Ritters neue Rolle: Ein Ex-Paderborner entdeckt die Lust am Verteidigen

Paderborn/Kaiserslautern. Marlon Ritter ist einer von wenigen Fußballprofis, die unter einer Grasallergie leiden. Der direkte Kontakt mit dem Rasen ruft bei ihm Rötungen und Juckreiz hervor. Das hält den 27-Jährigen aber nicht vom Grätschen ab. In Diensten des 1. FC Kaiserslautern tut er dies besonders gern und häufig. Denn aus dem einstigen Stürmer ist in der Pfalz ein Sechser geworden. Seine neuen Defensiv-Qualitäten will Ritter an diesem Freitag, 12. August, nun auch im Zweitliga-Heimspiel gegen seinen Ex-Klub SC Paderborn (18.30 Uhr, Fritz-Walter-Stadion) unter Beweis stellen. Für den gebürtigen Essener ist es ein Wiedersehen mit dem Verein, den er in der Drittliga-Saison 2017/18 mit 14 Toren in die 2. Bundesliga geschossen hatte. "Ich denke gern an die Zeit in Paderborn zurück", sagt Ritter, den viele SCP-Fans noch als genialen Mittelfeld-Zauberer in Erinnerung haben dürften. Doch dabei wird schnell vergessen, dass der ehemalige Torschützenkönig der Regionalliga West schon in der besagten SCP-Drittliga-Saison oftmals neben Robin Krauße auf der Doppel-Sechs agiert hatte. Eine solche Rolle nimmt Ritter nun auch in Kaiserslautern unter dem neuen Trainer Dirk Schuster ein. "Wie damals mit Robin kümmert sich mein Nebenmann vornehmlich um die Defensive, während ich wieder mehr Freiheiten im Spiel nach vorne habe", erklärt der Ex-Paderborner. Umschulung unter Marco Antwerpen Sein damaliger Coach Marco Antwerpen hatte Ritter unterdessen über weite Strecken der Drittliga-Spielzeit 2021/22 als alleinigen Sechser eingesetzt. "Das war für mich schon eine große Umstellung, denn ich musste den Laden erst einmal hinten dichthalten. Aber irgendwie habe ich dabei den Spaß am Verteidigen entdeckt", sagt der 27-Jährige, der mit dem FCK in der Relegation den ersehnten Aufstieg in die 2. Liga feierte. Mit dem SCP hatte er von 2017 bis 2019 gar den Durchmarsch in die Bundesliga geschafft. Doch nach einer Verletzung in der Vorbereitung auf die Saison 2018/19 ging es für Ritter in Paderborn peu à peu bergab. Aus dem einstigen Aufstiegshelden wurde ein Bankdrücker. In der Erstliga-Spielzeit 2019/20 verbuchte er nur noch drei Startelf-Einsätze. "Irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich mir eingestehen musste, dass es für mich beim SCP nicht mehr weitergeht", sagt Ritter. Und so wechselte er im September 2020 zum 1. FC Kaiserslautern. "Es war der richtige Schritt", urteilt Ritter, wenngleich er mit den Pfälzern in seiner ersten Saison nur hauchdünn am Drittliga-Abstieg vorbeigeschrammt war. Doch dann entfachte der FCK in der Region eine neue Euphorie, die nach dem glänzenden Zweitliga-Saisonstart noch größer geworden ist. Die Mannschaft bleibt auf dem Boden Mit sieben Punkten stehen die Lauterer derzeit auf Rang zwei. "Unsere Fans träumen schnell von glorreichen Zeiten", sagt Ritter. Doch bei Mannschaft und Trainerteam besteht ganz offensichtlich keine Gefahr des Abhebens. Dies zeigte sich auch nach dem jüngsten 2:1-Heimsieg gegen St. Pauli. Denn bei allem Jubel gab es jede Menge Selbstkritik. "Wir wissen, dass es unser bislang schlechtestes Spiel unter Dirk Schuster war", betont Ritter und fügt an: "Und wir sind schlau genug und wissen, dass wir da oben nichts zu suchen haben." Einziges Ziel bleibe der Klassenerhalt. "Wenn wir am 34. Spieltag auf Platz 15 stehen, ist alles gut", sagt der ehemalige SCP-Spieler. Nichtsdestotrotz wolle sein Team bei aller Sachlichkeit so lange wie möglich auf dieser Euphoriewelle reiten. "Unsere Fans entfalten zuhause auf dem Betze eine ungeheure Wucht", erklärt Ritter, "ich bin gespannt, wie Paderborn damit zurechtkommt, wenn hier das Stadion brennt." Glücklich in der Vaterrolle Der defensive Mittelfeldspieler weiß allerdings nur allzu gut, welch schwere Aufgabe auf seine Mannschaft wartet. "Der SCP steht für Hurra-Fußball. Wir müssen uns deutlich steigern, sonst geraten wir am Freitag unter die Räder", mahnt Ritter. Dessen Team zeigte zuletzt ungewohnte Schwächen bei ruhenden Bällen. So resultierten die letzten fünf Gegentreffer aus Standardsituationen, wobei die Gegner gleich vier Mal nach einer Ecke zuschlugen. Unterm Strich aber ist die Defensivarbeit die große Stärke der Lauterer. In der vergangenen Drittliga-Saison kassierte der FCK lediglich 27 Gegentore in 36 Spielen. Denn das Team zeigt exakt jene Grundtugenden, die in der Pfalz so sehr geliebt werden. "Auf dem Betze wird nur erwartet, dass du 90 Minuten kämpfst. Dann stehen die Fans bedingungslos hinter dir", sagt Ritter und bezeichnet die Fußballbegeisterung in Kaiserslautern als "Wahnsinn". "Wenn du nach einem Spiel in die Stadt gehst, weißt du sofort, wie der FCK gespielt hat. Bei einem Sieg ist die ganze City brechend voll, bei einer Niederlage herrscht tote Hose. Die ganze Stadt lebt für den FCK", berichtet der 27-Jährige, der in der Pfalz noch eine weitere neue Rolle gelernt hat. So ist Marlon Ritter vor 15 Monaten erstmals Vater geworden. Seine kleine Tochter ist sein ganzer Stolz. Und auch in dieser Rolle fühlt sich der ehemalige Paderborner Publikumsliebling pudelwohl.

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