
Von
Frank Beineke
04.02.2020 | 05.02.2020, 12:13
Fußball
Warum der Verband mit der strengeren Regelauslegung das Gegenteil von dem erreicht, was er eigentlich bezwecken wollte.
Für einen Schiedsrichter ist es eigentlich das größte Kompliment, wenn er eine Partie möglichst unauffällig und geradezu unsichtbar gepfiffen hat. Doch eine solche Spielleitung ist für einen Referee im Profibereich anno 2020 nahezu ein Ding der Unmöglichkeit geworden, sofern er sich an die vorgegebenen Regel-Richtlinien hält.
Dafür sorgt allein der Videobeweis, der den Charakter des Fußballspiels und vor allem dessen Wahrnehmung verändert hat. Dass der Technik-Einsatz die Zahl der Fehlentscheidungen deutlich reduziert hat, ist unbestritten. Doch er bringt auch immense Nachteile mit sich. Fans können nach Torerfolgen heutzutage selten unbeschwert jubeln. Fehlentscheidungen, die es trotz Video-Assistent-Referee weiterhin gibt, wirken nun noch deutlich ungerechter. Und letztlich mangelt es auch zweieinhalb Jahre, nachdem der VAR in der 1. Bundesliga Einzug gehalten hat, an einer klaren Linie.
Doch statt an der Behebung dieser Baustelle zu arbeiten, hat der Deutsche Fußball-Bund lieber eine neue eröffnet. Seit der Rückrunde gelten strengere Regeln. Unsportlichkeiten sollen deutlich schneller mit Karten geahndet werden. Reklamieren wird zumeist sofort bestraft. Der DFB mag hierbei einen lobenswerten Ansatz verfolgen, denn im Amateurfußball wird den Schiedsrichtern in der Tat oftmals viel zu wenig Respekt entgegengebracht. Und der Profibereich hat hier sicherlich eine Vorbildfunktion.
Doch letztlich erweist der Verband seinen Referees damit einen Bärendienst. Fans, Spieler, Trainer und Funktionäre wünschen sich zurecht das vielzitierte Fingerspitzengefühl, das einen guten Referee eigentlich auch ausmacht. Schiedsrichter aber müssen sich immer stärker an realitätsferne Regeln halten, durch die sie in den Fokus der Kritik geraten. Wenn ein Torhüter beispielsweise Gelb-Rot sieht, weil er bei einem gehaltenen Elfmeter Zentimeter vor der Torlinie gestanden hat, ist das schlichtweg irrsinnig. Laut Regelwerk aber hat der Referee alles richtig gemacht.
Und auch die aktuelle Kartenflut sorgt für Kopfschütteln. Am vergangenen Spieltag gab es in der 1. und 2. Liga gleich sechs Platzverweise. Nach dem sensationell guten Spiel zwischen Leipzig und Gladbach wurde kaum über Fußball, sondern fast nur über die Gelb-Rote Karte gegen Borussen-Stürmer Plea geredet. Und es ist bezeichnend, wenn der Schiedsrichter zugibt, dass er diesen Platzverweis in der Hinrunde wohl nicht gegeben hätte.
Die ersten drei Spieltage der Bundesliga-Rückrunde haben bereits gezeigt, dass die neue DFB-Linie kontraproduktiv ist. Eines ist klar: Beleidigungen und tatsächliche Respektlosigkeiten müssen auch konsequent geahndet werden. Doch wenn durch eine viel zu strenge Regelauslegung der Unmut über die Referees wächst, hat der Verband das Gegenteil von dem erreicht, was er bezwecken wollte. Denn darunter leiden dann letztlich auch die vielen, vielen Schiedsrichter im Amateurbereich, die für einen lächerlichen Lohn ihre Freizeit opfern – und mitunter leider sogar ihre Gesundheit aufs Spiel setzen.
Doppelter Seltenheitswert
Fußball-Bundesliga
1:2 bei Hansa Rostock
3. Liga
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