Kuriositäten im Amateurfußball

Abenteuerliche Ausreden: 10 Gründe, warum wir die Kreisliga im Kreis Gütersloh lieben

Keine Kondition, der sagenumwobene Wertsachen-Beutel und wundervolle Sprüche – der Kreisliga-Fußball bietet viele Eigenheiten. Eine augenzwinkernde Würdigung.

Erfolge – wie vor allem Titelgewinne und Aufstiege – ausgiebig zu feiern, ist vor allem in den Fußball-Kreisligen wichtig, wie auf diesem Archivbild die Mannschaft von RW St. Vit eindrucksvoll zeigt. Die tiefsten Ligen im Amateur-Fußball bieten darüber hinaus noch viel mehr ganz spezielle Eigenheiten. | © Thorsten Zelinski

Philipp Bülter
03.11.2025 | 03.11.2025, 15:53

Kreis Gütersloh. Liebevolle und vor allem amüsante Sprüche, abenteuerliche Ausreden für das eigene Fehlen im Training, Bratwurst und Bier sowie vor allem ehrlicher Fußball: In den heimischen Kreisligen erleben Besucher, Spieler, Trainer und Vereinsverantwortliche noch immer viel von dem, was sie im modernen Profi-Fußball mittlerweile allzu oft vermissen.

Diese Zeitung beschreibt zehn wundervolle Mythen und spezielle Eigenheiten des Amateur-Fußballs – bewusst mit einem Augenzwinkern betrachtet.

1. Mythos Kreisliga im Kreis Gütersloh: „Ja, war richtig!“

Seit Jahren spielst du mit dem langen Kerl in der Abwehrreihe zusammen, ihr versteht euch gut. Aber schon mindestens genauso lang möchtest du ihm förmlich zuschreien: „Nein, bitte schieß’ nicht drauf!“ Denn in jeder Partie ist es dasselbe Spiel: Irgendwann nimmt sich dein Teamkollege den Ball, visiert aus mindestens 25 Metern Entfernung das gegnerische Tor an – und zielt mindestens eine Etage zu hoch.

Dabei bekommen es die hinter den Toren stehenden Bäume ab. Beim FC Bayern München spielte einst der Kolumbianer Adolfo Valencia. Bekannt wurde er vor allem für seinen unsäglichen Torabschluss und erhielt den wunderschönen Spitznamen „Der Entlauber“. Dein Teamkollege aus der Abwehr wäre ein würdiger Konkurrent – doch natürlich sprichst du ihm nach jedem neuerlichen Fehlschuss lautstark Mut zu: „Ja, war richtig!“

2. Die Warnung vor dem Gegner: „Der hat mal höher gespielt“

Ein Satz, der bei wohl jeder „Gegneranalyse“ in der Kreisliga irgendwann fällt – ja: fallen muss. Denn natürlich hat in der Regel mindestens ein Spieler des Kontrahenten in früheren Jahren auch mal die Schuhe in einer höheren Liga geschnürt.

Auch der frühere Profi Uwe Hünemeier, hier im Trikot von SV Schwarz-Gelb Bokel, schnürte schon in der Kreisliga seine Schuhe. - © Thorsten Zelinski
Auch der frühere Profi Uwe Hünemeier, hier im Trikot von SV Schwarz-Gelb Bokel, schnürte schon in der Kreisliga seine Schuhe. | © Thorsten Zelinski

Dass derjenige dann von 30 Saisonspielen jedoch nur drei Mal eingesetzt wurde und das stets als Joker in der Schlussphase, tut nichts zur Sache, ebenso wenig der Fakt, dass er nun im Herbst der Karriere Mitte 40 ist – und locker 15 Kilo Übergewicht mitbringt. „Der hat mal höher gespielt“ – ein Satz, der auch 2025 noch für viel Ehrfurcht sorgen kann.

3. Der Appell an die Vernunft

Ist doch klar: In den Kreisligen verdient niemand hauptberuflich sein Geld mit dem Fußballspielen. Wenn dann der flinke 19-Jährige dem nicht mehr ganz so flinken 39-Jährigen im Sprintduell auf zehn Metern acht abnimmt, kann es schon mal krachen.

Und wenn dann am Sonntagvormittag bei sieben Grad Celsius und Nieselregen die Schmerzensschreie des Getroffenen über den Sportplatz hallen, ist es Zeit für DEN Kreisliga-Appell an die Vernunft schlechthin. „Wir müssen doch Morgen alle wieder arbeiten!“ – einer der absoluten Klassiker.

4. Der Aushilfs-Abkreider

Viele werden es kennen: Soeben hat man sich mit größtmöglicher Disziplin aus dem Bett geschält, und das trotz der vorherigen Party-Nacht – denn sonntags um 11 Uhr ist schließlich Anstoß. Doch nach der wackeligen Anreise zum Aschenplatz folgt dann die dicke Überraschung: Vor dem geplanten Kurzeinsatz als Joker in der C-Liga wird nun erst mal Hilfe bei der Spielvorbereitung benötigt.

Das Abkreiden in der Fußball-Kreisliga klappt nicht immer so reibungslos wie hier in einem professionellen Stadion. - © Marc Köppelmann
Das Abkreiden in der Fußball-Kreisliga klappt nicht immer so reibungslos wie hier in einem professionellen Stadion. | © Marc Köppelmann

„Justin hat gestern zu viel getrunken und kann nicht kommen. Kannst du bitte schnell den Platz abkreiden?“, lautet dann die fromme Bitte des Trainers. Weil Zusammenhalt im Amateur-Fußball nun mal großgeschrieben wird, ist das natürlich Ehrensache – es wäre aber besser, wenn der Schiedsrichter vor dem Anpfiff nicht allzu genau nachschaut, wie gerade die von dir fabrizierten Linien sind.

