Mach's gut, Hüne: Eine Paderborner Legende sagt goodbye

Paderborn. Am 17. Dezember 2005 hatte Uwe Hünemeier sein Profidebüt für Borussia Dortmund gefeiert. Am 28. Mai 2023 wird der gebürtige Rietberger nun in Diensten des SC Paderborn seine erfolgreiche Laufbahn als Fußballprofi beenden. Dann steigt um 15.30 Uhr in der Paderborner Home-Deluxe-Arena das Zweitliga-Saisonfinale gegen den 1. FC Nürnberg. Im Folgenden blickt der Mann mit dem Spitznamen Hüne gegenüber "nw.de" noch einmal auf seine Karriere zurück, um zugleich über Zukunftspläne zu sprechen. Was Letzteres betrifft, können sich alle SCP-Fans freuen, denn der 37-Jährige wird dem Verein erhalten bleiben. Das Karriere-Ende Uwe Hünemeier: Als ich mich dazu entschieden hatte, meine Karriere zu beenden, habe ich mir vorgenommen, jeden Moment zu genießen. Und das klappt echt gut. Man nimmt alles noch einmal bewusster wahr und genießt die Spiele und die Atmosphäre – ob man nun spielt oder nicht. In Bielefeld kam am Samstag erstmals Wehmut auf. Das letzte Auswärtsspiel, so viele SCP-Fans, die deinen Namen rufen. Das macht es irgendwie speziell und besonders. Und es spricht dafür, dass man in seiner Karriere wohl vieles gut und richtig gemacht hat, um nun diese Resonanz zu bekommen. Aber emotional ist es manchmal nicht so einfach. Stürmerblut Zunächst habe ich immer als Stürmer gespielt. Als ich dann mit 14 in die C-Jugend nach Dortmund gekommen bin, hat mich Trainer Peter Wazinski direkt zum Abwehrspieler umfunktioniert. Ich weiß bis heute nicht, was ihn dazu veranlasst hat, aber es war definitiv eine goldrichtige Entscheidung. Als Stürmer hätte ich es wohl auch aufgrund meiner fehlenden Grundschnelligkeit nicht auf dieses hohe Niveau gebracht. Beim SCP kam ich zuletzt nun oft im Angriff zu Joker-Einsätzen. Man könnte daher fast sagen, dass sich der Kreis schließt. Der Trainer weiß, dass ich vorne noch ein gewisses Näschen habe. Und vorne sind wir derzeit halt ein bisschen dünner besetzt als hinten. Da versuche ich zu helfen. In Bielefeld hätte es am Samstag ja fast noch mit dem Sieg geklappt. Ich bin einfach unheimlich glücklich über jede Minute, die ich noch auf dem Platz stehen darf. Borussia Dortmund Die zehn Jahre beim BVB waren eine unfassbar prägende Zeit. Ich bin dort groß geworden. Ich habe enorm viel erlebt und bin noch immer ein unfassbar großer Dortmund-Fan. Natürlich fiebere ich am Wochenende auch mit und hoffe auf die Meisterschaft. Profi-Debüt Die Erinnerungen an diesen 17. Dezember 2005 sind noch immer sehr präsent. Ich durfte mein erstes Spiel für die BVB-Profis machen, stand gleich in der Startelf – und dann ging’s auch noch gegen die großen Bayern. Wir hatten unter Bert van Marwijk eine sehr junge Truppe und unheimlich viele Verletzte. Ich wurde schon beim Warmmachen von der Südtribüne gefeiert, denn die Fans wussten, dass es für einen 19-jährigen Neuling nicht einfach wird. Wir haben ein richtig gutes Spiel gemacht, ich habe ein ordentliches Debüt gefeiert und Claudio Pizarro nach vier Minuten direkt einmal umgehauen. Und ich hätte fast noch ein Tor gegen Olli Kahn gemacht, aber leider haben wir dann 1:2 verloren. Das Spiel kann ich fast noch Minute für Minute rekapitulieren. Energie Cottbus Cottbus war kein einfacher, aber ein sehr wichtiger und absolut richtiger Schritt in meiner Profikarriere. Ich war erstmals ein vollwertiges Mitglied einer Profimannschaft und als frischgebackener Papa erstmals weit weg von Zuhause. Ich hatte allerdings einen schweren Start in den ersten sechs Wochen und habe zunächst auf der Bank gesessen, ehe ich ab dem vierten, fünften Spieltag meinen Platz gefunden und unter Pele Wollitz eine starke Saison gespielt habe. Ich schaue mit Dankbarkeit auf die drei Jahre in Cottbus zurück. Brighton & Hove Albion Der Wechsel im August 2015 kam völlig unverhofft. Ich hatte gar keine Ambitionen, den