Arminia Bielefelds 1990er: Die „Neureichen aus Bielefeld“ spazieren in die Bundesliga

Bielefeld. Rüdiger Lamm und Ernst Middendorp – zwei Namen, die die Geschichte und die Entwicklung von Arminia Bielefeld in den 90er-Jahren entscheidend beeinflusst haben. Noch heute gibt es begeisterte Anhänger dieser beiden Fußball-Besessenen. Sie haben Arminia aus dem Dornröschenschlaf geweckt, argumentieren diese Fans. Nach grauen Jahren in der Oberliga habe Lamm das Licht auf der Alm wieder angeknipst und für eine Wertsteigerung der Marke Arminia gesorgt, loben ihn seine Befürworter. Nicht zu klein ist aber auch die Zahl der Kritiker, die Middendorps und Lamms Vorgehensweisen auf dem Weg der Erfolgsleiter nach oben mit Argusaugen begleiteten. Einige der getätigten Entscheidungen sorgten vor allem im finanziellen Bereich für Unverständnis. Lamms Budgets waren immer auf Kante genäht. Seine Agenda &bdquo;Arminia 2000“ spaltete die Gemeinde der Arminen. Er und Middendorp polarisierten. Wer ist dieser Rüdiger Lamm, der mit seinen Slogans &bdquo;Geht nicht, gibt’s nicht“ und &bdquo;Mit Geld kriege ich jeden“ die bis dahin eher hausbacken wirkende Vereinspolitik im Rekordtempo umkrempelte? Lamm war ein passabler Tischtennisspieler, der in der Bundesliga für den Meidericher TC spielte. In den 80er-Jahren übernahm er die Leitung der Sportvereinigung Steinhagen und führte die Tischtennisabteilung zu sechs Meistertiteln und zwei Europapokalsiegen bei den Frauen. Lamm kommt vom Tischtennis zu Arminia Bielefeld Der ehrgeizige Macher hatte aber Größeres im Sinn. Seit Ende der 80er-Jahre rekrutierte er auch Sponsoren für Arminia Bielefeld und kassierte für diese Dienstleistungen 20 Prozent Honorar. Es war die Geburtsstunde seines Spitznamens &bdquo;Mr. 20 Prozent“. Trotz der sportlichen Erfolge im &bdquo;Schnapsdorf“ wurde ihm die Tischtenniswelt zu klein. Die große Anerkennung war ausgeblieben. Im Januar 1994 wechselte Lamm als hauptamtlicher Manager zu Arminia Bielefeld. Nur wenige Hunderte Zuschauer bei den Heimspielen in Steinhagen trotz sportlicher Spitzenleistungen forcierten sein Umdenken. Lamms betriebener Aufwand hatte sich als unökonomisch erwiesen. Er suchte neue Herausforderungen und fand sie bei Arminia. Viele der Steinhagener Sponsoren nahm er mit zur Alm. Darunter auch Modeunternehmer Gerhard Weber. Das Projekt Steinhagen endete Knall auf Fall. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Arminia sportlich in einem Zustand ohne Visionen und Ziele. Der DSC dümpelte vor sich hin in der Oberliga. Arminia Bielefeld spaziert zurück in die Bundesliga An seiner neuen Wirkungsstätte räumte Lamm mit Dienstbeginn rigoros auf. Trainer Ingo Peter bekam im Februar die Papiere. Es folgte Theo Schneider für einige Monate. Zur neuen Saison hatte Lamm fest mit der Verpflichtung von Frank Pagelsdorf als neuen Coach gerechnet. Der einstige DSC-Spieler entschied sich aber kurzfristig für ein Engagement in Rostock. Ein Dämpfer für den umtriebigen Manager. Seine Notlösung Wolfgang Sidka stellte sich im Rekordtempo als Flop heraus. Die Chemie zwischen ihm und den Spielern passte nicht. Es folgte die Entlassung bereits nach dem vierten Spieltag als Konsequenz einer 0:1-Niederlage gegen Rot-Weiss Essen. Lesen Sie auch: Arminias 1980er: Alm-Wunder, Horror-Verletzung und Rekord-Debakel Lamm erinnerte sich an einen alten Bekannten. &bdquo;Power-Ernst“ Middendorp erwies sich bei seinem zweiten Engagement in Bielefeld nach 1988 