SC Paderborn Urgestein im Interview: Christian Strohdiek ist zurück beim SC Paderborn

Paderborn. Als zwölfjähriger Steppke war Christian Strohdiek im Juli 2000 von der TuRa Elsen zum SC Paderborn gewechselt. Knapp neun Jahre später feierte er sein Debüt für die SCP-Profis. 270 weitere Pflichtspiel-Einsätze für Paderborns erste Mannschaft sollten folgen. Abgesehen von der Saison 2015/16, als er einen Abstecher zu Fortuna Düsseldorf machte, spielte Strohdiek knapp 20 Jahre lang für den SCP, ehe er im Januar 2021 zu den Würzburger Kickers wechselte. Nun ist der Innenverteidiger zurück an der Pader. Allerdings hat das Vereins-Urgestein nach insgesamt 328 Einsätzen in der 1., 2. und 3. Liga seine Profi-Karriere beendet. Ab sofort ist der 34-Jährige nur noch für die U21 des SCP in der Oberliga am Ball. NW-Redakteur Frank Beineke sprach mit Christian Strohdiek über dessen ereignisreiche Fußballer-Laufbahn, den SC Paderborn und Zukunftspläne. Herr Strohdiek, nach 328 Spielen im Profibereich ist Feierabend. Wie fällt die Bilanz Ihrer langen Profi-Karriere aus? Christian Strohdiek: Geträumt hat man manchmal von so einer Karriere, aber man konnte sich so etwas nicht vorstellen. Zum Glück blieb ich von schweren Verletzungen verschont. Das habe ich sicher den guten Genen und den starken Bändern meines Vaters zu verdanken. Ich bin zwar nicht der Beweglichste, doch die Dinger haben immer gehalten. Aber 328 Spiele im Profibereich? Das hätte ich nie für möglich gehalten, als ich von der TuRa Elsen zum SCP gewechselt bin. Ich wollte nur weiter mit meinen TuRa-Kumpels kicken, die ebenfalls zum SCP gegangen waren. Doch dann wurde es mit dem Fußball Jahr für Jahr ein Tick ernster. Als ich dann meine Ausbildung zum Zimmermann angefangen habe, bin ich 2006 unter Trainer Jos Luhukay erstmals mit ins Trainingslager der Profis gefahren. Es hat dann aber bis zum 1. Juni 2009 gedauert, ehe Sie ausgerechnet beim Relegations-Rückspiel in Osnabrück ihr Profidebüt feierten. Die Ausbildung hatte für mich erst einmal Priorität. Auf der Baustelle zu sein und auf dem Trainingsplatz, das geht halt nicht zeitgleich. Und die ersten Jahre bei den Profis waren ja in Sachen Trainer sehr abwechslungsreich. Da bist du als sehr junger Spieler, der noch eine Ausbildung macht, nicht bei jedem Coach sofort auf dem Schirm. Das hat gedauert, aber ich war immer im Dunstkreis der Profis. Schon nach zwei Jahren konnte ich dann meine Ausbildung abschließen und meinen ersten Profivertrag unterschreiben. Mein Debüt in Osnabrück mit dem Zweitliga-Aufstieg war natürlich das erste große Highlight, auch wenn ich nur zwei, drei Minuten gespielt habe. Geduld war aber auch anschließend gefragt, denn zum Stammspieler avancierten Sie erst in der Saison 2010/11. Ich war ja auch nie das große Talent. Da gab es definitiv viele andere Jungs, die fußballerisch besser waren. Aber ich habe im Laufe der Jahre gewisse Eigenschaften entwickelt, die du dir nicht über Talent aneignen kannst, sondern nur durch harte Arbeit. Wenn ein neuer Trainer kam, galt ich immer schnell als Wackelkandidat. Ich musste mich stets neu durchbeißen und habe unter jedem Coach meine Einsätze bekommen. Das hat mich ausgezeichnet: Ich habe mich immer wieder durchgesetzt, so viele Steine auch auf dem Weg lagen und so viele Widerstände auch intern oder extern überwunden werden mussten. Auch wenn ich definitiv meine Probleme damit hatte, wenn ich nur auf der Bank saß. Wenn es eine Schwäche bei mir gab, dann war es die, dass ich