SC Paderborn nach dem Erstliga-Abstieg zu verlassen und hatte mich eigentlich zu dem Verein bekannt. Ich habe Brighton dann auch zunächst abgesagt, aber der Verein war sehr hartnäckig. Ich war mir bewusst, dass es für mich kein einfacher Schritt wird. Und dass ich in Paderborn eine Lücke in die Mannschaft reißen könnte. Aber Brighton war eine unfassbar tolle und erfolgreiche Zeit. Ich habe viel Lebenserfahrung gesammelt. Dankbare Fans. Wenig Neid. Und dann sind wir auch noch in die Premier League aufgestiegen. Ich hätte dort sicher noch das ein oder andere Jahr bleiben können, doch gerade nach dem Premier-League-Aufstieg habe ich nicht mehr die erhoffte Spielzeit bekommen. Das lag auch an einer langen Verletzung. Aber ich habe noch immer gute Kontakte nach Brighton. SC Paderborn 07 Es war anfangs nicht zu erwarten, dass sich über insgesamt sieben Jahre so eine Beziehung zwischen mir und dem SCP entwickelt. Als ich das erste Mal mit 27 nach Paderborn gekommen bin, wurde schon berichtet, dass es mich sozusagen kurz vor dem Fußball-Rentenalter zurück in die Heimat verschlagen hat. Aber für mich war es eine riesige Chance. Ich wohnte um die Ecke. Familie und Freunde konnten immer im Stadion sein. Ich habe mich von Beginn an sehr wohl gefühlt. Wir sind dann gleich in der ersten Saison mit André Breitenreiter in die Bundesliga aufgestiegen. Auch das Erstligajahr war relativ erfolgreich, wenngleich am Ende der vermeidbare Abstieg stand. Als ich aus Brighton zum SCP zurückgekommen bin, hat es sich wieder sofort richtig angefühlt. Es gab andere Angebote, aber für mich gab es nur die Option Paderborn. Und auch meine zweite Amtszeit beim SCP sollte ja sehr erfolgreich werden. Trainer Ich hatte das Glück, viele gute Trainer zu haben. Theo Schneider, der in Dortmund die U19 und dann die U23 trainierte, hat mich enorm weitergebracht. Peter Wazinski war mit seiner Idee, mich umzuschulen, sehr wichtig. Pele Wollitz auf seine Art und Weise, wie er Fußball lebt. André Breitenreiter, Jürgen Klopp, Steffen Baumgart – und jetzt auch Lukas Kwasniok. Ich habe von vielen unterschiedlichen Trainern sehr viel lernen dürfen. Und ich denke, ich bin auch ein Spieler, den jeder Trainer gerne in seiner Mannschaft hat, weil ich den Teamgedanken lebe und versuche, immer mit Vollgas voranzugehen. Rolle als Führungsspieler Es war nie mein Ansinnen, in einer Mannschaft Everybody’s Darling zu sein. Aber ich wurde überall respektiert, auch wenn der ein oder andere Mitspieler sicher mal gedacht hat, der Hünemeier soll endlich mal sein Maul halten. Ich kann den Jungs im Training schon mächtig auf die Nerven gehen, weil ich von jedem viel einfordere. Aber erst einmal fordere ich es von mir selbst ein. Es ist wichtig, auch mal unbequem zu sein und Dinge offen anzusprechen. Die ersten Wochen und Monate in Paderborn waren nicht einfach. Wir hatten Spieler wie Alban Meha, Mahir Saglik oder Daniel &bdquo;Bohne" Brückner, mit denen ich mich auch schon mal in die Haare bekommen habe. Aber wenn wir uns heute in die Augen schauen, sagen wir: Boah, es war eine richtig geile Zeit. Weil wir damals alle erkannt haben, dass jeder davon profitiert, wenn man sich zusammenrauft und eine Einheit ist. Ob Alban, Mahir oder Bohne, sie hatten alle ihre beste Zeit in Paderborn. Es wird jedenfalls auch in Zukunft wichtig sein, Führungsspieler zu haben, die auch mal unbequem sind, um Dinge voranzubringen. Aber davon gibt es allgemein immer weniger. Höhepunkte und Tiefpunkte Mein erster Bundesliga-Aufstieg mit dem SCP war sicherlich der größte Moment, weil es der erste der Vereinsgeschichte war. Aber die anderen beiden Aufstiege mit Brighton und Paderborn stehen dem kaum nach. Das sind ganz besondere Momente, gerade wenn du nie die Chance hattest, Titel zu gewinnen. 