bis 1990 als der geeignete Dompteur, die mit Stars wie Thomas von Heesen, Fritz Walter, Armin Eck, Jörg Bode und Peter Hobday gespickte Supertruppe zum Aufstieg zu treiben. Die Magie der ostwestfälischen Moneten war auch in den Jahren danach für weitere Topspieler ein überzeugendes Argument, einen Abstecher ins Schlaraffenland zu machen. Genannt seien beispielsweise Uli Stein, Stefan Kuntz, Georg Koch oder Bruno Labbadia. Lamms Konzept ging auf. Middendorp lieferte ab. Ebenso die &bdquo;Millionäre in kurzen Hosen“, wie der Boulevard die Truppe der &bdquo;Neureichen aus Bielefeld“ bezeichnete. Arminia spazierte auf direktem Weg aus der Regionalliga in die Bundesliga. Lamm hat bei Arminia Bielefeld freie Hand Lamm legte während seiner Amtszeit von vier Jahren und neun Monaten ein rasantes Tempo vor. Sein Ideenreichtum schien grenzenlos zu sein. Lamm war der Erfinder der rotierenden Bandenwerbung auf der Alm. Giuseppe Reina bezahlte er mit Einfamilienhäusern. Er profitierte von seinen enormen Freiheiten, die ihm die Mitglieder des Vorstandes um Präsident Hans-Hermann Schwick gewährten. Entscheidungen konnte er daher im Handumdrehen treffen. Um diese Stärke beneideten ihn seine Managerkollegen. Lesen Sie auch: Als Uli Braun die Bayern abschoss: Arminia Bielefelds turbulente Siebzigerjahre Der Druck, der von Beginn an auf den Schultern von Lamm und Middendorp lastete, und später auch eine Portion Selbstüberschätzung aufgrund der Erfolge, führten zu fehlerhaftem Verhalten beider Protagonisten. Lamm legte sich mit Modeunternehmer Gerhard Weber (&bdquo;Der Wichtigtuer aus Halle“) an, der seine Unterstützung für den DSC umgehend beendete. Middendorp und sein Managerfreund Lamm &bdquo;bekriegten“ sich ab und an mit Bielefelder Medien, von denen sie sich schlecht behandelt fühlten. Auch innerhalb der Mannschaft stimmte es vorne und hinten nicht mehr. Unheil war programmiert. Arminia Bielefeld gerät in finanzielle Schieflage Mit dem Bundesligaabstieg 1998 brach Lamms Lebenswerk in sich zusammen. Bereits im August hatte Middendorp die Rote Karte gesehen. Seine motivierenden Maßnahmen hatten sich nur noch als laues Lüftchen erwiesen. Wenig später packte auch der Manager seine Sachen zusammen. Arminia war wegen zu großzügiger Spielergehälter in eine bedrohliche finanzielle Schieflage geraten. Im aktuellen Etat drohte eine Unterdeckung von sechs Millionen Mark. Lamms Gottvertrauen, auch in schwierigsten Situationen stets eine Lösung präsentieren zu können, war diesmal nicht aufgegangen. Heribert Bruchhagen als Lamms und Thomas von Heesen als Middendorps Nachfolger mühten sich letztlich mit Erfolg, sich vom Ballast ihrer Vorgänger zu befreien. Die Rückkehr 1999 in die Bundesliga gelang. Unter Trainer Hermann Gerland ging es ein Jahr später aber wieder abwärts. Die Ära Lamm zählt auch heute noch zu den schrillsten, aber auch erfolgreichsten Episoden der 120-jährigen Geschichte Arminias. Lamm lebt heute als Rentner in Bad Salzuflen. Vom Fußballgeschäft hat er sich schon seit Langem zurückgezogen. Er ist mit sich im Reinen. Kritik an seiner Person lässt Lamm heute nur in zwei Fällen zu. &bdquo;Gegenüber Theo Schneider und Torhüter Zdenko Miletic, dem ich Georg Koch vor die Nase gesetzt habe, habe ich mich nicht fair verhalten und zu viel versprochen. Das bedauere ich.“ Lesen Sie auch: Ex-Armine Schock wird 75: Vom 100-Tore-Sturm zum Rückzug aus der Öffentlichkeit

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