diese Enttäuschung nur sehr schwer verarbeiten konnte. Ich hatte eine wahnsinnig schöne Zeit beim SCP, aber es waren auch sehr schwierige Phasen dabei. Zum Beispiel? Als ich als Kapitän in den Spielzeiten 2018/19 und 2019/20 oftmals nur Ersatz war und nicht auf dem Spielfeld eingreifen konnte. Daran hatte ich zu knabbern. Eigentlich muss ja ein Kapitän auf dem Platz stehen. Aber ich habe solche Entscheidungen stets respektiert und tagtäglich weiter hart gearbeitet. Und ich habe den Fehler nie bei anderen gesucht. Auch das hat maßgeblich dazu beigetragen, dass ich unterm Strich über 300 Profispiele absolvieren konnte. Ich habe mich nie unterkriegen lassen, in schwierigen Situationen den Jetzt-erst-recht-Schalter umgelegt und noch einmal eine Schippe draufgelegt. Welche Trainer haben Sie am meisten vorangebracht? Ein großer Förderer war André Schubert, unter dem ich auch mein Profidebüt gefeiert habe. Er hat mir den Schritt zu den Profis ermöglicht. Roger Schmidt war auf der menschlichen Ebene einer der besten Trainer, die ich hatte. Und mit Steffen Baumgart hatte ich natürlich die erfolgreichste Zeit. Unter ihm haben wir mit einem Haufen von Spielern und Trainern, die keiner mehr haben wollte, Fußball-Geschichte geschrieben. Und er hat mich zum Kapitän gemacht. Und was waren die Höhepunkte Ihrer langen Profikarriere? Da gibt es einen ganzen Rucksack voll. Mein Debüt und der Aufstieg 2009 wären da sicherlich zu nennen. Da hatte ich erstmals das Gefühl, richtig angekommen zu sein. Rückblickend betrachtet war es der wichtigste und schwierigste Erfolg, denn damals waren wir zum Aufstieg verdammt. Da war auch der interne Druck enorm, denn wir wussten, was auf dem Spiel steht. Auch die anderen Aufstiege zählen zu den Highlights. Der erste Bundesliga-Aufstieg 2014 überstrahlt natürlich alles und war ein Meilenstein für den Verein, denn damit wurde letztlich auch der Grundstein fürs Trainingszentrum gelegt. Aber als Eigengewächs und Paderborner Junge war es für mich auch etwas ganz Besonderes, die Mannschaft am ersten Spieltag der Bundesliga-Saison 2019/20 als Kapitän auf den Platz führen zu dürfen. Das war für mich der ganz, ganz große Höhepunkt, denn ich denke, es war ein Zeichen für den gesamten SCP-Nachwuchs. Meine Nachfolger Sebastian Schonlau und Ron Schallenberg haben das dann ja weitergeführt und exakt dies muss auch der Weg des Vereins sein. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie nun dieses Trainingszentrum hier sehen? Das ist emotional kaum zu beschreiben. Wenn ich an meine Anfänge beim SCP zurückdenke, ist das ein himmelweiter Unterschied. Damals sind wir per Auto, Bulli oder Fahrrad zu den unterschiedlichsten Trainingsorten gefahren. Verglichen damit ist es nun der pure Luxus, den sich der Verein aber durch harte Arbeit verdient hat. Viele andere Vereine haben ihre Stadien ausgebaut und Millionen verprasst. Hier wurde nachhaltig investiert. Denn eigentlich sollte so ein Trainingszentrum das Aushängeschild eines jeden Vereins sein. Es ist das Fundament deiner tagtäglichen Arbeit. Hier bist du viel häufiger als drüben im Stadion. Hier musst du dich als Mannschaft wohlfühlen, hier entwickelst du deinen Teamspirit. Du hast hier alles vor Ort und keine weiten Wege. Und du hast den Kontakt zwischen Nachwuchs und Profis, den es damals nicht gab. Ich war früher Balljunge und kannte keinen einzigen Spieler der ersten Mannschaft. Das Wir-Gefühl und das Herzblut, das diesen Verein einfach auszeichnen müssen, ist hier im