2011 bin ich mit Cottbus im DFB-Pokal-Halbfinale in Duisburg knapp ausgeschieden. Ich habe in der 90. Minute den 2:2-Ausgleich gemacht und wir waren ein Mann mehr. Aber der Schieds- und Linienrichter hatten nicht gesehen, dass der Ball 20, 30 Zentimeter hinter der Linie war und der Treffer zählte nicht. Das war vielleicht die schmerzhafteste Niederlage. Die schwere Verletzung in England war auch ein Tiefpunkt. Damals hatte ich einen Adduktoren-Teilabriss erlitten, ich musste zwei Mal operiert werden und fiel neun Monate aus. Aber abgesehen davon bin ich von größeren Verletzungen verschont geblieben. Klar gab es mal einen Nasenbeinbruch, mal einen Bänderriss, mal eine Platzwunde. Aber in Deutschland bin ich nie länger als zwei bis vier Wochen ausgefallen. Darum bin ich sehr dankbar, dass ich auch deshalb mit 37 noch auf einem so hohen Niveau spielen konnte. Die Erstliga-Abstiege mit Paderborn waren nicht schön, aber ich sehe diese nicht als Niederlagen. Es gab sicher Chancen, aber wir hatten letztlich nicht die Möglichkeiten. Karrierepläne Ich habe ja schon gesagt, dass ich mich selbst auf dem Trainingsplatz und nicht im Büro sehe. Aber welche Aufgabe ich beim SCP übernehme, steht noch nicht fest. Ich versuche erst einmal meinen Fokus auf die letzten Tage als Fußballprofi zu legen und freue mich auf die letzte Trainingswoche. Es wird sicherlich viel Wehmut mit dabei sein. Und wenn dann etwas Ruhe eingekehrt ist, wird man sich sicherlich relativ schnell Gedanken machen, wie die berufliche Zukunft aussehen könnte. Aber zunächst will ich im Hier und Jetzt bleiben. Golfspielen Der Sport hat mich schon immer begeistert, aber es dauerte, um endlich mal auf den Golfplatz zu kommen. Der entscheidende Schritt war eine Trainingsstunde, die mir vor 12, 13 Jahren geschenkt worden war. Seitdem bin ich mit viel Leidenschaft dabei. Und es war stets der perfekte Ausgleich zum Fußball, um runterzukommen. Mittlerweile bin ich ein guter, ambitionierter Hobby-Golfer beim Golfclub Paderborner Land. Mein Handicap liegt bei 5,7. Aber für eine Profikarriere wird es nicht reichen. Saisonfinale gegen Nürnberg Es wird am Sonntag etwas sehr Besonderes, ohne Frage. Ich will alles mit jeder Faser aufsaugen. Das Heimspiel gegen Nürnberg wird sicher auch für die Jungs etwas Besonderes. Das hat man ja auch am Wochenende bei den Abschieden von Nils Petersen in Freiburg und Daniel Gordon in Karlsruhe gesehen. Ich freue mich auf Sonntag, auch wenn es sicherlich sehr emotional wird. Abschiedsspiel So etwas ist nicht geplant und ich hätte da auch keine Ambitionen. Die Partie gegen Nürnberg ist das perfekte Abschiedsspiel. Es gibt doch nichts Schöneres, als das letzte Spiel zuhause in einem vollen Stadion bestreiten zu dürfen. Ich kann auf einem hohen Niveau aufhören. Und ich denke doch, dass ich irgendwann im Laufe des Spiels auch auf dem Platz stehen darf. Schwarz-Gelb Bokel Bokel ist für mich Heimat, meine Familie lebt dort. Ich schaue immer wieder dort vorbei und kenne noch sehr viele Leute rund um den Verein. Und es werden am Sonntag sehr, sehr viele Bokeler im Stadion sein. Viele wollen wohl auch in Schwarz-Gelb kommen. Das zeigt die Verbundenheit. Man hat immer meinen Weg verfolgt. Und ich verfolge den Weg des Vereins. Ich habe dort auch ein Techniktraining für den Nachwuchs initiiert, bei dem ich manchmal mithelfe. Ich bin meinem Heimatverein unfassbar dankbar und versuche, etwas zurückzugeben. Dort hat alles angefangen. Und es hätte seinen Charme, wenn ich noch mal für Bokel spielen könnte. Aber da muss man erst einmal schauen, ob es sich zeitlich mit meiner Aufgabe beim SCP vereinbaren lässt. Es gab auch Anfragen anderer Vereine aus dem höheren Amateurbereich, ob ich nicht dort kicken könnte. Aber das habe ich für mich kategorisch ausgeschlossen. Ich wollte einen Cut machen und nur noch aus Spaß ein bisschen kicken, wenn es passt.

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