5. Abenteuerliche Ausreden

Nicht immer erzeugt eine Trainingseinheit oder gar das Punktspiel am Wochenende riesengroße Vorfreude. Insbesondere das aktuelle Schmuddelwetter trägt dazu einen Teil bei. Wenn der Coach dann in der Mannschaftsgruppe bei WhatsApp noch darum bittet, die Laufschuhe mitzubringen, steigt die Ausfallquote normalerweise eklatant an.

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Doch wie erkläre ich dem Trainer, dass ich diesmal lieber auf dem Sofa liegen bleiben möchte, anstatt zu trainieren? Amateur-Fußballer haben dafür mitunter ein beträchtliches Repertoire an abenteuerlichen Ausreden parat.

Dann wird es bisweilen tierisch („Trainer, ich kann leider nicht kommen – mein Teich ist geplatzt, und ich muss die teuren Koi-Karpfen einsammeln!“), liebevoll („Ich muss das Training absagen. Meine Freundin und ich sind heute seit genau fünf Wochen zusammen und gehen deshalb Essen“), geduldig („Ich erwarte noch ein Paket von Amazon und muss dafür zu Hause sein“) oder ganz und gar dreist: „Mein rechtes Bein ist eingeschlafen, daher kann ich das Gaspedal nicht treten und kein Auto fahren.“

6. Die Angst vor den Trainingsleibchen

Es ist das Spiel mit dem Feuer: Wenn die Tüte mit den Leibchen fürs Training ihren Weg in die Kabine findet, kann das durchaus für Ehrfurcht bei den Spielern sorgen – und bisweilen für pure Angst.

Früher, als Juniorenfußballer, war das alles noch anders. Reihum hat eine Mama oder ein Papa die stinkenden Leibchen, Trikots, Hosen und Stutzen der gesamten Mannschaft gewaschen und fein riechend wieder zurückgebracht.

Doch seitdem alle in der Mannschaft erwachsen geworden sind, kommt es auch mal vor, dass die Kleidung nach dem Gebrauch müffelnd in der Kabine oder sonst wo im Vereinsheim vergessen wird. Das Aroma, das die entsprechende Tüte mit den verdreckten Leibchen dann verströmt, ist in der Kreisliga bestens bekannt – und gefürchtet.

7. Ein frommer Wunsch: „Diago!“

In den Niederungen des Amateur-Fußballs haben Trainer mit ausgeprägter Affinität für taktische Finessen meist keine allzu große Halbwertszeit. Denn hier an der Basis wird der Fußball noch einfach gelebt und geliebt.

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Neben dem allseits beliebten langen Hafer wird innerhalb eines Teams – vor allem auf den Flügeln – gern ein Diagonalball als Zuspiel gefordert.

Weil das ein langes Wort mit zwölf Buchstaben ist, reicht die Kurzform: „Diago!“ Das versteht jeder Fußballer. Ob das 60-Meter-Geschoss von hinten links nach vorne rechts dann jedoch tatsächlich auch ankommt, sei mal dahingestellt.

8. Der Aberglaube

Manch einer redet sie gerne klein, die Rituale, die wohl jede Kreisliga-Kabine kennt. Der Nächste wiederum zelebriert sie regelrecht.

Wenn zuerst der rechte und dann der linke Schuh angezogen werden muss, oder wenn das Spielfeld nicht betreten werden kann, ohne sich vorab zu bekreuzigen, dann schwingt eine gute Portion Aberglaube mit.

9. Die Krux mit der Kondition

Dir war schon klar, dass du mit deinen knapp 40 Jahren und schwierigen Fitnesslevel nicht mehr 90 Minuten marschieren kannst. Aber dass du tatsächlich so früh zum Schiri gehen musst, um zu fragen, wie lange noch zu spielen ist, hättest du auch nicht gedacht.

Currywurst und Pommes dürfen in der Kreisliga oft nicht fehlen - haben aber vor dem Anpfiff meist keine positive Auswirkung auf die Kondition. - © Symbolbild: Pixabay
Currywurst und Pommes dürfen in der Kreisliga oft nicht fehlen - haben aber vor dem Anpfiff meist keine positive Auswirkung auf die Kondition. | © Symbolbild: Pixabay

Deinem „Schiri, wie lang’ ist noch?“ folgt ein ungläubiger Blick, ein Schmunzeln und eine klare Replik: „Also 70 Minuten haben wir noch!“ Memo an dich selbst: Das Schnitzel mit Pommes eine Stunde vor dem Anpfiff das nächste Mal weglassen.

10. Der Wertsachen-Beutel

Es ist ein Gesetz, das wohl nie ernsthaft angezweifelt worden ist. Denn jedem Amateur-Kicker ist klar: Der Letzte, der die Kabine verlässt, muss den Wertsachen-Beutel mitnehmen. In diesem tummeln sich (Auto-)Schlüssel, Schmuck, Portemonnaies und Handys. Das kann zu bitteren Begegnungen innerhalb des Beutels führen, denn Displays mögen spitze Schlüssel eher nicht.

Der Träger des Beutels (oder: der Tüte) trägt vor allem die Last der Verantwortung: Wie ein Luchs gilt es, all die Kostbarkeiten des Teams zu bewachen. Und auch das anschließende Zurückgeben nach dem Abpfiff wiegt durchaus schwer – zehn verschiedene schwarze iPhones wollen nämlich erst mal korrekt verteilt werden.