Trainingszentrum vorhanden. Apropos Herzblut. Was bedeutet Ihnen der SC Paderborn? Ich habe fast zwei Drittel meines Lebens hier verbracht und werde hoffentlich auch noch viele Jahre hier verbringen. Es ist einfach mein Heimatverein, für den ich mir jahrelang den Hintern aufgerissen habe. Ich habe hier so viele schöne Momente erlebt. Und schwierige Phasen. Letztlich schweißen die negativen Erfahrungen noch mehr zusammen. Was waren denn die Tiefpunkte? Das waren wenig überraschend die Abstiege. Vor allem der 20. Mai 2017, als wir nach dem 0:0 in Osnabrück als sportlicher Absteiger in die Regionalliga feststanden und nicht wussten, wie und ob es überhaupt weitergeht. Da ist eine Welt zusammengebrochen. Das schwierigste Spiel meiner Karriere war dann auch das Westfalenpokal-Finale gegen Lotte, das fünf Tage später anstand. Wir gewannen 3:1. Und dann kam der Tag, an dem der TSV 1860 München keine Drittliga-Lizenz beantragte. Jeder, der damals beim SC Paderborn war, weiß wohl, was er an diesem Tag gemacht hat. Und diese Erlebnisse haben die Mannschaft zusammengeschweißt. Diese Mannschaft setzte anschließend zu einem sensationellen Höhenflug an. Wir haben diese zweite Chance der Wiedergutmachung als Verein, aber auch als Spieler genutzt. Wir haben damals die Erfahrung gemacht, dass es nicht selbstverständlich ist, einen Profivertrag zu haben. Eine Erfahrung, die nun auch so mancher Spieler in Coronazeiten machen muss. Als wir dann in Dresden in die Bundesliga aufgestiegen sind, stand man da wie ein kleiner Junge und konnte es nicht glauben. Und wie war das Erlebnis Bundesliga? Es war einfach unfassbar. Als Kind hast du samstags um 18 Uhr die Sportschau eingeschaltet oder nachmittags Radio gehört. Und auf einmal stehst du selbst samstags um 15.30 Uhr in den schönsten Stadien Europas auf dem Platz, die noch dazu voll sind. Das kann man nicht beschreiben, wenn so ein Hackstock wie ich sich auch noch den Bundesliga-Traum erfüllen kann. Und wir sind ja auch noch so bekloppt gewesen, gleich zwei Mal den Erstliga-Aufstieg zu schaffen. (grinst) Nach der ersten Bundesliga-Spielzeit mit dem SCP ging es im Jahr 2015 aber für eine Saison zu Fortuna Düsseldorf, ehe sie nach Paderborn zurückkehrten. Wie blicken Sie auf die Zeit in der Landeshauptstadt zurück? Rückblickend betrachtet war es aus sportlicher Sicht nicht die beste Entscheidung. Es war für Düsseldorf ein wildes Jahr mit vier verschiedenen Trainern, ehe wir mit Friedhelm Funkel am letzten Spieltag den Klassenerhalt sicherten. Ich habe 17 Spiele gemacht, aber beide Seiten hatten sich etwas anderes vorgestellt. Es gab die ein oder andere Situation, in der ich wirklich darüber nachgedacht habe, ob ich weitermache, weil mir schlicht und einfach der Spaß am Fußball verloren gegangen war. Ein Gespräch mit Co-Trainer Peter Hermann hat mir dann sehr geholfen und gezeigt, dass mein Weg nicht der falsche war. Er hat mir gesagt, dass er den Hut davor ziehe, wie sehr ich im Training Vollgas gebe. Im Januar 2021 gab es dann den zweiten Abschied aus Paderborn und den Wechsel zu den Würzburger Kickers. Auch diese Zeit war aber alles andere als erfolgreich. Wir sind leider zwei Mal abgestiegen. Aber meine Entscheidung war damals richtig. Mein Vertrag in Paderborn wäre im Sommer 2021 ohnehin ausgelaufen und ich sollte dann beim SCP in die Phase nach der aktiven Profikarriere treten. Aber ich wollte unbedingt weiter Fußball spielen und dabei helfen, das Ruder herumzureißen und mit Würzburg noch den