
Bielefeld. Lange hatten sie nach einem neuen Ort gesucht, wo sie unter fachkundiger Beratung trainieren können, jetzt sind sie fündig geworden: Seit Anfang September bereitet sich Boxer Leon Harth (31) mit Alexander Bich an seiner Seite im ?Sporting Club Lenkwerk? gezielt auf seinen nächsten Kampf vor. Den wird der Neu-Bielefelder Ende Oktober im Berliner Maritim bestreiten. "Für uns ist das ein Vorbereitungskampf, um uns für höhere Aufgaben zu empfehlen", sagt Alexander Bich.
Eingebettet in "Petko?s Fight Night" kämpft der zweifache Champion (IBO Continental und WBC Asia) um eine weitere Titelchance im Halbschwergewicht (bis 79,3 kg), nachdem er im Mai die Gelegenheit auf einen dritten Titelgewinn verpasste. In der Frankfurter Fraport-Arena verlor der Deutsch-Armenier gegen den Lokalmatador Leon Bunn. Um die Chance auf einen weiteren Titelkampf zu wahren, muss Harth Ende nun Oktober in Berlin im Maritim Hotel am Potsdamer Platz den bisher noch ungeschlagenen Niederländer Giovanni Rijkaard ("ein physisch starker Mann") bezwingen.
Entsprechend motiviert ist Harth, der nach seinem Umzug von Detmold nach Bielefeld nicht nur ein neues Zuhause, sondern auf Umwegen auch das passende sportliche Umfeld gefunden hat. "Gut vier Monate haben wir in Bielefeld nach einer passenden Trainingsstätte gesucht", erläutern Alexander Bich und Leon Harth unisono. Nun haben sie mit dem ?Sporting Club Lenkwerk? eine Location gefunden. Alexander Bich meint: "Die Zusammenarbeit funktioniert so, wie wir uns das vorgestellt haben." Ähnlich sieht das Clubbetreiber Stephan Berger. "Wir sehen das als Chance an, uns auch im Leistungssportbereich zu qualifizieren", sagt der Sportwissenschaftler mit Auslandserfahrung. Der 43-jährige Berger hat sich als Physiotherapeut und Fitnesstrainer einen Namen gemacht.
Harth hat in den vergangenen Monaten kontinuierlich trainiert, um topfit zu bleiben - das betrifft sowohl den Kraftbereich und die Ausdauerfähigkeit, aber auch die stete Schulung der boxerischen Fähigkeiten. Aktuell befindet er sich im Wettkampf-Modus, einer speziellen achtwöchigen Vorbereitungsphase, in dem das Training noch einmal deutlich intensiviert wird. Für Leon Harth kein Problem, denn er lebt für den Sport, der ein wichtiger Bestandteil seines Lebens ist. Das wird besonders deutlich beim Blick auf seine sportliche Vita.
"Ich komme ja ursprünglich vom Fußball", erzählt der 31-jährige gebürtige Armenier, der gemeinsam mit seiner Familie und seinen Schwestern Iskuhi (29) und Seda (28) zur Jahrtausendwende nach Deutschland gezogen ist. Da war er 12 Jahre alt. In Detmold hat er schnell eine zweite Heimat gefunden und insgesamt 19 Jahre dort gelebt, bevor er Anfang des Jahres nach Bielefeld gezogen ist. Über die Stationen Post SV Detmold und TBV Lemgo kam er schließlich zum VfB Fichte Bielefeld. "Bei Fichte habe ich zwei Jahre lang mit der A-Jugend in der Landesliga gespielt."
"Sport war immer meine Leidenschaft und meine Liebe"
Danach endete seine Fußballkarriere abrupt. Im Boxsport fand Leon Harth schnell ein neues Betätigungsfeld. "Sport war schon immer mehr für mich, meine Leidenschaft und meine Liebe", fügt er an. "Ich wollte einfach Sportler werden. Ziele hatte ich eigentlich keine. Ich denke, dass ich für den Fußball zu egoistisch war." Irgendwann lernte Leon Harth seinen jetzigen Trainer Alexander Bich kennen. "Ein Kumpel hat mich zum Probetraining beim BC Vorwärts mitgenommen. Und damit ist meine Amateurkarriere angefangen."
Dann ging alles sehr schnell. Mit 19 Jahren hatte er seinen ersten Amateurkampf. Für seinen Mentor Alexander Bich war entscheidend, dass er vieles, von dem, was ihn heute auszeichnet, schon mitgebracht hat. "Im Boxen geht es darum, stark zu sein - körperlich, mental und natürlich ehrgeizig. Das hat Leon alles gehabt", erinnert sich Bich. "Wenn jemand mit großem Willen zum Training kommt, kann man auch leichter gemeinsam etwas erreichen."
Nach vier Jahren und einer erfolgreichen Amateurkarriere ist Leon Harth ins Profigeschäft gewechselt. Damals durfte (noch) kein Ausländer an Deutschen Meisterschaften teilnehmen. Diese Regel ist mittlerweile gekippt.
Seinen ersten Profikampf bestritt Leon Harth in Wien vor mehr als 4.000 Zuschauern gegen den Österreicher Marcos Nader. "Das war der aufregendste Kampf meiner bisherigen Karriere. Ich war so aufgeregt. Das war Adrenalin pur. Den Kampf habe ich auch in der zweiten Runde vorzeitig gewonnen." Betreut wurde er vom Ex-Weltmeister Sebastian Sylvester (IBF). "Ich war sein erster Schützling in Greifswald. Damals bin ich das erste Mal von zuhause ausgezogen. Das war schon ein Schritt."
Dieses Erfolgserlebnis hat seiner Karriere einen richtigen Schub gegeben. Nach 19 Kämpfen im Cruiser-Gewicht bis 90,7 kg und zwei verlorenen Titelkämpfen holte sich Leon Harth im Mai 2018 in Hamburg den vakanten IBO-Continental-Titel im Halbschwergewicht. Bereits Ende 2018 konnte er mit dem WBC-Asia-Titel seinen zweiten Erfolg feiern. Das soll nicht der letzte Titel bleiben - zumal der Deutsch-Armenier mit dem Münchner Alexander Petkovic einen renommierten Boxstall als Unterstützer an seiner Seite hat.