Blick vom Block

Arminia-Kolumne: Das Risiko eines Schusses nach hinten war gewaltig hoch

Die positiven Begleitumstände vor dem Spiel gegen 1860 München hätten einem eingefleischten Arminen sofort suspekt vorkommen müssen, meint unser Kolumnist.

Es waren die Münchner Fans, die in Bielefeld - auch aus Freude über den 1:0-Sieg - ein Feuerwerk abbrannten. | © Oliver Krato

23.09.2024 | 23.09.2024, 12:10

Ach ja, da hat der vereinseigene Psychologe wieder viel zu tun. Haben wir denn einen? Diese Niederlage war eine mit Ansage. Schon mehrere andere Arminia-Mannschaften haben bei diesen Rahmenbedingungen versagt. Volle Ränge, beste Stimmung und viele Fans haben sich vorab bei ihren Tipps in der Höhe des Sieges wohl gegenseitig übertroffen. Auch ich, eigentlich ja ein alter DSC-Hase, hatte zwischen einem 2:0 oder 3:0 geschwankt.

Erst als ich mir kurz vor Spielbeginn die ganze Szenerie mit Weltkindertag und der Chance auf die Tabellenführung vor Augen führte, wurde mir klar, dass das Risiko des berühmten „Schusses nach hinten“ gewaltig hoch war (da habe ich noch nicht geahnt, dass es mehr ein Schuss von ganz hinten werden sollte).

In meinem Arminia-Leben erinnere ich mich jedenfalls nur an den irgendwie hingegurkten Aufstieg durch den Testroetschen Ausgleich gegen Regensburg 2015. Und damals hätten wir am letzten Spieltag auch noch eine weitere Chance gehabt. Gegen 1860 jedenfalls stieg in mir mit jeder schlechten Flanke, jedem weiteren ungenauen Pass in den Sechzehner oder zu langem Eckball oder Freistoß dieses Darmstadtgefühl in mir hoch. Und dann noch getoppt durch dieses demütigende Ferntor, bei dem unser Torwart auch noch ein wenig unglücklich aussah, da er diesen kurzen Stopp auf dem Rückweg einlegte, wollte er doch sehen, wo der Ball gerade so herfliegt.

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Alles fing so romantisch an

Es fing so schön an am Samstag. Ein Schnäppchen beim Einkauf von Gartenmöbeln gemacht, die Sonne schien und das Leben fühlte sich gut an. So saß ich auf meinem Rad auf dem Weg zu Michaels „Oktoberfest“ mit Münchner Hell und Weißwurst (ja, ich weiß, eigentlich nur bis 12 Uhr). Die Sonne zeigte ihr schönstes Vorherbst-Strahlen und die Bäume beginnen ihre Verwandlung zu gelb-rot-bunten Schönheiten. So romantisch kann der Auftakt zu einem Arminiaspiel sein.

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Einige 60er kamen die Straße entlang und suchten freundlich den Kontakt und freuten sich über unsere Interpretation ihrer Kultur. Einer aus der Münchner Fangruppe, die das ganze Wochenende in unserer schönen Stadt verbrachte, hatte eine spezielle Sichtweise: (Bitte die bayerische Stimmfarbe mitdenken) „Wir können heute nur gewinnen. Gewinnen wir, haben wir drei Punkte mehr. Schön. Verlieren wir, geht der Trainer – auch schön.“ Fatalismus pur, wie bei Arminia. Ich glaube, sie werden abends irgendwo in der Stadt noch lange den flüssigen Teil ihrer Kultur gepflegt haben.

In Erwartung eines recht souveränen Sieges stand ich also da und das eingangs erwähnte Gefühl wurde mit jedem erfolglosen Angriff stärker. Arminia war optisch quasi über die ganzen 96 Minuten überlegen. Aber im Sechzehner, spätestens im Fünfmeterraum, war irgendwie immer Ende. So eineinhalb, wohlgemeint vielleicht drei Chancen kamen zusammen.

Die Fan-Stimmen nach dem Spiel gegen TSV 1860 München im Video:

Sechs Tore im nächsten Spiel - dann wäre Ruhe

Und dann flog dieser Ball fast 23 Sekunden durchs Stadion und alle hielten den Atem an. Bei wohl jeder anderen Mannschaft wäre der Ball irgendwo im Fangnetz gelandet. Aber diesmal eben nicht. Das Schlimme ist, dass wir dieses Tor noch häufig irgendwo sehen werden. Es bleibt nur eins, wir müssen beim nächsten Spiel entweder auch so ein Ding machen oder einfach sechs oder acht Tore erzielen. Dann wäre Ruhe.

Keine Ruhe wird vorerst einkehren, wenn ich die Diskussionen um den Trainer höre. Mitch Kniat wird von einigen vorgeworfen, zu häufig zu rotieren. Für mich ist das teils nicht nachvollziehbar, denn bis zu diesem Spiel waren wir ungeschlagen. Da kann dann ja nicht alles falsch gewesen sein. Auch ich habe lange mit dem Trainer gefremdelt, aber ich mag die Idee, dass wir unseren „Trainer-pro-Jahre“-Durchschnitt irgendwie in Freiburger oder Heidenheimer Nähe bringen.

Jetzt geht es zunächst gegen Stuttgart II, in Großaspach in der „WIRmachenDRUCK-Arena“. Was für ein Name! Und dann gegen unsere Nachbarn aus Verl, dem Inbegriff für die Kombination aus Landwirt in Gummistiefeln und bewundernswerter Effizienz in Bezug auf Punkte je Euro. Mehr 3. Liga in einer Woche geht kaum. Das tut schon irgendwie weh.

Euer Armine von der Süd!