Zweitliga-Klassenerhalt zu schaffen. Und wenn es nicht klappt, wollte ich halt beim Neuaufbau helfen. Das war der Plan. Aber leider sind dann viele Dinge schiefgelaufen. Schon beim Zweitliga-Aufstieg war in Würzburg viel Vereins-DNA verloren gegangen. Das sollte sich dann in Krisenzeiten als fatal erweisen. Ein Fußballverein lebt von Identifikation. Die Zeit in Würzburg hat mir noch einmal vor Augen geführt, was es braucht, um erfolgreich zu sein. Wie wichtig ein funktionierendes Kollektiv ist. Die neue SCP-Mannschaft scheint als Kollektiv zu funktionieren. Wie ist Ihr Eindruck vom Team? Ich kenne ja noch den ein oder anderen der Jungs und weiß, dass sie einen großen Wert auf diesen Kollektivgedanken legen. Alle scheinen zu wissen, wie wichtig es für einen kleinen Verein wie den SCP ist, zusammenzustehen. Paderborn kann selten einen Spieler verkraften, der sich über alle anderen stellt. Jeder scheint sich diesem Projekt unterzuordnen, weil auch jeder weiß, dass jeder Einzelne durch den Erfolg davon profitiert. Du siehst beim aktuellen SCP-Team, dass auch Jungs, die von der Bank kommen, zumeist sofort funktionieren. Das ist ein guter Indikator dafür, dass es in der Mannschaft stimmt. Der Verein und alle, die für ihn arbeiten, machen derzeit einen richtig guten Job. Ihr neuer Job ist nun der des Führungsspielers in der U21, die von ihrem alten Teamkollegen Thomas Bertels trainiert wird. Wie gehen Sie ihre neue Aufgabe bei der Oberliga-Reserve an? Ich bin kein alter Sack, der jetzt unbedingt noch kicken will. Ich möchte einfach meinen Erfahrungsschatz an junge Spieler weitergeben. Ich will den Jungs zeigen, was nötig ist, um unabhängig von technischen Fähigkeiten und anderen fußballerischen Qualitäten durch harte Arbeit vorwärts zu kommen. Denn Arbeit schlägt am Ende das Talent. Ich weiß, wie schwer es ist, aus der eigenen Jugend in den Profibereich zu kommen. Ich will ihnen zeigen, wie man auch mit Rückschlägen umgehen kann. Ich muss dabei nicht jeden Spieltag vorneweg laufen und 90 Minuten spielen, nur weil ich den Namen habe. Ich bin auch nicht Kapitän. Ich möchte keinem Talent im Weg stehen. Denn ich höre nach dieser Saison mit hoher Wahrscheinlichkeit auf, während sie am Anfang ihrer Karriere stehen. Die Entwicklung der jungen Spieler steht im Fokus. Ich bin für die Jungs der Ex-Profi zum Anfassen. Thommy Bertels kann sich blind auf mich verlassen. Und ich kann mich blind auf ihn verlassen. Wie viel Spaß macht das? Unheimlich viel Spaß. Die Arbeit mit solchen Talenten hält einen selbst jung. Die Zeit in Würzburg hatte mir keinen Spaß mehr gemacht. Und so wollte ich nicht mit dem Fußball aufhören. Denn wir haben ja alle mal mit dem Fußball angefangen, weil es uns Spaß macht. Das darf in einer Mannschaft auch nie verloren gehen. Und was macht Christian Strohdiek nach der Saison 2022/23? Streben Sie dann selbst eine Trainerkarriere an? Nein, ich sehe mich nicht als Trainer. Ich werde als Spieler mit hoher Wahrscheinlichkeit aufhören, aber ich möchte dem Verein dann in einer anderen Funktion dienen. Es gibt Pläne, aber die gab es für diesen Sommer auch und sehen nun schon wieder etwas anders aus. Mein Wunsch ist, wieder näher am Profibereich zu arbeiten. Aber da steht noch einiges in den Sternen. Mein Fokus liegt jetzt voll und ganz auf der U21. Ich bin erst einmal froh, dass ich wieder hier bin und mit den Jungs arbeiten kann. Alles andere wird sich in den nächsten Monaten entwickeln.

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