, zwei Presseanfragen pro Woche mehr eingehen würden, würde man keinen Unterschied zu allen anderen Jungs wahrnehmen. Es gibt von seiner Seite keine Sonderwünsche. Er will und bekommt auch keine Sonderbehandlung. Max ist ein ganz normaler Fußballer, der die Atmosphäre in der Kabine und eine Mannschaft, in der er kicken kann, extrem vermisst hat. Er kann Mitspieler in Szene setzen und sie besser machen. Und hier in Paderborn kann er auch mal einen Spruch raushauen, ohne dass er gleich eine Geldstrafe zu befürchten hat. Und welche Position haben Sie für ihn vorgesehen? Max muss einfach so zehn bis sechzehn Meter vor dem gegnerischen Tor auftauchen. Dann wird es gefährlich. Du hast in den Testspielen gesehen, dass du ihn schon jetzt bringen kannst. Er liefert Assists, er bietet einen Mehrwert. Ob er dann schon zum Saisonstart in Fürth in der Startelf steht, weiß ich noch nicht. Eine Startelf am ersten Spieltag ist ohnehin nur ein Mini-Mosaikstein einer langen Saison. Steht schon der Nachfolger für Kapitän Ron Schallenberg fest? Wir haben darüber im Trainerteam schon konkret gesprochen. Vielleicht werden wir das zeitnah entscheiden. Das hängt auch davon ab, ob wir alle einer Meinung sind. Aber derzeit sind wir alle nicht weit auseinander. Wir haben viele Jungs, die zumindest in Teilbereichen Kapitän sein können. Der Mannschaftsrat wird wieder aus fünf Personen bestehen. Ist die Hierarchie bei den Torhütern schon geklärt? Jannik Huth ist und bleibt ganz klar die Nummer eins. Jannik hat einen Reifeprozess hinter sich. Er weiß um seine veränderte Stellung und ist bei uns mittlerweile der dienstälteste Spieler, der eine große Identifikation mit dem SCP und innerhalb der Mannschaft eine große Akzeptanz hat. Pelle Boevink und Arne Schulz kämpfen dahinter um die Rolle als Nummer zwei. Robin Bormuth und Richmond Tachie haben den SCP während der Vorbereitung verlassen. Warum mussten sie gehen? Ich habe nicht mehr mit ihnen geplant. Robin Bormuth ist ein guter Zweitligaspieler. Aber seine Art und Weise, Fußball zu spielen, deckt sich nicht mit unserer Idee. So etwas weißt du vorher mitunter nicht immer. Richmond Tachie war ein Projektspieler. Es kann funktionieren, aber manchmal klappt es halt nicht. Und man darf nicht vergessen, dass wir in der Offensive nicht ganz so schlecht aufgestellt sind. Mit Marcel Hoffmeier hat ein Projektspieler vor einem Jahr auf Anhieb den Durchbruch geschafft. Wem trauen Sie das diesmal zu? Mattes Hansen. Der Junge bringt für einen Sechser alles mit. Er hat eine gute Grunddynamik, ist beidfüßig, kopfballstark, kann das Spielfeld scannen, er hat einen Eulenblick. Es ist unsere Aufgabe, dies zu kanalisieren. Wir müssen ihn auch schützen und dürfen ihn nicht verheizen. Wie groß ist die Hoffnung, dass Stürmer Felix Platte auf absehbare Zeit wieder einsatzfähig ist? Aktuell kann ich dazu gar nichts sagen. Das steht in den Sternen. Sind die Personalplanungen erst einmal abgeschlossen? Oder kommt doch noch ein neuer Neuner? Ich glaube, dass es in den nächsten ein, zwei Wochen erst einmal Abgänge statt Zugänge geben wird. Wir haben extrem viele Spieler, die Tore erzielen können. Wir haben Kruse, Grimaldi, Platte, Bilbija, Conteh. Einen Leipertz auf der Schiene. Das sind auf ihre Art und Weise alles Stürmer. Ich habe nicht das Gefühl, dass da akuter Handlungsbedarf besteht. Aber wir halten natürlich die Augen offen. Das gilt aber für alle Positionen. Wenn sich jetzt morgen die Möglichkeit ergeben würde, einen fantastischen Sechser zu verpflichten, würden wir diese Chance auch ergreifen. Wenn noch ein, zwei Überraschungstransfers aufgehen sollten, würden wir uns dem nicht verschließen. Könnte es sich unterdessen bei den potenziellen Abgängen um Jasper van der Werff und Marcel Mehlem handeln? Ich könnte jetzt sagen: Zu einzelnen Namen äußere ich mich nicht. Aber es liegt ja auf der Hand, dass Spieler, die wenig Aussicht auf Einsatzzeiten haben, da als Erste in Frage kommen. Aber erst einmal müssen sie mit dem Wechselwunsch auf uns zukommen. Im vergangenen Jahr war der Kader bereits zum Start in die Vorbereitung nahezu komplett, die Mannschaft fand schnell zusammen und funktionierte auf Anhieb. Wie weit ist das Team nun schon? Es ist mit der letzten Saison absolut vergleichbar. Wir sind auch diesmal mit allen Spielern, die ich auf jeden Fall haben wollte, ins Trainingslager gefahren. Wir sind grundsätzlich sehr weit. Aber genau das muss für uns auch immer ein Wettbewerbsvorteil bleiben. Gute Arbeit in der Vorbereitung ist unabdingbar, um gleich zum Saisonstart ins Rollen zu kommen. Das Saisonfinale wurde unterdessen nach Ihrer vorübergehenden Festnahme auf Mallorca vom Wirbel um ihre Person überschattet. Wie sehr belastet Sie das Geschehen? Oder ist der Alltag wieder eingekehrt? Ich hoffe natürlich, dass es eine schnelle Entscheidung geben wird und dass das Verfahren eingestellt wird. Aber es kann halt nun dauern, ich kann es nicht ändern. Darum versuchst du, dich davon zu lösen. Das gelingt mir gut, denn im Alltag ist die Sache bei mir schon seit Wochen kein Thema mehr. Ich war mit meiner Familie im Urlaub, ich habe ein extrem stabiles und gutes Umfeld. Ich habe im Zuge dieser Geschichte gemerkt, dass ich viel mehr Freunde habe als ich dachte. Das war für mich die größte Freude. Ich habe eine ganz tolle Familie. Und einen tollen Verein. Es gab da einfach viele Menschen, die nicht nur die Headlines gelesen haben und niemanden vorverurteilt haben. Und so kannst du dann auch relativ schnell wieder in den Alltag übergehen. Was braucht der SCP, um nach den Plätzen sieben und sechs in der kommenden Saison vielleicht sogar noch höher klettern zu können? Eine Qualität gehört dazu, um ganz oben landen zu können: Du musst hin und wieder Spiele gewinnen, in denen eigentlich der Gegner besser war. Ich hoffe, dass wir mit der Erfahrung und der Qualität der neuen Jungs künftig auch mal solche Partien ziehen können. Ich bin zuversichtlich, dass die Kinsombis, Kruses und Muslius, die über die nötige Routine verfügen, uns bei diesem Vorhaben helfen werden.

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