Bielefeld

Schreibers Touchdown zum Sieg im letzten Spiel für die Bulldogs

Mein emotionalster Moment im Sport: Heiko Schreiber erlebt bei den Bielefeld Bulldogs einen perfekten Karriere-Abschluss. Es ist nicht der einzige Moment für starke Nerven

Heiko Schreiber von den Bielefeld Bulldogs | © Wolfgang Rudolf

Peter Burkamp
14.01.2021 | 14.01.2021, 23:00

Bielefeld. Manche Sportler haben das Glück (oder sind so clever), dass sie auf oder unmittelbar nach dem Höhepunkt ihrer Karriere Schluss machen. Vielen gelingt der Absprung zur rechten Zeit allerdings nicht. Ein Beispiel ist der Profiboxer Henry Maske, der seinen finalen WM-Kampf gegen Virgil Hill verlor und frustriert den Ring verließ. Heiko Schreiber hat alles richtig gemacht. Sein letztes Spiel für die Bulldogs bleibt für ihn unvergesslich. Einen schöneren und emotionaleren Abschied hätte sich Schreiber kaum wünschen können.

Es ist der 3. September 2016. Das letzte Heimspiel auf der Rußheide. Homecoming – wie es in den USA heißt. Die Bulldogs beschließen die Saison mit einem OWL-Derby gegen den Lokalrivalen aus Paderborn. Zwar ist der Abstieg aus der 2. Liga schon besiegelt, doch ein Sieg über den Nachbarn soll für einen versöhnlichen Abschluss sorgen. Nach 27 Jahren American Football will Heiko Schreiber kurz vor seinem 46. Geburtstag seine aktive Zeit beenden.

Gleich kommen die Teamgefährten angerannt: Heiko Schreiber beim letzten Touchdown seiner Karriere für die Bielefeld Bulldogs. Foto: André Zarnke - © Zarnke
Gleich kommen die Teamgefährten angerannt: Heiko Schreiber beim letzten Touchdown seiner Karriere für die Bielefeld Bulldogs. Foto: André Zarnke | © Zarnke

Mehr als 1.000 Besucher füllen das Stadion. Viele Veteranen, Spieler aus früheren Jahren, sind vor Ort. Zwei Minuten vor Spielende – es steht 28:29 und die Bielefelder Angriffsreihe steht kurz vor der Endzone – hat Schreiber eine Idee. „Ich gehöre ja zu denen, die die Klappe nicht halten können", sagt er und lacht dabei. Er wendet sich an Offense-Koordinator Christian Gawlik. „Ich sage zu ihm: Mensch, ich wüsste eine Passroute, wo ich frei bin. Da guckt er mich an und sagt: wenn du meinst."

"Mein Vorteil war die Erfahrung"

Schreiber genießt trotz seines fortgeschrittenen Alters das Vertrauen der Coaches und des jungen Quarterbacks Niklas Gorny. „Ich habe immer unglaublich sichere Hände gehabt. Die 20-Jährigen mögen zwar etwas schneller sein, mein Vorteil aber war die Erfahrung. Wenn man mir den Ball zuwirft, fange ich ihn." Schreiber setzt sich den Helm auf, die Mannschaft geht in Position. Das Spiel ist freigegeben. Schreiber sprintet los, schüttelt auf seinem Weg in die Endzone sämtliche Gegenspieler ab und steht frei. Der Ball fliegt durch die Luft, Schreiber fängt.

"Dann kommt das ganze Team auf mich zugestürmt"

Er erinnert sich noch genau. „Ich kniee ab, recke den Ball in die Höhe, und dann kommt schon das ganze Team auf mich zugestürmt und es liegen 40 Leute auf mir drauf." Mit dem Touchdown drehen die Bulldogs das Spiel. Paderborn gelingen keine Punkte mehr. Die Bulldogs gewinnen 34:29. „Den alles entscheidenden Touchdown zu machen, war für mich ein unheimlich schöner Abschluss. Als der Abpfiff ertönte, war der Jubel riesig."

Etwas Besonderes war dieses letzte Spiel seiner Karriere für Heiko Schreiber nicht nur wegen des entscheidenden Touchdowns, sondern weil mit Paderborn der zweite Klub involviert war, für den er in seiner Karriere gespielt hat. „Ich fühle mich beiden Vereinen verbunden, aber mein Herz ist dunkelgrün." Und es schlägt für American Football, weil Heiko Schreiber den Teamgeist dieser Sportart so schätzt. Und die Unterstützung der Fans. „Der Zusammenhalt, füreinander da sein – das macht Football für mich aus. Der, der neben einem steht, sollte wissen, was er macht, sonst tut es halt weh."

Eine extreme Belastungsprobe für die Fans

Schreiber stellt die Leistung der Mannschaft über die des Einzelnen. In seinem letzten Spiel fiel beides perfekt zusammen. So wie in einem weiteren, an das sich Schreiber erinnert. In der Kategorie „emotionalster Moment im Sport" nur hauchdünn auf Platz zwei liegend. Am vorletzten Spieltag der Regionalligasaison 2003 mussten die Bulldogs in Troisdorf gewinnen oder unentschieden spielen, um in die 2. Liga aufzusteigen. Auf den Rängen hofften die Fans der Gastgeber sowie das Team und die Anhänger der Cologne Falcons auf einen Patzer der Bulldogs, damit die eigene Aufstiegschance gewahrt bliebe.

Kurz vor Schluss hatten die Bielefelder mit einem Touchdown auf 26:27 verkürzt. Der Receiver Heiko Schreiber war wie schon so oft auch als Kicker gefordert. Schreiber steht bereit, um den PAT, Punkt nach dem Touchdown, auszuführen. Er bekommt den Ball vor die Füße gelegt, tritt und trifft. „Dann lag plötzlich eine gelbe Flagge auf dem Rasen. Foul gegen uns, fünf Yards zurück und nochmal das Ganze." Eine extreme Belastungsprobe für die Bulldogs, doch Schreiber bleibt cool und trifft ein zweites Mal. „Die Kölner stöhnten auf, während unsere Fans jubelten."

Coach Conrad mochte nicht hinschauen

Doch erneut fliegt die gelbe Flagge. Wegen Haltens müssen die Bulldogs weitere zehn Yards zurück, bekommen aber eine dritte Chance. Erst später erfuhr Schreiber, „dass Coach Cevin Conrad in diesem Moment kurz überlegt hat, die Situation auszuspielen anstatt zu kicken". Conrad ließ seinem Team den dritten Versuch, mochte aber nicht hinschauen.

Dem Jubel seiner Crew entnahm er: Schreiber hatte wieder getroffen. „Die nervliche Anspannung war enorm, aber Long-Snapper Jan Rieke, Holder Pieter Eyckerman, ich und das ganze Team haben trotz des Drucks einen tollen Job gemacht." Es blieb beim 27:27, die Bulldogs stiegen auf und Heiko Schreibers Football-Karriere war um einen Höhepunkt reicher.

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